Öffentliche Defibrillatoren:Fatale Berührungsängste

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Mit Defibrillatoren können Laien Leben retten. (Foto: dpa)

Dass öffentliche Defibrillatoren Leben retten können, hat ein Fall in Unterschleißheim bewiesen. In Ottobrunn wird dennoch diskutiert, ob die Anschaffung weiterer Geräte sinnvoll ist. Denn viele Menschen zögern, sie zu benutzen.

Von Magdalena Mock, Ottobrunn

Die meisten Kommunen im Landkreis München haben mehrere öffentliche Defibrillatoren, manche sogar an 19 Standorten. In Ottobrunn gibt es genau einen, am Wolf-Ferrari-Haus. Das ist zu wenig, findet die FDP. Nun wird geprüft, ob weitere aufgestellt werden sollen.

Defibrillatoren sind medizinische Geräte, die durch gezielte Stromstöße Herzrhythmusstörungen beenden können. An öffentlichen Orten werden sogenannte Automatisierte Externe Defibrillatoren (AED) bereitgestellt, die durch ihre Bau- und Funktionsweise besonders für Laienhelfer geeignet sind. "Die Geräte sind selbsterklärend, man kann wirklich nichts falsch machen", sagt Gabriel Pollak, Einsatzleiter beim Roten Kreuz München.

Die Ersthelfer müssen nur den Anweisungen des Gerätes folgen

Das Gerät erkennt ohne Zutun der Ersthelfer, ob eine Schockgabe nötig ist. Auch die Energie, die beim Stromstoß abgegeben wird, bestimmt es selbständig. So müssen Ersthelfer lediglich den Sprachanweisungen folgen. Einige Modelle unterstützen den Ersthelfer sogar bei der nötigen Herz-Lungen-Wiederbelebung. "Aus medizinischer Sicht kann man sagen, je mehr Defis es gibt, desto besser für die Patienten. Sie sind auf jeden Fall lebensrettend", versichert Pollak.

In Unterschleißheim etwa retteten Passanten durch ihr schnelles Eingreifen einem Familienvater aus Norddeutschland das Leben. Der 38-Jährige hatte bei einem Jugendfußballturnier im Sommer einen Herzstillstand erlitten. Parallel zum Notruf holten Ersthelfer einen Defibrillator aus der Notrufsäule am Sportpark und begannen mit der Wiederbelebung. Die zwölf Defibrillatoren in Unterschleißheim waren erst im April eingeführt worden. Das wenig später eintreffende First-Responder-Team übernahm die weitere Versorgung des Mannes.

Grünwald und Kirchheim haben die meisten Defibrillatoren

Das Landratsamt befürwortet die Bereitstellung von öffentlichen Defibrillatoren dringend. Im Landkreis München stehen die medizinischen Geräte jedoch noch nicht flächendeckend zur Verfügung. Die Anzahl der aufgestellten Laien-Defibrillatoren schwankt stark von Gemeinde zu Gemeinde. Während in Grünwald und Kirchheim 19 Defibrillatoren für den öffentlichen Gebrauch bereit gestellt worden sind, gibt es in vielen anderen Gemeinden, etwa Putzbrunn oder Neubiberg, nur zwei oder drei.

Die Gemeinde Aschheim hat wie Ottobrunn bis jetzt nur einen Defibrillator. Er hängt seit einem guten halben Jahr im Rathaus. Finanziert wurde er von ortsansässigen und benachbarten Unternehmen. Überlegungen zur Anschaffung weiterer Defibrillatoren gibt es bereits. "Der Trend geht ja auf jeden Fall in die Richtung", sagt Rathaus-Geschäftsleiter Christian Schürer. Besonders dringend sei die Angelegenheit jedoch nicht, da Aschheim über einen sehr leistungsfähigen First-Responder-Dienst verfüge.

Nach einem Antrag der FDP ist nun auch in Ottobrunn die Diskussion entbrannt, ob und wo in der Gemeinde zusätzliche Defibrillatoren aufgestellt werden sollten. Wie in Aschheim ist das First-Responder-System gut ausgebaut. Es gibt daher Zweifel, ob die Defibrillatoren nicht überflüssig sind. Die CSU warnt davor, sinnlos Geld auszugeben.

Der Feuerwehrkommandant plädiert für Aufklärung statt technischer Aufrüstung

Auch der Ottobrunner Feuerwehrkommandant Eduard Klas ist skeptisch. Das Problem sei, dass die Menschen hierzulande oft sehr große Berührungsängste bei der Ersten Hilfe hätten. "Das viel beschworene Beispiel USA, wo an jeder Tankstelle ein AED hängt, kann nicht herangezogen werden, da hier Erste Hilfe am Nächsten viel tiefer in der Gesellschaft verankert ist", so Klas. In der Regel würden die Defibrillatoren in Deutschland hingegen nur äußerst selten genutzt. Daher sei eine zusätzliche Ausstattung mit Defibrillatoren in Ottobrunn nicht sinnvoll. Er rät, stattdessen in mehr Aufklärung und Bildung im Bereich Erste Hilfe zu investieren.

"Die Anwendung ist zwar kein Hexenwerk, im Gegenteil, aber dennoch haben viele Leute immer noch Angst davor", bestätigt Lisa Tomaschko von der Björn-Steiger-Stiftung. Um genau diesen Ängsten zu begegnen, plant die Gemeinde Grasbrunn im kommenden Jahr eine Informationsveranstaltung für Interessierte. Erst im August waren vier neue Defibrillatoren bei den Bürgerhäusern und dem Sportgelände des Ortes aufgestellt worden.

Auch im Hauptausschuss in Ottobrunn ist die Stimmung trotz der verschiedenen Einwände verhalten positiv: "Ich glaube auch, dass wir noch ein paar vertragen könnten", sagt Bürgermeister Thomas Loderer von den örtlichen Freien Wählern. Mögliche Standorte wären etwa der Bahnhofsplatz und die Ferdinand-Leiß-Halle. Ein endgültiger Beschluss wird jedoch erst fallen, wenn die Verwaltung überprüft hat, ob diese Orte geeignet sind und der Bedarf für weitere Geräte besteht.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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