Kriminalität:Mit Sicherheit kein gutes Gefühl

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Laut Kriminalstatistik ist die Gefahr, Opfer eines Verbrechens zu werden, im Landkreis besonders gering. Dennoch leben immer mehr Menschen in der Angst vor Einbrüchen und Überfällen. Ein SPD-Podium in Taufkirchen sucht nach Antworten.

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Wenn Stefan Schraut, der Leiter der Polizeiinspektion Unterhaching, regelmäßig bei Informationsveranstaltungen im Hachinger Tal die neuesten Zahlen seiner Kriminalitätsstatistik an die Wand projiziert, dann will er den Bürgern damit vor allem eines vermitteln: Die Sicherheitslage im Landkreis ist gut, ja sogar sehr gut. Die Kriminalitätsrate ist nur halb so hoch wie in der Stadt München.

Das bestätigte bei einer Podiumsdiskussion der Taufkirchner SPD am Montagabend auch der Landtagsabgeordnete und sicherheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Peter Paul Gantzer aus Haar: "Bei der objektiven Sicherheitslage steht der Landkreis München ganz oben." Gleichwohl wissen beide: "Mit Statistik lässt sich ein Gefühl der Unsicherheit nicht beruhigen", wie Schraut sagte.

"Bei der Angst vor Straftaten ist Deutschland führend."

"Bei der Angst vor Straftaten ist Deutschland führend, der Deutsche ist ein sehr sicherheitsbedürftiger Bürger", betonte Gantzer. Bayern habe die Sicherheit gut im Griff, das müsse er auch als Oppositioneller sagen: "Andere Länder können sich ein Beispiel daran nehmen."

Die Angst, Opfer einer Straftat zu werden, gibt es dennoch auch im Landkreis München. Die Angst vor Wohnungseinbrüchen, vor Raubüberfällen, Übergriffen auf der Straße, vor Terroranschlägen und "vor allem Unbekannten", wie Schraut es ausdrückte. Dass diese Ängste seit der Unterbringung von inzwischen etwa 4500 Flüchtlingen im Landkreis zugenommen hat, weiß der Unterhachinger Polizeichef aus Gesprächen.

Auch in Wortmeldungen aus dem Publikum wurde dies deutlich. Von Unwohlsein in der S-Bahn war die Rede, von der Angst älterer Menschen, abends allein nach Hause zu gehen, und von Einschüchterungsversuchen gegenüber Frauen, etwa durch penetrantes Anstarren. "Das sind subjektive Angstgefühle, obwohl faktisch nichts passiert", entgegnete Rechtsanwalt Matthias Trepesch, den die SPD auf das Podium geladen hatte, um das Thema Sicherheit aus der Sicht der Strafverteidigung zu beleuchten.

Die Einschätzung der Polizei gibt dem Juristen recht: "Flüchtlinge tragen nicht zur Erhöhung der Straftaten bei", betonte Schraut. Zwar gebe es noch keine belegbaren Zahlen aus den vergangenen eineinhalb Jahren, "doch aus unserer Sicht wird sich an der Statistik nichts ändern". Er räumte ein, dass es bei den Inbetriebnahmen der Traglufthallen am Anfang mehr Einsätze gegeben habe. "Das ist aber klar, wenn plötzlich 200 Leute in einem Raum unterkommen, das hat sich mit der Zeit gegeben." Übergriffe nach außen aber seien ihm nicht bekannt: "Ich weiß von keinem einzigen solchen Ereignis." Strafverteidiger Trepesch betonte: "Die meisten Flüchtlinge kommen hierher, weil sie Schutz suchen und nicht weil sie Straftaten begehen wollen."

"Vor Flüchtlingen am Bahnhof müssen Sie keine Angst haben"

Laut Gantzer werden die meisten von Ausländern verübten Straftaten von Georgiern begangen, gefolgt von Albanern und rumänischen Einbrecherbanden. "Vor Flüchtlingen am Bahnhof müssen Sie keine Angst haben", sagte der Landtagsabgeordnete zu den Zuhörern. Allerdings räumten Schraut und Gantzer auch ein, dass die Kriminalstatistik nur diejenigen Straftaten auflistet, die angezeigt werden. "Daher fordern wir schon lange einen Dunkelzifferbericht", sagte Gantzer.

Auch sei es natürlich schwierig, gegen bestimmte Verhaltensweisen anzugehen. "Gesetzeswidriges Anglotzen gibt es nicht", sagte Schraut. Er appellierte an die Wachsamkeit der Bevölkerung. Die Sozialkontrolle funktioniere und dürfe nicht aufgegeben werden. "Wir müssen im positiven Fall auf den Nachbarn schauen", so der Polizeihauptkommissar. Er räumte allerdings auch ein, dass es schwierig sei, sich Verhaltensweisen entgegenzustemmen, die sich in der Gesellschaft etabliert hätten. Die zunehmende Respektlosigkeit etwa bereite auch der Polizei vermehrt Probleme. "Da müssen wir klare Kante zeigen", forderte daher Gantzer.

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Neue Gesetze, so die einhellige Meinung, würden dabei aber nicht helfen. Man könne auch nicht jeden wegen Beleidigung wegsperren, entgegnete Trepesch einer derartigen Forderung aus dem Publikum. "In den Gesetzen ist genug Bandbreite drin, wichtig ist eine konsequente Anwendung", so der Strafverteidiger. Doch hätten nicht alle Gesetze sich bewährt, stellte Schraut fest. "Die Politik muss auch den Mut besitzen, frühzeitig nachzubessern", forderte er. "Manche Gesetze sind gut gemeint und schlecht gemacht", bestätigte Gantzer. Im Grunde reiche das Strafgesetz buch aus, sagte der Landespolitiker, der mit einem neuen Paragrafen "Gewalt gegen Polizeibeamte" aber ein Zeichen setzen möchte.

© SZ vom 01.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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