Ismaning:Expedition ins Tierreich

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Jährlich kommt es zu etwa 15 Straßeneinbrüchen und mehr als 20 Einbrüchen auf Ackerflächen - und diese stellen eine Gefahr für Mensch und Tier dar. (Foto: Claus Schunk)

In Ismaning fällen Biber nicht nur Bäume, sondern untergraben auch Straßen und Ackerflächen. Bei einem Ortstermin zeigen Politiker Verständnis für die aufgebrachten Bauern. Gejagt wird der Nager wohl trotzdem nicht.

Von Martin Mühlfenzl, Ismaning

Der Biber ist nicht leicht zu beeindrucken. Es ist ihm egal, wenn sich eine Horde aus Politikern, Landwirten und Experten der Unteren Naturschutzbehörde in seinem Revier breit macht und in bester Top-Gun-Manier einen Feldweg abschreitet, an dem sich des Bibers Wirken bestens bestaunen lässt.

"Es ist dem Biber ja auch wurscht, was wir hier beschließen", sagt der stellvertretende Landrat Ernst Weidenbusch (CSU) am Mittwochnachmittag bei seinem Besuch in der Ismaninger Bruckmairstraße, die seit Ende Januar auf einem Abschnitt von 600 Meter gesperrt ist, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. "Wenn wir heute sagen, wir wollen den Biber hier nicht mehr haben, lacht der sich schlapp - aber verschwinden wird er nicht", sagt Weidenbusch.

Mehr als 10 000 Bäume sind dem Nager seit 1990 in Ismaning zum Opfer gefallen

Der Besichtigungstermin im Ismaninger Osten hatte freilich einen ernsten Hintergrund; sogar der Bundestagsabgeordnete des Landkreises Florian Hahn (CSU), der sich als Mitglied des Verteidigungsausschusses in Berlin eigentlich mit militärischen Angelegenheiten befasst, war angereist. Denn mittlerweile haben sich auf Ismaninger Gemeindegebiet laut Umweltamt etwa 80 Biber niedergelassen, in Bächen und Gräben auf einer Länge von 20 Kilometern, an denen meist Straßen und Feldwege entlang führen - wie eben die Bruckmairstraße.

Und das geschützte Nagetier hinterlässt Spuren: Mehr als 10 000 Bäume fielen in Ismaning seit 1990, dem Jahr der Rückkehr des Bibers, bisher dem Nager zum Opfer. Jährlich kommt es etwa zu 15 Straßeneinbrüchen und mehr als 20 Einbrüchen auf Ackerflächen. Und diese, sagte Landwirt Hans Lupperger, stellten eine besondere Gefahr für Mensch und auch Tier dar.

Der Termin in Ismaning, den der Kreisrat Otto Bußjäger (Freie Wähler) initiiert hat, sollte aber vor allem auch eine Debatte wieder in Gang bringen und verhärtete Fronten aufbrechen. Denn der richtige Umgang mit dem Biber ist vor allem von Streit geprägt. Landwirte, aber auch Vertreter der Gemeinde Ismaning - darunter auch Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) - fordern, den Biber an besonders sensiblen Stellen mit Fallen zu jagen oder auch abzuschießen. Naturfreunde wie der Biberberater Peter Martin freuen sich indes, dass der Nager im Landkreis wieder heimisch geworden ist und verweisen darauf, dass der Biber nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) besonders schützenswert ist.

"Wenn hier ein Ross reintritt, ist es mit dem Pferd vorbei"

Der Konflikt Mensch - Tier wird in der Ismaninger Bruckmairstraße besonders deutlich; denn der Feldweg stellt für mehrere Landwirte die einzige Zufahrt zu ihren Feldern im Osten der Gemeinde dar. Der Biber aber nagt nicht nur Bäume an, sondern untergräbt den Weg auf einer Länge von mehreren hundert Metern - es bilden sich an der Oberfläche immer wieder gefährliche Löcher.

"Wenn hier ein Ross reintritt, dann ist es mit dem Pferd vorbei", sagt Kreisrat Bußjäger. "Oder man bleibt mit dem Anhänger hängen, dann kann es einen auch bei Tempo 25 durch die Windschutzscheibe schlagen", sagt Landwirt Lupperger, und: "Die Versicherung zahlt sicher nicht - und der Biber auch nicht."

Stellvertretender Landrat Ernst Weidenbusch (Mitte) machte sich in Ismaning ein Bild von den Biber-Schäden in der Bruckmairstraße. (Foto: Claus Schunk)

Gesucht ist ein Mittelweg im Konflikt zwischen Mensch und Tier

Die Gemeinde sah sich am 29. Januar gezwungen, die mit tiefen Schlaglöchern und eben auch Biberlöchern gesäumte Straße komplett zu sperren. Eine Anordnung auf Entnahme des Bibers für dieses Areal wird Rathauschef Greulich zwar bald beim Landratsamt anmelden, Aussicht auf Erfolg aber wird dieses Ansinnen kaum haben: "Wir wissen, dass das hier ein FFH-Gebiet ist." Kritik mehrerer Landwirte, das Landratsamt und die Untere Naturschützbehörde würden ohnehin solche Genehmigungen nicht erteilen und sich mehr um den Biber als die Anwohner kümmern, weist Weidenbusch zurück: "Das ist Schmarrn. Wir müssen den Mittelweg finden. Der Biber braucht seinen Lebensraum und der Mensch darf nicht gefährdet werden."

Eine Lösung brachten die Gespräche im Ismaninger Hinterland letztlich zwar nicht, doch alle Beteiligten verständigten sich darauf, anhand einer Bestandskarte des Landratsamtes alle betroffenen Areale zu überprüfen. Denn neben der Bruckmairstraße sind in Ismaning auch andere Ortsteile massiv betroffen - darunter die Senderstraße, wo bereits eine Haltestelle für Schulbusse einzubrechen drohte. Diesen Bereich hat die Gemeinde wieder befestigen lassen.

Dort graben die Nager Löcher, in die mitunter auch ein Erwachsener passt. Der Feldweg ist mittlerweile gesperrt. (Foto: Claus Schunk)

In vier Wochen müssen die Bauern wieder auf ihre Felder gelangen

"Wichtig ist uns, dass wir jetzt schnell für die Bruckmairstraße eine Lösung finden, die Bauern müssen ja wieder in vier Wochen auf ihre Felder", sagt Weidenbusch. "Außerdem befinden sich im Unterbau Strom- und Gasleitungen." Eine Befestigung der Seitenränder schließt der stellvertretende Landrat ebenfalls nicht aus - zudem ergänzt er: "Der Biber wird aber bleiben, das ist klar."

© SZ vom 12.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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