Hinweise auf ein römisches Kastell:Spinnen die, die Ayinger?

Festzug Römischer Legionäre in Hartpenning, 2004

Römische Legionäre könnten im dritten und vierten Jahrhundert ein befestigtes Lager bei Aying aufgeschlagen haben.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalpflege haben auf Luftbildern von Aying Grundrisse eines römischen Kastells entdeckt

Von Michael Morosow, Aying

Die Geschichte des Ortes Eiinga muss nicht neu geschrieben werden, aber sie ist seit Kurzem um einen großen Markstein reicher: Ein Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege hat auf Luftaufnahmen die Grundrisse eines römischen Kastells der späten römischen Kaiserzeit erkannt. Nach dem sensationellen Fund eines Erdstalls neben der Andreaskirche vor wenigen Monaten rückt die Gemeinde Aying nunmehr ein weiteres Mal in den Fokus der Historiker, für die die Entdeckung des Kastells von großer wissenschaftlicher Bedeutung ist, sowohl für die Erforschung der römischen als auch der mittelalterlichen Besiedelung der Region.

Noch stehen viele Fragezeichen hinter der 65 mal 67 Meter messenden Befestigungsanlage, die aus Stein errichtet wurde und 120 bis 160 römischen Soldaten Platz geboten haben soll. Unter anderem fehlen bis dato Belege darüber, dass die Anlage tatsächlich bezogen war. Ihr wissenschaftliches Potenzial könne erst in Ansätzen abgeschätzt werden, heißt es aber hoffnungsfroh aus dem Landesdenkmalamt, das tunlichst darum bemüht ist, die genaue Lage des Bodenfundes unter Verschluss zu halten. Das ist durchaus verständlich, pfuschen doch zunehmend forsche Hobbyarchäologen den Fachleuten ins Handwerk und vernichten bei ihrer Suche nach antiken Schätzen wichtige Spuren.

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Das Römerkastell Saalburg wurde bereits Mitte des 2. Jahrhunderts errichtet und vor etwa 120 Jahren rekonstruiert. Ähnlich mag das später errichtete Kastell in Aying ausgesehen haben.

(Foto: Frauke Schol)

Und es kann durchaus möglich sein, dass die ersten Schatzsucher bereits Wind bekommen haben von dem neuerlichen Bodenfund in Aying. Franz Inselkammer junior, dem ein Großteil der Fläche gehört, auf dem einst das römische Kastell gestanden hat, sind jedenfalls verdächtige Beobachtungen von Anwohnern zu Ohren gekommen. Ein Fremder sei in der Nähe herumgeschlichen, hätten ihm die Leute berichtet. Nach einem kurzen Wortwechsel habe dieser seinen Versuch, wenn es denn einer war, jedoch schnell wieder abgebrochen: "Was willst du da?" - "Ich will da nur entlanggehen." - "Schleich di!"

Wie die Denkmalpfleger und Ayings Bürgermeister Johann Eichler ("Einfach toll, mal schauen, was da noch alles gefunden wird") zeigt sich auch der junge Bräu überaus angetan von der Entdeckung des römischen Kastells auf seinem Grund. "Wir finden das wahnsinnig spannend und haben uns sehr darüber gefreut, dass wieder so ein wichtiger Stein der Ortsgeschichte gefunden wurde", sagt Inselkammer. Aber was geschieht nun mit dem Grundstücksteil, für das er bereits Baurecht hat? Es gehe ihm nicht um das Baurecht, dazu habe der Fund eine viel zu große geschichtliche Bedeutung für den Ort, sagt der Brauereichef. Solche Aussagen sind Balsam in den Ohren der Denkmalpfleger, die es nicht selten mit gänzlich unkooperativen Bauherren zu tun haben.

Hinweise auf ein römisches Kastell: Unschwer zu erkennen: Die Umrisse auf Äckern bei Aying lassen die ehemaligen Mauern und Türme erahnen.

Unschwer zu erkennen: Die Umrisse auf Äckern bei Aying lassen die ehemaligen Mauern und Türme erahnen.

(Foto: Landesamt für Denkmalpflege)

Laut Fachleuten folgt die Ayinger Anlage dem Grundkonzept spätrömischer Kastelle und Festungsbauten des ausgehenden 3. und 4. Jahrhunderts aus Stein; damals seien kompakte, stark befestigte und damit leicht zu verteidigende Massivbauten bevorzugt worden, erklärt eine Sprecherin des Denkmalamts. Der kombinierte Befund von Luftbild und geophysikalischen Messungsmethoden zeige mit seltener Deutlichkeit eine quadratische Befestigung mit Ecktürmen und vier dazwischenliegenden, eckigen Binnentürmen. In Bayern sei dieser spezielle Bautyp bislang nicht nachgewiesen. In der Regel seien archäologische Bodenfunde aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit die einzigen Quellen zur Erforschung dieser frühen Geschichtsabschnitte. Die Entdeckung der bislang unbekannten Befestigungsanlage in Aying rücke die Region in den Fokus der römischen Verkehrs-, Wirtschafts- und Militärgeschichte der ehemaligen Provinz Raetia.

Zusammen mit einer Münze des Diokletian (römischer Kaiser von 284 bis 305 n. Chr.), die bei Aying gefunden wurde, und einer römischen Gefäßscherbe, die 2016 bei Grabungen nördlich der Kirche geborgen wurde, bietet das Kastell einen neuen, gewichtigen Anhaltspunkt in der Diskussion über die Lage des antiken Isinisca als Teil der römischen Verkehrs- und Handelsinfrastruktur der Provinz Raetia. Dazu muss man wissen, dass bislang nur das einzige überlieferte römische Kartendokument "Itinerarium Antonini" einen Hinweis auf den Ort Isinisca auf Ayinger Flur neben der Römerstraße gibt.

Der antike Verkehrsweg, so wissen die Historiker, stieg östlich von Kleinhelfendorf ins Mangfalltal ab, sodass sich hier eine "Verkehrspfortensituation" ergab. Der Weg sei bis in die beginnende Karolingerzeit (751 bis 911 n. Chr.) genutzt worden. Das erste überlieferte "Verkehrsopfer" auf dieser Straße war übrigens der Heilige Emmeram. Der Bischof wurde anno 680 eben auf dieser Straße vom Herzogssohn Lantpert abgefangen und zu Tode gemartert.

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