Konzert:Beirut gelingt es, Wehmut tanzbar zu machen

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Zach Condon hat jetzt längere Haare und eine Krise überwunden - sonst bleibt vieles gleich (gut) bei Beirut (hier bei einem Konzert in Portugal). (Foto: dpa)

Beim Konzert auf dem Tollwood ist es eine reine Freude, Zach Condon mit seiner Band wieder in bester Form zu sehen.

Konzertkritik von Jürgen Moises

Es ist beim siebten und beim achten Lied, "The Akara" und "No No No". Da ist plötzlich Zach Condons Stimme weg. Und bevor sich dieser Umstand bald darauf als eine rein technische Mikrofonpanne herausstellt, erwischt man sich ganz kurz bei dem Gedanken, dass der Stimmverlust vielleicht doch andere Ursachen hat.

Denn vor drei Jahren hat der amerikanische Singer-Songwriter und Kopf der Folkpop-Band Beirut, so könnte man sagen, schon einmal seine Stimme verloren. Burn-Out, Scheidung, Schreibblockade und ein plötzlicher Tourneeabbruch. Dass er nun mit neuem Beirut-Album auf Tour gehen und zur Begeisterung seiner Münchner Fans in der vollen, stickigen Tollwood-Musik-Arena spielen würde, das war nicht unbedingt vorherzusehen.

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Aber wie gesagt: Der Stimmverlust war eine rein technische Panne. Und man muss auch sagen: Er war gleichzeitig auch einer der wenigen wirklich überraschenden, weil völlig unvorhersehbaren Momente des eineinhalbstündigen Konzerts. Der Rest war ein bunt gemischtes Potpourri, das sich aus zehn Jahren Bandgeschichte speist. Musikalisch auf hohem Niveau von Zach Condon und seiner erstklassigen fünfköpfigen Band an Trompete, Posaune, Ukulele, Piano, Keyboard, Akkordeon, E-Bass und Schlagzeug dargeboten.

Das Bild des Abends: ein Meer aus Fächern

Auch ist es schön, den inzwischen 29 Jahre alten Condon, der früher als Wunderkind gehandelt wurde, wieder froh und munter auf der Bühne zu erleben. Mit schwarzem Hemd und Seitenscheitel in den dunklen Locken. Genauso ist es eine Freude, Beirut-Klassiker wie "Elephant Gun", "Postcards Form Italy" oder "Mount Wroclai" endlich wieder live zu hören. Die gehen mit ihren opulenten Bläsersätzen und von osteuropäischer Folklore inspirierten Rhythmen nicht nur sofort in die Ohren, sondern auch direkt ins Bein.

Ähnlich ergeht es einem bei den neueren, etwas poppigeren und stärker vom Keyboard dominierten Songs wie "No No No", dem Titelsong des aktuellen Albums. Da kann man gar nicht anders, als gut gelaunt mit den Füßen mit zu wippen. Tanzen wäre natürlich auch eine Option, und mit Sicherheit würden das an diesem Abend weit mehr Zuschauer tun. Wenn es im Musik-Arena-Zelt nicht so stickig und so heiß wäre. Und so ist denn auch das Bild, das man wohl noch längere Zeit mit diesem Konzert verbinden wird, das eines großen Meers aus Fächern. Mit denen versuchten unzählige Zuschauer, sich wenigstens ein bisschen Kühlung zu verschaffen.

Der Hitze mag es auch geschuldet sein, dass sich die Band ohne größere Pausen oder Publikumsansprachen fast im Akkord durch ihr mehr als 20 Songs umfassendes Programm spielte. Außerdem sollte das um zwei Stunden vorgezogene Konzert, so hieß es, ja vor dem Beginn des EM-Finalspiels beendet sein. Andererseits neigt Condon nicht nur bei seinen Kompositionen immer mehr zum Minimalismus. Auch als "Bühnenredner" war der Amerikaner eigentlich schon immer sparsam. Soll heißen: Außer einem "Dankeschön" waren noch nie viele Worte von ihm auf der Bühne zu hören.

Stattdessen macht Zach Condon lieber das, was er am allerbesten kann: Singen und Trompete spielen. Und man muss zugeben, dass seine kraftvolle, nuancenreiche und wehmütige Stimme noch immer einzigartig klingt. Sie prägt im Wesentlichen auch die neuen Lieder, mit denen es Beirut abermals gelingt, Wehmut tanzbar zu machen und aus elaborierten Patchwork-Arrangements eingängige Ohrwürmer. Darin bestand schon immer Beiruts Kunst, nur dass sie jetzt etwas poppiger, pointierter und nicht mehr ganz so "üppig" klingt. Ein wirklicher Neuanfang ist das noch nicht, aber dank alter Tugenden und Songs zumindest auf der Bühne ein gelungenes Comeback. Und wohin die musikalische Reise bei Beirut in Zukunft geht? Das wird sich zeigen.

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