Isar:Tollkühne Surfer, fahrlässige Väter, uneinsichtige Schwimmer

Lesezeit: 3 min

Baden und Befahren bis auf weiteres verboten: Am Samstag hat die Polizei einen Surfer aus der Isar geholt - sonst wurde das Verbot beachtet. (Foto: Johannes Simon)

Die Behörden haben die Isar am Wochenende zur Sperrzone erklärt. Wieder aber bleiben einzelne Wassersportler unbelehrbar - trotz aller Risiken.

Von Tom Soyer

Mit bis zu 178 Kubikmetern cappuccinobraunem Wasser pro Sekunde ist die Isar nach den Wolkenbrüchen vom Freitagabend am Wochenende durch München gerauscht - eine Strömung, bei der es für Badende und Gelegenheitsbootfahrer lebensgefährlich wird. Nach einigen, teils tödlichen Unfällen in diesem Sommer hatten diesmal die Landratsämter München, Bad Tölz-Wolfratshausen sowie das Münchner Umweltreferat eine "Allgemeinverfügung" erlassen, welche für die freie Isar das Baden und Befahren verbot. Streifzüge am Wochenende sowie Gespräche mit Vertretern der Wasserwacht zeigen, dass das Verbot weitestgehend beachtet wurde - trotz allem aber gibt es immer wieder Leute, die sich in gefährliche Situationen bringen.

Freitagnachmittag: Während das Wasserwirtschaftsamt Weilheim noch immer Wasser aus dem Sylvensteinspeicher in die Isar ablässt, regnet es in den Alpen, vor allem aber im Alpenvorland so massiv, dass die Isar im Lauf des Samstags enorm an Wassermenge zulegt: Der Hochwasserscheitel ist gegen 17 Uhr erreicht, da misst der Pegel in München 171 Zentimeter bei einer Abflussmenge von 178 Kubikmetern je Sekunde. Normal sind bei sommerlichem Niedrigwasser rund 20 Kubikmeter - den bisher höchsten Abfluss hatte die Isar 2005 beim "Jahrhunderthochwasser" mit 1050 Kubik. Die Hochwasser von vor drei Wochen und jetzt sind also, statistisch betrachtet, keine besonders dramatischen Ereignisse. Nur eben: gefährlich.

Freitagabend: Die Polizei patrouilliert in München an der Isar, versucht etwa 40 Punks, die unter der Tierparkbrücke Zuflucht vor den Gewitterschauern suchen, aus dem Bereich der bereits ausufernden Isar zu vertreiben. Viele sind betrunken, es gibt Widerstand, ein Polizist wird geschlagen, berichtet ein Zeuge, eine Person wird vorübergehend festgenommen. Zwei Engländer mit einem Schlauchboot werden vorm Flauchersteg von Helfern aus dem Fluss geholt, Sicherheitspersonal warnt alle Badegäste, die Isar zu verlassen, Obdachlose müssen ihre provisorischen Lager unter der Reichenbachbrücke räumen.

Warnung
:Nach jüngsten Unfällen: Behörden verbieten Bootfahren auf der Isar

Wegen des hohen Pegels ist der Fluss lebensgefährlich - und am Wochenende wird weiterer Starkregen erwartet.

Von Tom Soyer

Samstagmittag: Die braune Brühe wälzt sich durch die Stadt, das Wetter ist mittelprächtig, in den Isarauen sind einige Fahrradfahrer zum Hochwasser-Schauen unterwegs. Aber an den leicht überfluteten Gestaden: alles ruhig. Der Sicherheitsdienst hat wenig Mühe, das Verbot durchzusetzen. An der Reichenbachbrücke aber muss die Polizei intervenieren, weil ein Surfer auf dem Fluss herumkurvt. Klarer Verstoß, Ordnungswidrigkeit, die Beamten nehmen die Personalien auf.

Samstagnachmittag: In der Wasserwacht-Station am Marienklausensteg halten sich wegen des Hochwassers viele Ehrenamtliche einsatzbereit und sind selbst gespannt, ob das Verbot beachtet wird. "So ein Verbot wäre vor drei Wochen, als wir schon so ein Hochwasser hatten, auch schon wünschenswert gewesen", sagt Daniela Haupt, Sprecherin der Wasserwacht München-Mitte. Sie formuliert das nicht als Vorwurf an die Stadt, eher als Beratungsangebot. Denn die Wasserwacht habe immer schon zwei Tage vor einem solchen Pegel-Hoch über Facebook und mit Radiodurchsagen vor den Gefahren gewarnt.

Vielleicht schaut das Umweltreferat künftig ja intensiver auf die Facebook-Warnungen der Wasserwacht. Die besetzt ihre zwei Stationen am Flaucher und an der Marienklause immer mit je mindestens drei gut ausgebildeten Ehrenamtlichen, an Wochenenden und Feiertagen zwischen Mai und September - und mitunter auch außer der Reihe bei Hochwasser-Gefahr. Dass sich das lohnt, habe sich erst am Donnerstag wieder erwiesen, als zwei Kinder unter dem Marienklausensteg in die Walze gerieten. Eines wurde von selbst rausgespült, eines habe die Wasserwacht gerettet.

Sonntagmittag: Ein jugendlicher Schwimmer wagt sich an der Weideninsel, nördlich der Reichenbachbrücke, in die Fluten. Er schafft es hinüber zur Insel, beim Retourschwimmen wird er weit abgetrieben und hat im nicht einmal knietiefen Wasser große Probleme, Halt zu finden. Vom Verbot weiß er nichts, verweist aber auf seine Erfahrung als Surfer, "ich weiß, was ich tue". Das Ufer erreicht er heil - und unbehelligt von Einsatzkräften. Hätte ein teures Badevergnügen werden können.

Sonntagnachmittag: Unterhalb der Flaucher-Wehre aalen sich doch schon wieder einige Menschen in der Sonne, ein Vater stakt mit seinen drei kleinen Kindern durch den Abfluss unterhalb einer dröhnend laut rauschenden Wehrkrone. Ein Baum liegt quer in der Walze. Die Isar hat auch bei 130 Kubikmeter/Sekunde Abflussmenge noch sehr viel reißende Kraft, die Kinder können sich nur schwer halten, schaffen es aber hinüber - und balancieren dann nass und barfuß auf der Betoneinfassung des Wehrabflusses. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn eines der Kinder ausrutscht, als alle direkt neben der riesigen Walze eine schräge Wand hochklettern. Vom Verbot wissen sie nichts - und von der Lebensgefahr, in der sie da gerade spielen, auch nicht. Der Vater lacht.

Sonntagnachmittag: An der Wasserwachtstation Marienklause herrscht überwiegend Ruhe. Drei Schlauchboote kommen an, verlassen die Isar aber oberhalb des Marienklausenstegs, vor dem gefährlichen Wehr. Drei statt wie sonst zig Boote - auch wenn sich nicht alle daran halten, das Verbot zeigt seine Wirkung.

© SZ vom 21.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: