Hotel "Deutsche Eiche":Hotelbesitzer adoptieren ihren Geschäftsführer

Hotel "Deutsche Eiche": Dietmar Holzapfel (links) und Josef Sattler (rechts) wollen erst heiraten und dann ihren Geschäftsführer Roger Barta adoptieren.

Dietmar Holzapfel (links) und Josef Sattler (rechts) wollen erst heiraten und dann ihren Geschäftsführer Roger Barta adoptieren.

(Foto: Robert Haas)

Für die beiden Eigentümer des Homosexuellen-Treffpunkts "Deutsche Eiche", Dietmar Holzapfel und Josef Sattler, wird 2018 ein besonderes Jahr.

Von Gerhard Fischer

Dietmar Holzapfel sagt, eigentlich könnten er und Roger Barta "von Natur aus Vater und Sohn sein". Sie interessieren sich nämlich für die gleichen Dinge. "Wir schicken uns immer gegenseitig die Artikel, über die wir reden wollen", erzählt Holzapfel. Es gehe häufig um Politik und Geschichte. "Und wir sind beide König-Ludwig-Fans." Das sind sie aber nicht in dem Sinne, dass sie die Bayernpartei wählen und in Bayern wieder einen König haben wollen.

Dietmar Holzapfel wird Roger Barta demnächst adoptieren. Genauer gesagt: Holzapfel und Josef Sattler werden Barta adoptieren. Erst werden sie heiraten und dann werden sie den Sohn annehmen. Denn sie dürfen jetzt beides. Der Bundestag hatte das, kurz vor der Sommerpause, mit der "Ehe für alle" erlaubt.

Was beim Fall Holzapfel-Sattler-Barta zusätzlich interessant ist: Die beiden Eigentümer der "Deutschen Eiche" werden ihren Geschäftsführer adoptieren.

Die "Deutsche Eiche" in der Reichenbachstraße ist einer der ältesten Treffpunkte der homosexuellen Szene in München. An den Wänden des Restaurants hängen Bilder von Queen-Sänger Freddy Mercury und von Filmemacher Rainer Werner Fassbinder, dessen Stammlokal die Eiche war; Fassbinders Geliebter Armin Meier hat dort gearbeitet. Holzapfel, 60, und Sattler, 63, übernahmen 1993 die "Deutsche Eiche". Dazu gehören Restaurant, Hotel, Sauna und eine Dachterrassenbar.

Sattler, Holzapfel und Barta sitzen an diesem Montagmittag in ihrem Restaurant und reden über die Zukunft. Über die Hochzeit. Über die Adoption. Und über ein ganz großes Fest. "Das werden wir 2018 feiern", sagt Holzapfel, "aus vierfachem Anlass: Sepp und ich werden dann 40 Jahre zusammen sein; wir werden die Deutsche Eiche 25 Jahre besitzen; wir werden heiraten und wir werden Roger adoptieren".

Dietmar Holzapfel ist derjenige, der zunächst am meisten redet. Er ist einer, der gerne erzählt und diskutiert; der gerne unter Leuten ist. Holzapfel, der früher Lehrer war, macht Führungen im Haus, er schildert dabei die Geschichte der homosexuellen Szene in München und die Geschichte der "Deutschen Eiche". Das Gebäude gibt es seit 1864. Holzapfel sagt, dass es nach dem Krieg von 1870/71, als Bayern dem Deutschen Reich zugeschlagen wurde, "Deutsche Eiche" genannt worden sei. "Das war damals üblich - es war eine sehr nationale Phase."

Dietmar Holzapfel ist 2013 sehr krank geworden. Es ging um Leben und Tod. "Das war ein Schuss vor den Bug", sagt er, "und wir haben dann überlegt: Wie geht's weiter - wir sind in einem Alter, in dem man Vorkehrungen treffen muss." Schließlich hätten sie mehr als 50 Mitarbeiter. Er habe zwar zwei Neffen, sagt Holzapfel; doch die seien zu jung. Aber sie hatten einen Mitarbeiter, der fleißig, intelligent und kompetent ist. Und der ihnen sehr ans Herz gewachsen ist. "Es ist wohl eine Fügung gewesen, dass Roger zu uns gekommen ist", sagt Dietmar Holzapfel.

"Ja, das Vertrauen ist das Wichtigste"

Ein Zufall ist es in jedem Fall gewesen. Roger Barta, 35, stammt aus Ungarn; und dort ist die Stimmung gegenüber Schwulen und Lesben ziemlich feindselig - spätestens seit Viktor Orban Regierungschef geworden ist. "Als Schwuler kann man sich da nicht wirklich wohlfühlen", sagt Barta. Wer dazu steht, wird oft beleidigt, bedroht, in der Karriere behindert. Roger Barta, der in Kanada und Australien BWL studiert hat, lernte in Budapest deutsch - und schaute deutsches Fernsehen. Er sah Josef Sattler und Dietmar Holzapfel in einer Dokumentation über deren Leben und deren schönes Zuhause, den umgebauten Maschinenturm des früheren Heizkraftwerkes in der Müllerstraße.

"Da dachte ich mir, ich will auch in einem Land leben, wo man akzeptiert wird und offen leben kann", sagt er. Barta, der in einer Budapester Bank als Chef-Volkswirt arbeitete, bewarb sich bei Sattler und Holzapfel - als Rezeptionist. Am 1. Januar 2012 trat er seine Stelle in der "Deutschen Eiche" an.

Sattler und Holzapfel merkten bald, was sie an Barta hatten. "Es war nicht nur das Fachliche", sagt Holzapfel, "er hat sich von Anfang an als besonderer Mensch herausgestellt: Er ist bescheiden, ernsthaft, und wir liegen auf einer Wellenlänge." Wenn vor der "Deutschen Eiche" ein Papier auf dem Boden liege, räume Roger es weg, sagt Holzapfel. Roger fühle sich eben verantwortlich für das Haus; für das große Ganze. "Vor allem können wir ihm vertrauen", sagt Josef Sattler. "Ja, das Vertrauen ist das Wichtigste", stimmt Holzapfel zu. Nachdem er krank geworden war, setzten sie Barta als Geschäftsführer ein.

Und jetzt soll er adoptiert werden. Er wird dann Roger Holzapfel heißen. Allerdings wird es noch etwas dauern. Sie müssen sich um die Formalitäten kümmern. Und Roger Barta lässt sich vorher noch einbürgern. Sie rechnen damit, dass Barta 2018 zwei neue Väter bekommen wird.

Sein leiblicher Vater war vor einigen Jahren gestorben - etwa zu der Zeit, als Dietmar Holzapfel sehr krank gewesen ist. Barta fuhr damals oft zum kranken Vater nach Ungarn, manchmal auch im Auto von Holzapfel und Sattler. "Sie haben mich damals sehr unterstützt", sagt er. Seine Mutter lebt noch, sie wohnt in Ungarn. Es ist aber trotzdem möglich, dass Sattler und Holzapfel ihn adoptieren.

Man merkt am Restaurant-Tisch, dass zwischen den drei Männern etwas gewachsen ist. Sie gehen vertraut und entspannt miteinander um. Es passt. Nicht nur beruflich. Denn natürlich hoffen Sattler und Holzapfel, dass sich ihr Sohn um sie kümmern wird, wenn sie richtig alt sind. Das sagen sie ganz offen.

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