Haar/Trudering:Anwohner fühlen sich überrollt

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Die Pläne für Wohnungen und einen Schulcampus im Haarer Ortsteil Gronsdorf wecken Befürchtungen an der Bahnstraße in Trudering. Bürger fordern Stadt und Gemeinde auf, endlich die Nordtangente zu bauen

Von Bernhard Lohr, Haar/Trudering

Der "Stopp"-Ruf kam im letzten Moment. Susanne Bretting konnte ihre Tochter vor Schlimmerem bewahren. Ein Lieferwagen kam die Bahnstraße in Trudering heruntergerauscht und hätte das Mädchen womöglich erfasst, wenn ihm die Mutter nicht von gegenüber zugerufen hätte. Die Tochter war in Lebensgefahr, und das nicht, weil sie gedankenverloren auf die Straße gelaufen wäre. Nein, sie kam aus dem Grundstück und wollte den Gehweg betreten. Selbst das kann einem an der Bahnstraße Kopf und Kragen kosten.

Wer die Straße an der Stadtgrenze zu Haar runterläuft, der erlebt eine schmale Anliegerstraße mit parkenden Autos auf der einen Seite. Es gilt Tempo 30 und es geht nicht nur dann eng zu, wenn sich Lkw begegnen. Stadtauswärts freilich ändert sich der Eindruck abrupt. Die Fahrbahn wird breiter und führt in einem Trog hinunter in die Unterführung am Gronsdorfer Bahnhof. Dort befindet man sich auf Haarer Flur mit Wiesen zur Rechten und einer Siedlung zur Linken. Die Landstraße führt nach Gronsdorf und weiter.

Wer dorthin will oder Richtung Stadt fährt, muss durch das Nadelöhr Bahnstraße. Die Laster vom Kieswerk Mühlhauser und fünfachsige Kranfahrzeuge quälen sich da durch bis zur Wasserburger Landstraße - und viele, viele Pkw. Die Anwohner klagen seit Jahren über zu viel Verkehr. Susanne Bretting erzählt von einem Bahnstraßen-Verein, den es mal gab. Gehör habe man bei der Stadt nie gefunden. Stets hätten Stadtpolitiker auf die Nordtangente verwiesen. An diese Straße, die jenseits der Unterführung auf Haarer Seite eine Verbindung von Haar-Eglfing bis zum Rappenweg und zur Schwablhofstraße schaffen soll, knüpften viele Hoffnungen. Seit sich OB Dieter Reiter (SPD) für den Bau einsetzt, ist sie in greifbare Nähe gerückt.

Dabei hat das Engagement Reiters nur indirekt mit den aktuellen Sorgen zu tun. Auf Gronsdorf und die freien Flächen auf der Nordseite des Bahnhofs richten sich die Blicke derer, die Schulen und Wohnungen bauen wollen. Die Stadt München verfügt dort über elf Hektar Grund. Sie spekuliert auf Wohnungsbau, und der Landkreis München plant einen Schulcampus. Das Planungsreferat der Stadt spricht deshalb von einem aus seiner Sicht "besonders interessanten und erstrebenswerten Projekt, das von hohem städtischen, aber eben auch interkommunalen Interesse ist". Die Gemeinde Haar betreibt angrenzend bereits jetzt die Bauleitplanung für Wohnblöcke mit etwa 100 und 150 Wohnungen. Susanne Bretting und andere an der Bahnstraße befürchten bei alldem, vollends unter die Räder zu kommen.

Sie hat sich deshalb an OB Reiter und an Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) mit klaren Forderungen gewandt. So soll die Nordtangente sofort gebaut werden. Die Bahnstraße soll für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen gesperrt werden und eine Verkehrsinsel soll an der Kreuzung zum Drosselweg den Verkehr bremsen, "der aus der Unterführung geschossen kommt", wie Bretting schreibt. Ihren Forderungen hat sie eine Liste mit 320 Unterschriften beigelegt. Viele Anwohner hätten resigniert, sagt sie. Sie sehe ihren Vorstoß als letzten Versuch, doch noch etwas zu bewegen.

Den unternimmt die Anwohnerin, weil sie beobachtet hat, dass auf Haarer Flur jenseits der Bahn ein Straßenstück neu asphaltiert wurde, das sie als Anbindung für die Wohngebiete und Teilstück der Nordtangente identifiziert. Sie liegt damit auch richtig, wie Bürgermeisterin Müller bestätigt. Das Straßenstück könne später Teil der Nordtangente werden, sagt sie. Brettings Befürchtung aber, dass die Straße viel zu schmal sei, um die erhoffte Entlastung von Autos und Lkw zu bieten, kann die Bürgermeisterin nicht zerstreuen.

Müller sagt, die Nordtangente werde eine Ortsverbindungsstraße mit einer Spur in jede Richtung werden. Als eine Tangentiale wie die Ständlerstraße sei die Straße, die in Eglfing in eine Anliegerstraße münden werde, nicht vorstellbar. Die Lkw vom Kieswerk könnten am Gronsdorfer Bahnhof wohl nicht auf die Tangente einbiegen. Haar verfolge aber das Ziel, den Kiesabbau auslaufen zu lassen.

Noch gibt es keine konkreten Planungen für die Nordtangente. Das Planungsreferat der Stadt verweist auf ein gemeinsam mit Haar zu entwickelndes "Strukturkonzept", in dem Festlegungen über Wohnbebauung und Straßenanbindungen getroffen würden. Müller sieht noch viel Arbeit für alle Beteiligten, wobei sie auch den Verkehr als große Herausforderung sieht. So zweifelt sie an, dass der vom Landkreis geplante Schulcampus ohne Nordtangente möglich ist. Mittlerweile sei statt von 1200 die Rede von 2000 Schülern an Realschule, Fach- und Berufsoberschule sowie einer Altenpflegeschule, sagt sie.

Eine Studie im Auftrag des Landkreises hatte zuletzt noch ergeben, dass die Bahnstraße den Campusverkehr nach gewissen Umbauten zusätzlich verkraften könnte.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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