Pop-up-Store:Warum ein Model einen Shop für Plus-Size-Mode eröffnet

Pop-up-Store: Donja Pitsch und ihre Geschäftspartnerin Petra Krauss wollen die Mode, die sie verkaufen, langfristig auch selbst designen.

Donja Pitsch und ihre Geschäftspartnerin Petra Krauss wollen die Mode, die sie verkaufen, langfristig auch selbst designen.

(Foto: Robert Haas)

Donja Pitsch verkauft Mode, die ihr selbst nicht passt. Sie findet: In den Damengrößen 42 bis 54 gibt es zu wenig Schickes auf dem Markt.

Von Franziska Schwarz

Beim Dinner beginnt dann das große Zerschneiden und Das-Essen-auf-dem-Teller-hin-und-herschieben. Ein Model-Klischee, ja. Aber auch Donja Pitsch hat es oft beobachtet, zum Beispiel in der Karibik. Sie arbeitet seit mehr als 25 Jahren auf Fotoshootings weltweit, als Model, Stylistin oder Fotografin.

Bei diesem einen Dinner in der Karibik saß nun auch Clémentine Desseaux zusammen mit Pitsch am Tisch, französisches Plus-Size-Model der Stunde mit mehr als 750 000 Followern auf Instagram. Sie verstand die geselligen Mahlzeiten zu schätzen und versagte sich bis hin zu Dessert und abschließendem Gläschen Wein nichts. Wer nicht glaubt, dass so eine Frau das Zeug zum Mannequin hat, soll sie googeln.

Abseits der Dinner war das Shooting harte Arbeit. Es ging um Bademoden im Atlantischen Ozean. Pitsch war von einem großen US-Magazin beauftragt, als Stylistin das auszuwählen, was zu den Frauen jeweils am besten passt. Desseaux war das einzige Plus-Size-Model im Team. Und analysierte die zu präsentierenden Stücke gerne und viel: Ob ein Unterbügel gut gedacht war. Ein Stoff schnell ausleierte. Oder ob die Nähte klug gesetzt waren. Bei Donja Pitsch sagte sie es zur Richtigen: Die gebürtige Münchnerin entschloss sich nach dem Shooting, ein eigenes Geschäft für Plus-Size-Mode zu eröffnen.

Das scheint zunächst ein Widerspruch zu sein. Pitsch ist selbst Model, doch der schwarze Pullover aus ihrer Kollektion hängt weit an ihr herunter, obwohl er die kleinste Größe hat. Groß, drahtig, das Haar lose am Hinterkopf zusammengesteckt, sitzt sie nach einem Nachtflug aus Paris im Café Mozart in München. Oversize, das ist so gewollt, sagt sie. Die 48-Jährige ist unternehmungslustig. Und, genau wie ihre Schulfreundin und Geschäftspartnerin Petra Krauss, ein Profi im Modebusiness.

Vor etwa zwei Jahren waren sich die beiden einig, dass es nicht sein kann, dass in Plus-Size so wenig modische Kleidung angeboten wird. Sie machten sich auf die Suche nach passenden Kollektionen, gingen im Januar 2017 mit ihrem Shop online - und trafen offenbar einen Nerv.

An dem Tag zum Beispiel, an dem ein Zeitungsartikel über sie erschien, vervierfachte sich die Zahl der Besucher ihrer Webseite. Momentan kommen mehr als 80 Prozent ihrer Kundinnen aus dem mittleren Teil Deutschlands. Pitsch kann sich nicht erklären, warum das so ist. Aber sie merkt an, dass sie im Süden Deutschlands noch wenige Plus-Size-Bloggerinnen finde, weniger als eine Handvoll.

Die Gründerinnen wollen neue Mode kreieren

Auf der Suche nach Mode von Größe 42 bis 54 sind Pitsch und Krauss seither praktisch immer. Und die ist hart, weil Anbieter jenseits von Pionierin Ulla Popken rar sind. Es soll Mode sein, "nicht einfach nur Kleidung", sagt Pitsch. Um Hersteller oder Designer zu finden, "sind wir quasi in Hinterhöfen unter den Tischen durchgestiegen".

Sie fuhren in einem alten, kleinen Camion von München nach Hamburg, um dort auf der Messe "Plus Size Fashion Days" ihre Ware zu präsentieren, und klappen schon bald nach dem Aufstehen den Laptop auf. Langfristig wollen Pitsch und Krauss selbst designen - um nicht das Gleiche anzubieten, was die wenigen Plus-Size-Shops auch alle haben. Es soll etwas Neues sein.

So war die Denke von Pitsch schon immer. Gleich nach dem Abitur in München ging sie auf der Suche nach Neuem allein nach London. Ein Straßenscout dort machte sie zum Model. Die Zeit in England war aufregend, aber hart, sagt sie. Kaum Geld. Das Paris, in das sie dann als Model wechselte, fand sie großartig.

Pitsch kennt den Size-Zero-Wahn

Angeregt durch ihren damaligen Fotografen-Freund brachte sie sich dort das Handwerk selbst bei - und wurde in dem Job erfolgreich. Irgendwann reizte sie dann auch das Styling. Pitsch hat das ganze Geschäft kennengelernt: als Mensch vor der Kamera, als Fotograf hinter der Kamera und, zwischen Mensch und Kamera stehend, als Stylistin.

Deshalb konnte sie mit Clémentine Desseauxs Kritik an den Badeanzügen auch so viel anfangen. Pitsch hatte als Fotografin schon die ganz Dünnen vor der Linse - deren Reißverschluss sich beim Shooting dennoch nicht schließen ließ. Pitsch kennt den Size-Zero-Wahn, das ganze Foto-Retouschieren, und, relativ neu dazugekommen, den Perfektions-Druck auf Instagram.

Gerade bewege sich da etwas, ist Pitsch sicher. Fülligere Frauen lassen es sich nicht nehmen, in der New Yorker Sommerhitze ultrakurze Jeans zu tragen. Auf Instagram sind längst nicht mehr alle, die eine Korsage präsentieren, dürr. Mit Größe 38 schrammt man als Frau noch an "Plus-Size" vorbei. Ein komisches Wort, genau wie der Vorgänger "Übergröße".

Vom 19. bis 23. September betreiben Pitsch und Krauss in der Rumfordstraße 26 in München einen Pop-up-Store mit ihrer Kollektion. Mit dabei sind auch Dirndl. Das "perfekte" Kleid, sagt Pitsch, weil es weiblich sei und individuell so abwandelbar. In jeder Größe.

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