Grünwald/München:Nach fünf in Grünwald

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Das Angebot an Diskotheken ist mau im Landkreis. Junge Leute müssen sich ihre Feiern entweder selbst organisieren oder gen München fahren. Dann stehen sie oft vor dem Problem, wie sie frühmorgens wieder nach Hause kommen

Von Markus Mayr, Grünwald/München

Gasthäuser, Restaurants, Kneipen und Bars gibt es auch im Umland von München. Aber Orte zum Tanzen suchen junge Feierwillige oft vergebens. Man werde eher noch in Erding fündig, sagt Stefan Bichler, der 26 Jahre alt ist. Der Vorsitzende des Aschheimer Burschenvereins stellt fest: "Auf dem Land gibt es relativ wenige Diskotheken. Die machen wir uns hier eher selber." Denn Burschen- und Madlvereine gibt es im Landkreis zur Genüge. Da ist immer irgendwo einer, der ein Fest organisiert. Bichler plant mit Freunden derzeit die Hodalump'n-Nacht im örtlichen Feststadl Mitte März - "mit Band, Bar und Bedienung". Die Burschen erwarten rund 600 Besucher.

"Langweilig wird's uns nicht auf dem Land", sagt auch Carina Dönhuber. Ihr Madlverein "Hoaße Hasn", das Pendant zu den Burschen in Aschheim, fährt gemeinsam Ski oder besucht gerade jetzt an den Wochenenden die Faschingspartys in den umliegenden Gemeinden. Aber wenn es "etwas schicker" sein soll, wie die 25-jährige Dönhuber sagt, dann müsse sie mit ihren Freundinnen nach München. Das sei dann der "Ausgleich" zu den Partys auf dem Dorf. Wenn sie in die Stadt fahren, muss sich entweder jemand selbst hinters Steuer klemmen und nüchtern bleiben, oder alle zusammen fahren mit Bus und Bahn. Am frühen Abend ist das kein Problem. Doch nach Mitternacht heim?

Die Anbindung der Gemeinden an die Hauptstadt in ihrer Mitte ist nach ein oder zwei Uhr nachts vielerorts problematisch. Es fahren nicht viele Bahnen oder Busse, und wenn, dann nicht oft. Grünwald ist eine Gemeinde, die verhältnismäßig gut angebunden ist. Die Tramlinie N 27 fährt die ganze Nacht im Halbstundentakt aus dem Herzen Münchens zur Großhesseloher Brücke. Seit vergangenen Dezember holt die Nachtschwärmer dort ein kleiner Bus ab, um sie nach Hause zu bringen. Diesen Service für die Sicherheit der Bürger zu bieten, hat der Gemeinderat beschlossen, Grünwald finanziert die Fahrten des Busservice Watzinger und hat erreicht, dass MVG-Tickets gelten. Mit seinen zehn Sitz- und ebenso vielen Stehplätzen pendelt der Transporter zwischen der Brücke und dem Friedhof im Süden Grünwalds hin und her.

Davon profitieren nun Passagiere wie Alexandros, 18, Giulia, 15, und Valentina, 16, die gegen Mitternacht aus der Stadt zurückkommen. Sie waren im Gasteig und haben das Symphonieorchester gehört. Ob sie auch manchmal in Grünwald bleiben am Wochenende? Selten. "Das Angebot ist mager", sagt Alexandros. "Ab 20.30 Uhr kannst du Grünwald komplett vergessen." Gerade im Winter sei nicht viel los, sagt Valentina. Wenn es für ihr Alter entsprechende Partys gibt, geht sie gerne ins "Katz und Maus" auf dem Gelände der Optimolwerke am Ostbahnhof. Doch heute Abend war Kultur dran. Den Bus nutzten sie oft, sagen sie. "Ist schon praktisch." Unterdessen beginnt in den Optimolwerken der allwochenendliche Wahnsinn. Aus den Clubs dröhnt der Bass nach draußen. Raucher tummeln sich in Grüppchen vor den Tanzhallen, Flaschen in der Hand. Vor der Theaterfabrik stehen zwei Sanitäter. Noch sei es ruhig, sagen sie. Aber passieren kann immer etwas, wo Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Leute feiern, Nüchterne sich unter Betrunkene mischen, selbst zu welchen werden. Wer genug von dem Wahnsinn hat, der macht sich auf den Rückweg.

Die Nachttram fährt ihre Endhaltestelle Großhesseloher Brücke an, der Bus wartet bereits, geduldig wie sein Fahrer. Becir Imsirovic ist entspannt, tagsüber hat er viel geschlafen. Zwei, drei Mal hat er seine Runde an diesem Tag schon gedreht. Knapp 20 Minuten braucht er für eine, mit steten 50 Kilometern pro Stunde fährt er durch die wie ausgestorben wirkende Gemeinde. Gleich startet die nächste Tour: Ein Dutzend Menschen steigt aus der Tram und in seinen Bus ein. Die Fahrt geht los.

In der letzten Reihe sitzen drei Jungen. Die Schüler waren auf einer Feier. Nur einer von ihnen kommt aus Grünwald. Seine beiden Freunde schlafen heute bei ihm. Mit dem Bus klappt das Nach-Hause-Kommen gut. "Geil, dass es den gibt", sagt aber auch ein Mann, der altersmäßig der Vater der drei sein könnte und zwei Reihen vor ihnen sitzt. Früher, also vor zwanzig Jahren, da sei er immer per Anhalter nach Hause gefahren. Inzwischen fährt er lieber Bus.

Aus der Fahrerkabine tönt auf etwa halber Strecke zum Friedhof über Lautsprecher die Stimme von Fahrer Imsirovic. Jemand hat ihn nun schon zweimal mit dem Haltewunschknopf zum Anhalten gebracht. Als er seine Passagiere bittet, diese Scherze doch zu lassen, klingt er noch gut gelaunt. Er ist offenbar der Richtige für diesen Job. Tiefenentspannt. Doch gerade ist es ohnehin ruhig. An Silvester, da war viel los. Da hat er mit einem größeren Bus an die 100 Leute nach Hause gebracht.

Bald sind alle ausgestiegen. Am Friedhof dreht Imsirovic um. Erst gegen Morgen kämen Fahrgäste, die in Richtung München wollten, erzählt er. Wenn es regnet, sammle er seine Gäste auch zwischen den Stopps ein oder lasse sie aussteigen, damit sie nicht so weit gehen müssten. Mädchen und Frauen biete er diesen Service an. Wenn ihnen das Laufen allein im Dunkeln unangenehm sei, könnten sie bei ihm im Bus mitfahren. Wer das weiß, feiert vielleicht gerne noch ein Stündchen länger.

© SZ vom 01.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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