Glockenbachviertel:Pssssst, Müllerstraße

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Partyzone: Die Lokale in der Müllerstraße sind meist bis spät in die Nacht geöffnet. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Die Anwohner rund um die Müllerstraße beklagen sich, dass ihr Viertel zum "Ballermann" der Stadt verkommen ist.
  • Seit Kurzem gibt es ein Aktionsbündnis, in dem Anwohner, Wirte und Lokalpolitiker nach Lösungen suchen.
  • Die Wirte wollen sich jetzt selbst kontrollieren - und zur Not sollen die Anwohner die Polizei rufen.

Von Thomas Anlauf

Wenn die meisten Münchner Lokale schon geschlossen haben, denken die Gäste der zahlreichen Kneipen und Clubs an der Müllerstraße noch lange nicht ans Heimgehen. 26 Gastronomiebetriebe locken vor allem an Wochenenden Tausende Münchner, aber auch Touristen an, die dann bis in die frühen Morgenstunden feiern.

Vor einem Jahr reichte es Steve Kother, der am Süd-Ende der sogenannten Feierbanane wohnt. "Wir Anwohner wollen in keinster Weise, dass die Kneipenkultur in der Müllerstraße verschwindet. Jedoch hat sich in den letzten Jahren dieses Viertel von einem kreativen, lebens- und liebenswerten Stadtteil in eine Mischung aus Kunstpark Ost und Ballermann entwickelt", sagt Kother, der mittlerweile als Sprecher der Anwohner fungiert.

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Die Stadt hat auf die anhaltenden Beschwerden reagiert: Mit Unterstützung des Sozialreferats steht nun ein in München bislang einzigartiges Aktionsbündnis, an dem sich nicht nur Anwohner, sondern auch die Wirte und die Bezirksausschüsse beteiligen und absprechen.

"Wir Wirte sehen ganz klar die Entwicklung in der Müllerstraße und auch die Veränderungen und Probleme", sagt Sven Künast. Der Betreiber des Pimpernel wohnt selbst im Glockenbachviertel und kennt daher beide Seiten der Medaille. "Durch die Gründung eines Wirtevereins wollen wir signalisieren, dass wir uns der Verantwortung stellen und offen sind für eine enge Kooperation, um eine langfristige Lösung zu erzielen", sagt der Sprecher der Gastronomen in der Müllerstraße.

Wirte stocken Personal auf

Am kommenden Dienstag wollen sich die Lokalbetreiber über die Gründung eines Vereins beraten. Bereits jetzt bekennen sich die meisten Wirte der Feiermeile zu einer gemeinsam verfassten Selbstverpflichtung: So versprechen sie, auf die Gäste im Umkreis ihres Lokals zu achten und dort für Ruhe zu sorgen.

Einige haben bereits ihr Sicherheitspersonal aufgestockt, um zu laute Gäste vor der Tür zu ermahnen. Jedes Lokal räumt bei Ladenschluss die Umgebung auf, Kellner und Türsteher sollen auch während des Kneipenbetriebs herumstehende leere Flaschen am Gehsteig einsammeln, und die Imbisse verpflichten sich, nach ein Uhr nachts kein Flaschenbier mehr zum Mitnehmen zu verkaufen.

Münchens Sozialreferentin Brigitte Meier ist von dem Entgegenkommen der Wirte begeistert und freut sich, dass sich mit dem Aktionsbündnis "die Situation für Anwohnerinnen und Anwohner, aber auch für die Wirtschaftstreibenden verbessert". Natürlich sei es ein längerer Prozess, bis die Maßnahmen greifen.

Aber das Projekt sei bereits jetzt "ein gutes Modell, das für andere Feierorte in München genutzt werden kann", sagt Brigitte Gans, die beim im Sozialreferat angesiedelten Konfliktmanagement "Akim" mit Eva Jüsten die verschiedenen Gruppen der Müllerstraße zusammengebracht hat.

An diesem Donnerstag wird das Sozialreferat mehr als 1000 Schreiben an die Bewohner der Müllerstraße und der näheren Umgebung verteilen. Darin werden sie aufgefordert, sich an dem Aktionsbündnis zu beteiligen. Bei nächtlichen Ruhestörungen können sie sich direkt an die betreffenden Gaststätten wenden, 26 von insgesamt 46 Wirten in der Umgebung haben dafür ihre Telefonnummern und Mailadressen angegeben.

Die Gastronomen wollen sich darüber hinaus auch gegenseitig kontrollieren, ob sie ihre Selbstverpflichtungen einhalten. Wer sich künftig nicht an die selbst auferlegten Regeln hält, wird vom Wirt nebenan darauf hingewiesen.

Wenn alles nichts hilft, werden die Anwohner in dem Schreiben des Sozialreferats ermutigt, nachts die Polizei zu rufen und Anzeige wegen Ruhestörung zu erstatten. Steve Kother weiß allerdings aus Erfahrung, dass es an den Wochenenden erst zwischen 4 und 7 Uhr früh am Lautesten ist, dann, wenn auch der letzte Club geschlossen hat.

Bei diesen Nachtschwärmern hilft auch die Plakataktion der Wirte nicht. Auf einem der Plakate steht: Pssst.

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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