Flüchtlinge in Olching:Schneeballschlacht statt Bürgerkrieg

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In einem Haus in Geiselbullach teilen sich 33 Asylbewerber 16 Zimmer. Nach zwei Monaten kehrt allmählich so etwas wie Alltag ein.

Karl-Wilhelm Götte

Abdullah Kaz Kaz brennt darauf, Deutsch zu lernen. Der 24-jährige Elektriker steht in der Küche einer Wohnung in einem Haus in Geiselbullach, das seit Anfang Dezember als Asylbewerberunterkunft dient. Kaz Kaz erzählt auf Englisch, wie es ihm im Bürgerkrieg in Syrien ergangen ist. "Dort kämpft jeder gegen jeden", sagt er und klingt niedergeschlagen.

Firas Hamiko ist einer von elf Syrern, die vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat geflohen sind. (Foto: Günther Reger)

Der junge Mann stammt aus dem stark umkämpften Hama. Er ist Moslem und lebt in Geiselbullach nun mit einem jungen Christen zusammen, der ebenfalls Syrer ist. "Das ist überhaupt kein Problem", sagt Kaz Kaz. Er könne dort ungestört beten - dazu verlässt sein neuer Mitbewohner für einige Minuten das gemeinsame Zimmer.

In den vier geräumigen Vierzimmerwohnungen des Hauses, das das Landratsamt angemietet und umgebaut hat, leben zurzeit elf Syrer, neun Menschen aus dem Irak, fünf aus Afghanistan, je drei aus dem Kongo und aus Nigeria sowie zwei aus Sierra Leone. In jeder Wohnung gibt es Küche und Bad.

Andreas Weinhold hat die 33 Asylbewerber auf die 16 Zimmer verteilt. Er residiert im Keller des Hauses in einem kleinen Büro. Weinhold wurde vom Landratsamt angestellt und betreut zusätzlich noch die neuen Asylbewerberunterkünfte in Gröbenzell und Grafrath. "Ich bin Ansprechpartner, Hausmeister und Organisator", sagt Weinhold. Sein handwerkliches Geschick als gelernter Baumaschinist komme ihm bei seiner Tätigkeit zugute.

"Das Rollo ist kaputt", sagt Zenab Rasol-Esmal und macht mit den Händen eine bittende Geste. Die Irakerin lebt mit ihren Kindern Ahmed (13), Erkan (elf) und der einjährigen Tochter Iiyah in einem 30 Quadratmeter großen, spärlich eingerichteten Zimmer. Darin stehen ein Tisch, Stühle und drei Betten. Der Fernseher ist nicht angeschlossen. "Ich werde mich darum kümmern", verspricht Weinhold. "Ich hätte noch gerne einen größeren Teppich", bittet Esmal. Der komme nächste Woche, entgegnet Weinhold auf Englisch.

Esmals größte Sorge ist jedoch, dass ihr Sohn Erkan krank ist. Der Arzt sei schon da gewesen, aber es sei noch nicht besser. Die aus Bagdad geflohene Frau freut sich darauf, dass ihr Mann demnächst nachkommen wird. "Sehr froh", sagt sie, sei sie darüber, dass ihre Söhne bald zur Schule gehen können. Sie werden die Übergangsklassen in Puchheim besuchen. Ein 16-jähriger Afghane hat einen Platz in einer Übergangsklasse in Germering bekommen.

"Die Menschen sind alle sehr umgänglich", sagt Weinhold über seine Erfahrungen nach zwei Monaten. Spannungen und Streit gebe es kaum. "Die sind alle sehr froh, dass sie hier in Sicherheit sind", so Weinhold. Die Hilfsbereitschaft sei in Olching bereits angelaufen, manchmal auch noch etwas unkoordiniert. "Es wurden viele Wintersachen und auch große Kochtöpfe gebracht", erzählt der Hausmeister. "Das musste ich dann einbremsen, sonst wären wir in den Sachen erstickt." Nachbarn seien gekommen und hätten die Asylbewerber zum Siedlungsfest im Sommer eingeladen.

Weinhold will noch für mehr Abwechslung sorgen: Er will einen Keller als Unterrichtsraum herrichten. Vier pensionierte Lehrerinnen haben bereits zugesagt, den Bewohnern an vier Tagen pro Woche Deutsch beizubringen. In einen anderen Kellerraum sollen eine Tischtennisplatte und ein Kicker kommen, den Garten will Weinhold zu einem Spielfeld umfunktionieren. Lachende Kinder und die Freude in den Gesichtern der Erwachsenden motivierten ihn bei der Arbeit, meint er. Um weitere Hilfen will sich der Unterstützerkreis Asyl kümmern, der sich an diesem Donnerstag (19 Uhr) im Haus der Begegnung trifft. Interessierte sind willkommen.

Im Dezember hat eine Nigerianerin ihren Sohn John im Brucker Krankenhaus geboren. Schon waren wieder Helfer mit Windeln und einem Kinderbett zur Stelle. Und auch sonst ist die Stimmung manchmal ausgelassen in der neuen Asylbewerberunterkunft, zum Beispiel neulich, als das halbe Haus eine Schneeballschlacht machte. Auch Abdullah Kaz Kaz hat sich beteiligt und Schneebälle geworfen. Für kurze Zeit musste er dabei nicht an sein von Granaten zerstörtes Zuhause im syrischen Hama denken.

© SZ vom 31.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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