Umstrittene Neuregelung:Schwerer Stand für freiberufliche Hebammen

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Im Landkreis sind in den vergangenen Jahren zwei Geburtshäuser geschlossen worden, freiberufliche Hebammen kämpfen mit hohen Versicherungsprämien. Nun droht durch einen Antrag der Krankenkassen nochmals Ungemach.

Von Alina Sabransky, Freising

Im Landkreis Freising arbeiten derzeit 27 selbständige Hebammen, davon elf im Klinikum Freising. In ganz Bayern steigt die Zahl der Beleghebammen seit Jahren kontinuierlich an. Ein akuter Hebammenmangel scheint also nicht gegeben. Fakt ist aber, dass die Geburtshäuser in Freising und Moosburg schon vor fünf Jahren schließen mussten, und dass es nur noch eine statt vier Hausgeburtshebammen im Landkreis Freising gibt.

Der Beruf der Hebamme hat durch die vergleichsweise geringe Entlohnung und die hohen Versicherungsprämien an Attraktivität verloren. Und nun liegen die Hebammen mit den Krankenkassen wegen möglicher neuer Regelungen abermals im Clinch. Müssen schwangere Frauen im Landkreis Freising künftig fürchten, ihre Kinder ohne Betreuung durch eine Hebamme zur Welt zu bringen?

Das Freisinger Krankenhaus beschäftigt seit den Neunzigerjahren ausschließlich Beleghebammen

Im Freisinger Krankenhaus, das seit den Neunzigerjahren ausschließlich Beleghebammen beschäftigt, geht man momentan nicht davon aus, dass es zu Einschränkungen bei der Versorgung von Schwangeren kommt. "Uns ist das Problem aber durchaus bekannt, und die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe steht in engem Austausch mit den bei uns beschäftigten Hebammen. Mögliche Entwicklungen der Situation werden wir natürlich weiter verfolgen", erklärt Pressesprecher Christoph Wenzel. Werdende Eltern in Freising könnten also zunächst unbesorgt bleiben.

Doch die Hebammen diskutieren gerade wieder mit den gesetzlichen Krankenkassen. Streitpunkte ist diesmal nicht die hohe Haftpflichtversicherung, sondern neue Regelungen, welche die gesetzlichen Krankenkassen für Beleghebammen einführen wollen. So beantragte der Verband der gesetzlichen Krankenkassen GKV eine Änderung der Vergütung. Diese soll in Zukunft zwar um bis zu 30 Prozent erhöht werden. Doch sieht der Antrag mit Verweis auf die Qualitätssicherung auch vor, dass eine Beleghebamme nur noch zwei schwangere Frauen gleichzeitig betreuen darf. Der bayerische Hebammenverband kritisiert das scharf. Nun warten beide Parteien auf das Urteil einer unabhängigen Schiedsstelle, das am 19. Mai bekannt gegeben wird.

Die freiberufliche Tätigkeit von Hebammen ist gefährdet

"Für uns ist die Sicherheit von Mutter und Kind das oberste Ziel", erklärt Ann Marini, stellvertretende Pressesprecherin des GKV. Sie könne nicht nachvollziehen, warum die Hebammen den Antrag kritisieren. "Die Forderungen der Krankenkassen gehen komplett an der Realität vorbei", erklärt dagegen Astrid Giesen, Vorsitzende des Bayerischen Hebammen-Landesverbandes. Mit der geplanten Gehaltserhöhung lasse sich die Betreuung von Schwangeren nicht finanzieren. Bei der persönlichen Betreuung müsse man die Hebammen schon mit den richtigen Rahmenbedingungen ausstatten. Sie sieht die freiberufliche Tätigkeit von Hebammen nach diesem neuen Modell in Gefahr.

Beate Giesing, leitende Hebamme im Klinikum Freising, ist sich aber sicher, dass sich bei einer Einführung der Regelungen eine Lösung finden werde. "Pro Jahr haben wir etwa 950 Geburten, bis heute mussten wir noch keine schwangere Frau wegschicken. Sollte der Antrag durchkommen, werden wir eine Neuorganisation der Ablaufzeiten vornehmen müssen", sagt sie. Solange jedoch noch keine endgültige Entscheidung gefallen sei, wolle sie erst einmal abwarten. Es könne allerdings nicht sein, dass eine festangestellte Hebamme weiter vier oder fünf Frauen betreuen dürfe, eine freiberufliche aber jede Dritte ablehnen müsse, so Beate Giesing weiter. Außerdem sei es wichtig zu klären, wie künftig von der dritten Schwangeren an vorzugehen sei. Was passiere, wenn eine Hebamme schon zwei Frauen betreue und dann eine dritte hinzukomme? Die leitende Hebamme im Klinikum Freising sieht darin ein großes Problem und beschreibt drei mögliche Varianten: Die schwangere Frau sucht sich auf die Schnelle eine andere Geburtsstätte, sie bezahlt die Hebamme in bar, oder die Hebamme arbeitet umsonst. Keine der Lösungen sei tragbar.

Dazu kommt ein weiteres Problem: Wenn die Beleghebammen ausbleiben, weil sie die weiteren Geburten nicht mehr wie bisher mit der Krankenkasse abrechnen dürfen, müssen viele Kreißsäle kleinerer Kliniken und Geburtsabteilungen schließen. "Diese können sich festangestellte Hebammen nicht leisten", erklärt Astrid Giesen. Das würde aber dazu führen, dass eine Geburtshilfe für schwangere Frauen an ihrem Wohnort nicht mehr selbstverständlich sei.

© SZ vom 18.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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