Der Löwenwirt geht:"Selbst Handwerker trinken jetzt Wasser"

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Vorbereitungen in der Küche: Günter Wittmann ist aus der Freisinger Gastronomieszene eigentlich nicht wegzudenken. (Foto: Marco Einfeldt)

"Löwenwirt" Günter Wittmann erzählt, warum er die Stadt Freising nach 32 Jahren verlässt und wie sich das Leben für die echten bayerischen Wirte verändert hat. Kritik äußert er am Gesetzgeber.

Interview von Johann Kirchberger, Freising

Günter Wittmann hat 32 Jahre lang die Freisinger Gastronomieszene mit geprägt. Viele Jahre war er auch Freisinger Wirtesprecher. Nun will er der Domstadt den Rücken kehren, den Löwenwirt aufgeben und in Moosburg die Kegelhalle übernehmen. Die Freisinger SZ hat ihn zu seinen Beweggründen befragt und mit ihm über die Sorgen und Probleme der Freisinger Gastronomie gesprochen.

SZ: Warum hören Sie als Pächter des Neustifter Löwenwirts auf?

Wittmann: Der Hausbesitzer, Graf Moy, will das Gebäude sanieren und das wird sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. So lange kann ich nicht untätig herumsitzen. Ein anderes Objekt zu einer erschwinglichen Pacht habe ich in Freising nicht gefunden, darum geht es jetzt nach Moosburg.

Wie schwer fällt Ihnen der Abschied von Freising?

Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits bin ich in Freising verwurzelt. Andererseits reizt es mich, noch mal etwas Neues anzufangen.

Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert, was erwartet der Gast heute von einer bayerischen Wirtschaft?

Es hat sich viel verändert, vor allem durch die sozialen Medien. Man muss heute nicht mehr unbedingt weggehen, um etwas zu besprechen. Das bayerische Traditionsbewusstsein gibt es auch nicht mehr. Frühschoppenrunden und Stammtische werden weniger. Die Alten sterben und die Jungen haben andere Zielvorstellungen.

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Nach 32 Jahren in Freising betreibt Günter Wittmann künftig die Kegelhalle in Moosburg.

Von Johann Kirchberger

Die Brauereien klagen oft, dass es immer schwieriger wird, einen bayerischen Wirt zu finden. In immer mehr alteingesessenen Wirtshäusern wird heute italienisch, griechisch oder asiatisch gekocht. Sterben die bayerischen Wirte aus?

Nein, Quereinsteiger wird es immer wieder geben. Es ist vor allem der Kosten- und Personalfaktor, der den einheimischen Wirten zu schaffen macht. Aushilfen müssen voll bezahlt und versichert werden, auch wenn sie nur kurz arbeiten, Stundenzettel müssen geschrieben werden. Der Gesetzgeber macht es Wirten nicht leicht. Ausländer zahlen andere Löhne und oft hilft bei denen auch die ganze Familie mit.

Immer mehr Wirte führen zwei Gaststätten. Der Wirt vom Weißbräu übernimmt den Hofbrauhauskeller, das Bräustüberl bewirtet auch den Weihenstephaner am Dom, Caterer übernehmen zusätzlich zu ihrer Arbeit den Lindenkeller oder den Schafhof. Ist die Not der Wirte so groß?

Das glaube ich nicht. Es ist von Vorteil für die Brauereien, mit langjährigen und kompetenten Gastronomen zusammenzuarbeiten und sie freuen sich, wenn ein Wirt für sie zwei Gaststätten betreibt. Manchmal ist auch die Lage schwierig, auf dem Domberg etwa fehlen die Parkplätze. Not ist das nicht, das hat praktische Gründe.

Gemütliche Wirtschaften, in denen man auch Kartenspielen kann, werden immer seltener. Woran liegt das?

Das liegt an den Wirten, die das Brauchtum nicht mehr pflegen. Aber es liegt auch den Gästen. Junge Leute können oft gar nicht mehr Schafkopfen. Außerdem gibt es unter den Kartenspielern viele Raucher, die wollen nicht dauernd raus rennen.

Wie hat sich denn das Rauchverbot grundsätzlich ausgewirkt?

Das hat sich irgendwie eingespielt. Für Wirtschaften, die auch Speisen anbieten, halte ich das Rauchverbot für hervorragend. Positiv ist auch, dass es in der Gaststätte am frühen Morgen nicht mehr nach kaltem Rauch stinkt. Allerdings ist uns durch das Rauchverbot ein gewisser Marktanteil verloren gegangen. Die Leute kommen, essen, trinken, zahlen und gehen. Gemütliches Sitzenbleiben gibt es kaum noch. Das ständige Aufstehen und Nach-draußen-gehen nervt die Leute.

Wie hat sich denn das Trinkverhalten verändert? Wird aus Angst um den Führerschein weniger getrunken?

Der Trend geht nicht nur zu alkoholfreiem Bier, sondern grundsätzlich zu alkoholfreien Getränken. Von vier Gästen trinkt heute die Hälfte, manchmal sogar noch mehr, alkoholfrei. Handwerker, die früher in der Mittagspause ein paar Halbe getrunken haben, gibt es nicht mehr. Die trinken jetzt Wasser.

Viele Gäste wollen im Sommer im Freien sitzen. Wie wichtig ist ein Wirtsgarten?

Die Leute wollen heutzutage schon im März raus, wer keinen Garten hat, sitzt im Sommer allein in der Wirtschaft. Der Ärger mit den Nachbarn ist aber oft groß.

In der Innenstadt stehen Wirtschaften leer. Trotzdem will die Stadt jetzt in den Asamkomplex eine Wirtschaft einbauen und an einen bayerischen Wirt verpachten. Kann das klappen?

Es wird immer wieder bayerische Wirte geben und was in vier Jahren ist, wenn die Innenstadt umgebaut ist, weiß man nicht. Grundsätzlich aber sind die Pachten in der Freisinger Innenstadt zu hoch. Aber wir gehören eben zur Flughafenregion. Wichtig wäre eine gesunde Mischung zwischen deutschen und ausländischen Wirten. Momentan aber gibt es gefühlt 25 Asiaten bei uns. Neustift war früher ein Ausgehviertel. Heute ist es tot. Der Neuwirt und andere haben zugemacht, der Löwenwirt zum Beispiel ist gleich von drei Italienern umgeben.

Jugendliche klagen oft, dass es in Freising zu wenig Kneipen gibt. Stimmt das?

Nein, das glaube ich nicht. Das Problem sind eher die Preise. Studenten bekommen in den Verbindungs- und Wohnheimen das Bier für 1,50 Euro. In den Kneipen zahlen sie das Doppelte. Was fehlt, sind Kneipen, in denen Musik gespielt wird, in denen auch was los ist. Wo gibt es denn heute noch Lokale mit Billardtischen oder einem Kickerkasten? In Erding ist die Mischung zwischen Tradition und Moderne viel besser.

Was macht den Wirten die größten Sorgen, sind es die Sportheime?

Nein, die Sportheime sind es nicht. Die Zeiten, in denen die Sportler nach dem Training sitzen geblieben sind und gefeiert haben, sind doch auch vorbei. Mehr Sorgen macht uns, dass immer mehr Metzgereien auskochen, zu Preisen, die sich ein Wirt nicht leisten kann. Ein Problem ist auch die Erwartungshaltung der Gäste. Du sollst immer alles haben, Erdbeeren im Januar zum Beispiel. Und du sollst warme Küche bis lange nach Mitternacht anbieten. Das geht aber nicht, schon wegen der hohen Personalkosten. Das ist alles sehr schwierig geworden.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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