Freising:Sicherheitskräfte: Sollten Flüchtlinge gegeneinander aufhetzen

Lesezeit: 3 min

  • Von ihrem Chef haben zwei Sicherheitsleute angeblich den Auftrag erhalten, die in der Kastulus-Realschule untergebrachten Flüchtlinge gezielt gegeneinander aufzuhetzen.
  • Das Kalkül dahinter: Mehr Streit ist gut fürs Geschäft, er bringt neue Aufträge.
  • Beim Freisinger Landratsamt ist stattdessen die Rede von einem persönlichen Rachefeldzug der geschassten Mitarbeiter.

Von Christian Gschwendtner und Dennis Wenzl, Freising

Als Security-Mitarbeiter hat man es schwer genug. Um die Reputation des eigenen Berufsstandes war es nie sonderlich gut bestellt. Wenn dann noch Vorfälle, wie jüngst in der zur Flüchtlingsnotunterkunft umgewidmeten Turnhalle der Kastulus-Realschule in Moosburg dazukommen, ist das Wasser auf den Mühlen der Kritiker.

Zwei Sicherheitsleute eines Subunternehmens hatten sich mit schweren Vorwürfen gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber an die Öffentlichkeit gewandt: Angeblich hätten sie von ihrem Chef den zynischen Auftrag erhalten, die in der Kastulus-Realschule untergebrachten Flüchtlinge gezielt gegeneinander aufzuhetzen. Das Kalkül dahinter: Mehr Streit ist gut fürs Geschäft, er bringt neue Aufträge.

Geld für Flüchtlinge
:Reich wird, wer Zelte näht

Wie Sicherheitsdienste und Hersteller von Containern von der Unterbringung von Flüchtlingen profitieren.

Von Lea Hampel und Pia Ratzesberger

Ein persönlicher Rachefeldzug?

Das Landratsamt Freising weist die Anschuldigungen zurück. "Eine Angststimmung, wie sie von den beiden Ex-Mitarbeitern geschildert wurde, haben weder unser Verwaltungspersonal noch die Sozialpädagogen erfahren", sagt Pressesprecherin Eva Dörpinghaus. Stattdessen ist die Rede von einem persönlichen Rachefeldzug der geschassten Mitarbeiter. "Wegen des Postaustausches sind wir fast täglich in der Moosburger Turnhalle", sagt Dorina Lehmann, Leiterin der Asylunterkunftsbetreuung im Landratsamt. Laut Lehmann nützt das Landratsamt die Gelegenheit gezielt dafür, um in der Realschulturnhalle nach dem Rechten zu sehen.

Bewahrheitet hat sich aber ein anderer Verdacht: In Moosburg wurden Zertifikate gefälscht, wie die Pressestelle der IHK bestätigt hat. Für die Security-Tätigkeiten in der Kastulus-Turnhalle wäre eigentlich ein Qualifikationsnachweis nach Paragraf 34a der Gewerbeordnung notwendig gewesen. Den konnten die Security-Mitarbeiter aber nicht vorweisen. Die 34a-Unterrichtungen werden von der IHK ausgegeben. In den Fällen, in denen eine gefälschte Bescheinigung vorlag, hat die IHK nun Strafanzeige erstattet.

"Man weiß doch, was im Security-Gewerbe los ist"

Die Zuständigkeiten in Moosburgs Notunterkunft sind kompliziert. Als im Oktober klar wurde, dass die Turnhalle zum dritten Mal seit Juli 2015 als Notunterkunft für Asylbewerber gebraucht wird, hat das Landratsamt die Firma 2-Rent mit der Organisation beauftragt. Die hat die Security-Dienstleistungen wiederum an einen Subunternehmer ausgelagert. Als die IHK-Zertifikate einiger Mitarbeiter als Fälschung enttarnt wurden, hat sich die Firma 2-Rent nach eigenen Angaben sofort von ihrem Subunternehmer getrennt.

2-Rent selbst genießt weiter das volle Vertrauen des Landratsamtes. "Wir haben mit 2-Rent sehr gute Erfahrungen gemacht", so Eva Dörpinghaus. Der ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuer Reinhard Kastorff kritisiert das Landratsamt hingegen scharf für sein Vorgehen in der Moosburger Turnhalle. Die Behörde habe ihre Amtspflicht verletzt. "Man weiß doch, was im Security-Gewerbe los ist. Da geht es nicht, wenn man sich als Auftraggeber so aus der Verantwortung stiehlt", sagt Kastorff.

Gestrandet  in Moosburg
:Im Auftrag der Regierung

Die Firma 2-Rent sorgt in Moosburg nicht nur für Ordnung, die Mitarbeiter sind oft auch Ansprechpartner für Flüchtlinge

Von Christian Gschwendtner

Die Affäre um die gefälschten IHK-Zertifikate hat auf jeden Fall Konsequenzen: Das Landratsamt muss bei der Kontrolle des Sicherheitspersonals in Zukunft noch genauer hinschauen. Laut Dorina Lehmann sei man mittlerweile dazu übergegangen, für jeden einzelnen Security-Mitarbeiter eine Anfrage bei der IHK zu stellen. Ein erheblicher Mehraufwand sei das, sagt Eva Dörpinghaus. "Und das in einer Zeit, wo wir eigentlich keine Zeit haben."

Angekratztes Image schon seit einigen Jahren

Nicht besser ergeht es der Firma 2-Rent. Seit einigen Jahren ist ihr öffentliches Image bereits angekratzt. Der Name 2-Rent wird von bayerischen Politikern und Medien regelmäßig mit "Mietwucher" in Verbindung gebracht. Die Firma hatte sich ursprünglich auf die Unterbringung von Menschen spezialisiert, die auf dem regulären Mietmarkt leer ausgehen. 2-Rent-Inhaber Alexander El Naib ärgert sich über die negativen Beurteilungen. Seine Arbeiter- und Familienunterkünfte sieht er als Hotels. Übernachtungspreise zwischen 10 und 20 Euro seien weit unterhalb des üblichen Marktwerts. "An der Wohnungsknappheit können wir nichts ändern", sagt El Naib.

Noch mehr ärgert Alexander El Naib aber die Art und Weise, wie über die Unterbringung von Flüchtlingen diskutiert werde. Er finde es scheinheilig, wenn genau diejenigen öffentlich angegangen würden, die zum Wohl der Allgemeinheit etwas riskieren. Gemeint ist seine Firma 2-Rent und die Flüchtlingsunterkunft in Moosburg. Innerhalb von 48-Stunden habe man dort eine Notfallunterbringung für 290 Flüchtlinge auf die Beine gestellt. "Es hat alles funktioniert", sagt El Naib. Bis auf die gefälschten IHK-Zertifikate. Wegen der unrühmlichen Angelegenheit sieht man bei 2-Rent nun die gute Arbeit in Misskredit gebracht. Gegen den früheren Subunternehmer erwägt man deshalb juristische Schritte.

Die IHK-Kurse boomen

Dabei geht ohne die Unterstützung von privaten Sicherheitsdienstleistern in der Flüchtlingskrise längst nichts mehr. Seit einiger Zeit kommt die Security auch ins Landratsamt Freising und zwar an Tagen, an denen das Taschengeld für Flüchtlinge ausgegeben wird. "Einfach, um für geordnete Abläufe zu sorgen", sagt Dörpinghaus. Neben Moosburg werden private Sicherheitskräfte in der Echinger Turnhalle und an der Wippenhauser Straße eingesetzt.

Das Landratsamt überlegt gerade, im Stabsgebäude am Steinpark ebenfalls Sicherheitsleute zu engagieren. Es sei aber schwer, geeignetes Personal zu finden, sagt Dorina Lehmann. Derzeit befinde man sich in Verhandlungen mit zwei Unternehmen. Im Security-Gewerbe herrsche Personalnot. Zudem seien immer häufiger interkulturelle Kompetenzen gefragt. Die gesteigerte Nachfrage nach Security-Dienstleistung spricht sich herum. Die IHK-Kurse boomen. Eine Anmeldung für den Pflichtunterricht ist momentan erst wieder ab April 2016 möglich.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Unterkunft in Karlsfeld
:Das unwürdige Leben in einer Traglufthalle

Kein Tageslicht, keine Privatsphäre und verdammt zum Nichtstun: In dieser Atmosphäre kommt es unter Flüchtlingen immer wieder zu Streit und Schlägereien.

Reportage von Gregor Schiegl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: