Gestrandet  in Moosburg:Im Auftrag der Regierung

flucht

Von Privatsphäre kann keine Rede sein, wenn man mit mehreren 100 Menschen in einem Riesenschlafsaal leben muss.

(Foto: Geschwendtner)

Die Firma 2-Rent sorgt in Moosburg nicht nur für Ordnung, die Mitarbeiter sind oft auch Ansprechpartner für Flüchtlinge

Von Christian Gschwendtner, Moosburg

Mittags vor der Kastulus-Realschule. Man will sich ein eigenes Bild von der Sicherheitslage in der Moosburger Notunterkunft machen und wird prompt von der Außenstreife aufgegriffen. Einfach so reinspazieren geht nicht. Also freundlicher Escortservice zum Haupteingang. Dort wartet bereits eine Frau vom Sicherheitsdienst. Sie trägt eine schwarze Bomberjacke, lächelt und zeigt auf ein aufgeschlagenes Logbuch: "Bitte eintragen". Es folgen noch ein paar Kontrollanrufe, dann hat es der Besucher geschafft. Die Firma 2-Rent hat provisorisch in die Mitte des Tribünenflurs einen Empfangstresen platziert. In diesen Tagen die Schaltzentrale der Realschule und ein neuralgischer Punkt für ganz Moosburg. Hierher werden die Neuankömmlinge aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, Somalia oder dem Irak gebracht, bevor es für sie nach vier bis sechs Wochen weiter geht. Hier werden die Flüchtlinge in Listen eingetragen, ihr Flüchtlingsalltag koordiniert.

Neben den zusammengeschobenen Schultischen hat sich Achmed Muratovic aufgebaut, der Schichtleiter der Sicherheitsfirma und ein Security-Mann wie aus dem Bilderbuch: Vollbart, kahl geschorenes Haupt, ein Kreuz wie ein kanadischer Grizzlybär. Achmed Muratovic heißt eigentlich anders, seinen richtigen Name will er nicht in der Zeitung lesen Er stammt aus der bosnischen Kleinstadt Gradačac. Seit 1994 lebt er in Deutschland. Auf seinen breiten Schultern lastet täglich von 8.30 bis 20.30 Uhr die Verantwortung für Moosburgs Notunterkunft. Dann ist die Nachtschicht dran. Muratovic und seine Leute vom Sicherheitsdienst sollen die Flüchtlinge vor Übergriffen schützen und für "geregelte Abläufe" in der Unterkunft sorgen. 24 Stunden am Tag.

Seit den Unregelmäßigkeiten bei der mittlerweile ausgewechselten Vorgängerfirma (siehe Bericht oben) ist der neue Sicherheitsdienst umso mehr darauf bedacht, zu beweisen, dass alles rund läuft. Nur sieht das leider keiner. Außer dem Landratsamt darf niemand in die hermetisch abgeriegelte Welt "Kastulus Realschule" hinein. Irmgard Eichelmann, Koordinatorin der Ehrenamtlichen im Landratsamt, sagt: "Es macht keinen Sinn, Leute in einem Ort zu integrieren, wo sie nicht bleiben". Außerdem sei die Moosburger Turnhalle "extrem beengt". Für Ehrenamtliche ist da kein Platz.

Wegen seiner Rund-um-die-Uhr-Präsenz ist der Sicherheitsdienst der Ansprechpartner Nummer eins für die Flüchtlinge. Oder das Mädchen für alles, wie Achmed Muratovic das nennt. Die privaten Ordnungshüter erklären den in Moosburg Gestrandeten wie es so läuft, bei uns in "Germany". Sie machen das sehr gut, findet Irmgard Eichelmann. Für die neue Sicherheitsfirma arbeiten Bosnier, Serben, ein Italiener, ein Iraker. Wer könnte den Neuen also besser erklären, was es heißt hierzulande Fuß zu fassen? "Schreib mal was Positives über uns", sagt Danny Filipovic. Er weiß um das Imageproblem, kennt die Bilder von Berliner Sicherheitsmännern, die auf einen Asylbewerber einprügeln. Filipovic ist stellvertretende Schichtleiter in der Realschulturnhalle. Er steht jetzt neben seinem Chef Muratovic. Jeden Tag pendeln die beiden nach Moosburg. Der eine aus München-Harthof, der andere aus Neuperlach. Schwer verdientes Geld sei das. Nicht zu vergleichen mit der Objektüberwachung an Baustellen, wo Filipovic früher mal gearbeitet hat.

Aus dem Funkgerät meldet sich eine Stimme: "Die neuen Leute sind da". Blaue Gummihandschuhe werden übergestreift und Danny Filipovic sagt: "Registration please". Die sieben Flüchtlinge stellen sich brav in einer Reihe auf und zücken ihre Papiere. Dann werden ihnen Betten zugeteilt. Für heute erwartet man ungefähr 50 neue Flüchtlinge. Die genaue Zahl kennt niemand. "Wir müssen flexibel sein, wie Badmintonspieler. Du weißt nie, von wo dir der Ball als nächstes um die Ohren fliegt", sagt Moritz Berghold, Hausmanager der Firma 2-Rent. Auch er hat in Wirklichkeit einen anderen Namen. Die Anstrengung ist Moritz Berghold jedenfalls anzumerken. Er trägt Jeans und Kapuzenpulli. Seit sechs Wochen ist er für die Firma 2-Rent in den Asylbewerberunterkünften im Einsatz. Abschalten fällt schwer. Die Arbeit in Moosburg ist eine ständige Gratwanderung. "Wir wollen den Flüchtlingen den Alltag so angenehm wie möglich machen". Gleichzeitig müsse man aber klare Grenzen ziehen. An diesem Tag bekommt das ein afghanischer Jugendlicher zu spüren. Er erhält eine schriftliche Verwarnung. Zum wiederholten Mal ist er nicht gerade zimperlich mit seiner kleinen Schwester umgegangen. Hätte Moritz Berghold lieber 300 Deutsche hier auf engstem Raum untergebracht? "Um Gottes willen", sagt er nur und winkt ab.

An der Wand über der Treppe, die hinunter zu den Turnhallenkatakomben führt, hängt eine elektronische Anzeige des Bürgersolarparks Moosburg I. Heutiger Gesamtertrag: 628507 Kilowattstunden. Auch in der Turnhalle herrscht Dauerbetrieb. Es geht auf 13 Uhr zu: Schulende. Die Security zeigt erhöhte Präsenz vor dem Kastulus-Gebäude, die angrenzende Schule hat sich das gewünscht. Im Inneren der Turnhalle wird Achmed Muratovic kurz nachdenklich. Klar, die fehlende Privatsphäre in einem Riesenschlafsaal für 290 Menschen sei schwierig. Muratovic ist selbst Muslim. Er versuche den Flüchtlingen so gut es irgendwie geht den Aufenthalt zu erleichtern. Dann sagt er noch: "Ich bin aber im Auftrag der Regierung hier'. Das ist alles.

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