Falsch verstandene Tierliebe:Schwanenjagd auf der A 92

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Gerade für Fahranfänger ist Wildwechsel (Symbolbild) gefährlich. Ist das Tier größer als ein Reh, bleibt ohnehin nur "bremsen und beten", wie ein Fahrlehrer sagt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Zwei Frauen wollen einen verirrten Vogel von der Autobahn retten und ernten dafür Lob und Kritik. Allein durch Glück ist dabei kein schwerer Unfall passiert.

Von Luise Helmstreit, Freising

Ein Schwan hat sich am Freitagnachmittag auf die A 92 verirrt und den Verkehr zum Stocken gebracht, bis zwei Frauen, eine davon aus Freising, aus ihren Autos stiegen, um das Tier einzufangen. Richtig so, finden Tierschützer. "Respekt den beiden Damen, die versucht haben, den Schwan zu retten", kommentiert eine Frau im Internet. Aber: Mit ihrer Aktion haben die Frauen andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr gebracht, nur durch Glück ist kein schwererer Unfall passiert, wie Oberkommissar Thomas Keller von der Autobahnpolizei sagt.

"In erster Linie muss sich jeder Verkehrsteilnehmer immer so verhalten, dass er weder sich selbst noch Leib und Leben anderer Menschen gefährdet."

Bei Ausweichmanövern kann es "wegen einem depperten Schwan schnell Tote" geben

Bei den hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn seien bei der Begegnung mit einem Tier schon Ausweichmanöver riskant. "Angenommen, ein Fahrer weicht auf die linke Spur aus, wo gerade jemand mit 200 Stundenkilometern vorbeifährt. Dann gibt es schnell wegen einem depperten Schwan drei Tote", sagt Keller. "Da ist es besser, ihn zu überfahren." Keinesfalls aber sollte man dem Beamten zufolge aussteigen und eine Jagd auf das Tier veranstalten, wie es am Freitag passiert ist. Das nennt Keller falsch verstandene Tierliebe, "denn man bringt Menschen dabei in Gefahr".

Die Autobahnpolizei konnte den Schwan letztendlich einfangen, er wurde mit einigen Blessuren in eine Vogelstation gebracht. Abgesehen davon kam es nur zu einem leichten Auffahrunfall mit Blechschaden, niemand wurde verletzt. "Da haben ganz viele Menschen ganz viel Glück gehabt", sagt Keller. "Es hätte gereicht, wenn ein einziger Autofahrer die Situation nicht rechtzeitig erkannt hätte."

"Gas weg, Fernlicht aus, Dauerhupe"

Nicht nur Schwäne, sondern auch größere Wildtiere verirren sich nicht selten auf die Straße. Sich als Autofahrer in dieser Situation richtig zu verhalten, ist gar nicht so leicht. Viele neigen instinktiv dazu, eine Vollbremsung zu machen oder das Lenkrad zu verreißen. Fahrschullehrer Dirk Dlugosch übt das richtige Verhalten mit seinen Schülern auf der Landstraße: "Gas weg, Fernlicht aus, Dauerhupe. Das Fernlicht blendet die Tiere, so dass sie nichts sehen können und in Folge dessen auch nicht weglaufen, während das laute Geräusch der Hupe sie umgekehrt in Bewegung setzt.

In 99 Prozent der Fälle ist dann schon alles erledigt." Im Kreis Freising begegne man vor allem Rehen, in Niederbayern auch Wildschweinen. "Die haben eine ziemlich harte Muskulatur, das ist fast, als würde man gegen einen Baum fahren", sagt Dlugosch. In diesem Fall sei das richtige Vorgehen, mit Blick in den Innenspiegel und eingeschalteter Warnblinkanlage vorsichtig abzubremsen. "Bei Tieren bis Rehgröße ist es tatsächlich am sichersten, sie zu überfahren. Bei allen anderen kann man eigentlich nur bremsen und beten."

"Ich erlebe ungefähr bei jeder zweiten Nachtfahrt auf der Landstraße einen Wildwechsel", sagt der Fahrlehrer

Trotz Übung sei es gerade für Fahranfänger schwer, in solchen Situationen richtig zu reagieren. "Ich erlebe ungefähr bei jeder zweiten Nachtfahrt auf der Landstraße einen Wildwechsel", erzählt Dlugosch. "Viele erschrecken und erstarren dann. In der Realität ist beim ersten Mal eben doch immer alles anders."

Die Rettung der Tiere von der Straße ist eigentlich Aufgabe der Polizei. Mehrmals pro Woche rücken Keller und seine Kollegen deshalb aus. "Die Wildschutzzäune sind eben doch nicht überall dicht. Hauptsächlich Rehe verirren sich auf die Autobahn. Bis wir da sind, sind die aber oft schon wieder weg. Falls nicht, begleiten wir das Tier mit Blaulicht. Die meisten Wildtiere sind Fluchttiere, wir versuchen, sie durch Geräusche zur nächsten Ausfahrt oder Lücke im Zaun zu leiten. Das kann schon mal eine Stunde dauern." Außerdem drosselt die Autobahnpolizei die Geschwindigkeit des Verkehrs und gibt eine Rundfunkwarnung heraus. "Wenn wir keinen Erfolg haben, das Tier von der Fahrbahn zu locken, müssen wir die Straße sperren und es erschießen", sagt Keller.

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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