Einkaufsqualität:Wieder verschwindet ein Tante-Emma-Laden aus dem Lehel

Lesezeit: 3 min

Geschlossen: "Claudias Kleiner Laden" in der Liebigstrasse 14 neben dem Gasthof Liebig. (Foto: Catherina Hess)
  • Der Tante-Emma-Laden "Claudias Kleiner Laden" in der Liebigstraße 14 macht nach fast 30 Jahren Betrieb zu.
  • Die Inhaberin kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weitermachen.
  • Lokalpolitiker bemängeln eine zunehmende Verschlechterung der Nahversorgung im Viertel.

Von Alfred Dürr, Lehel

Und wieder ist ein Tante-Emma-Laden im Lehel verschwunden. Fast 30 Jahre hat die Inhaberin selbst das Geschäft an der Liebigstraße 14 geführt, nun kann sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weitermachen. "Claudias Kleiner Laden" ist abgeschlossen, Fenster und Tür sind mit Papier verklebt, auf einem handgeschriebenen Schild steht "Vielen Dank für 27 Jahre Treue".

"Eine Perle im Viertel"

Eine der vielen langjährigen Kundinnen ist traurig - es verschwindet eine Institution, beklagt sie. Selbstzubereitete kleine Mahlzeiten oder eine Brotzeit habe man dort kaufen können, die Atmosphäre sei individuell gewesen. Der kleine Laden war ein beliebter Treff für Stammkunden: "Eine Perle im Viertel."

Einzelhandel
:So verändert sich die Münchner Innenstadt

Filialen internationaler Firmen prägen das Bild der Fußgängerzone. Kleine Läden werden es in Zukunft noch schwerer haben.

Von Pia Ratzesberger

Auch im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel (BA) sieht man die Entwicklung mit Besorgnis. "Diese Schließung mag vielleicht für viele außerhalb des Kreises der regelmäßigen Kunden nicht so bedeutsam sein, aber der Verlust weist auf ein Problem für alle im Viertel hin", beschreibt der stellvertretende BA-Vorsitzende Wolfgang Püschel (SPD) die Situation. Die Einkaufsmöglichkeiten nähmen immer mehr ab, was auch einen Verlust an Lebensqualität bedeutet.

Püschel wies in seinem Jahresbericht bereits Anfang Dezember während der Bürgerversammlung auf das schwierige Thema "Nahversorgung" hin. Im Lehel gebe es noch einige dieser kleinen Läden, die für die Nachbarschaft zum Einkaufen und als "sozialer Ort" wichtig seien. Aber wie auf dem Wohnungssektor, sind auch solche gewerblichen Standorte vom Aufwertungsprozess bedroht. Immer mehr dieser Geschäfte schließen aus unterschiedlichen Gründen. Und die Stadt hat keine Möglichkeiten gegenzusteuern, denn: Es gibt keine landes- oder bundesrechtlichen Vorgaben, "die einen besonderen gebietsbezogenen Schutz und ein entsprechendes Aktivwerden der Kommune begründen", heißt es im Planungsreferat.

Oft können die Besitzer solcher kleinen Läden Mieterhöhungen nicht mehr verkraften, Krankheit spielt nicht selten eine Rolle, auch aus Altersgründen wird aufgegeben. Andere wiederum halten tapfer und mit Engagement für ihre Kunden durch. Ein Beispiel dafür ist Elfriede Manz, 82, mit ihrem "Kleinen Kaufhaus" an der Triftstraße. Seit mehr als 50 Jahren führt sie das Geschäft, in dem sich von Fahrkarten, Süßigkeiten, Bastelmaterial und Kleidung bis hin zu einem breiten Sortiment auch internationaler Zeitungen und Zeitschriften alles findet.

"Was passiert mit dem kleinen Laden, wenn Frau Manz einmal nicht mehr hinter der Ladentheke steht?", fragt Püschel. Nicht weit von der Triftstraße entfernt, im Umfeld der Seitz- und Christophstraße, kann man die Entwicklung gut beobachten und möglicherweise auch eine Antwort finden. In den vergangenen Jahren gab es dort immer wieder einen Wechsel bei jenen Geschäften, die Waren für den täglichen Bedarf anboten. Ein Gemüseladen und ein Drogeriemarkt verschwanden, dafür kamen eine Galerie oder eine Boutique.

Die Metzgerei heißt jetzt "Butchery Lehel"

Weiteres Beispiel ist die kleine Metzgerei Sieber, die sich samt Imbiss lange Zeit im Haus Christophstraße 10 befand; das Gebäude gehört dem Kreisverband München des Bayerischen Roten Kreuzes. Anfang 2016 war Schluss mit der Metzgerei, der Pächter wollte seinen Vertrag aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verlängern. Der Laden stand längere Zeit leer. Ein Schild an der Tür verwies darauf, dass man in Verhandlungen mit möglichen Nachmietern sei. Im Viertel wurde spekuliert - Schuhgeschäft, Kleiderladen oder doch wieder ein Metzger. Man solle an die Grundversorgung im Viertel denken und nicht nur an die hohe Miete, appellierten die Lokalpolitiker an das Rote Kreuz.

Inzwischen ist der Laden renoviert und präsentiert sich mit modernem Auftritt. Über dem Eingang läuft ein Schriftband, auf dem man lesen kann, was nun angeboten wird: "Leberkäs, Brotzeit, Fleisch, Steaks". In noch größeren Buchstaben steht oben drüber "Butchery Lehel"- die englische Vokabel für Metzgerei.

Püschel lächelt etwas gequält über das schicke Zeitgeist-Etikett. Immerhin, es gibt dort Lebensmittel und Delikatessen. Und wer einkaufen will, hat die Auswahl, da sich direkt gegenüber eine Tengelmann-Filiale findet. "Ob dieser Supermarkt aber im Zug der Fusionen mit Edeka-Geschäften bleiben kann, ist keineswegs sicher", sagt der Lokalpolitiker besorgt.

Da das Thema Nahversorgung eine wichtige Rolle spielt, müsse man nun im Fall von "Claudias Kleinem Laden" an der Liebigstraße den richtigen Nachmieter finden, fordert der BA-Vize. Die Zahl der Bewerbungen ist offenbar hoch; unter anderem will das benachbarte Gasthaus dort Lagerräume unterbringen, hieß es im BA. Das Gremium lehnt dieses Ansinnen aber mit deutlicher Mehrheit ab.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

"Le Clou"
:Ein Lokal wie eine Wundertüte

Im Schatten der Heiliggeistkirche wartet mit dem "Le Clou" ein wundersames Panoptikum - samt Harley Davidson und Gamsn-Edi.

Von Thomas Anlauf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: