München/Pliening:Dicke Landluft

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Ein Bauer aus Pliening will erstreiten, dass der Gestank seiner Odelgrube als unzumutbar für die Nachbarn eingestuft wird

Von Korbinian Eisenberger, München/Pliening

Der süße Duft des bäuerlichen Lebens kann mitunter recht intensiv werden, wie Dorfbewohner der Gemeinde Pliening erfahren mussten. Weil sie ihre neue Behausung in unmittelbarer Nähe zu einem Stall und einer Odelgrube aufbauten, lässt sich der Geruch des Kuhdungs kaum aus den Räumen halten, was die Bewohner auch zeitnah störte. Um den Odelmief aus den Räumen zu bekommen, ließen die Eigentümer der beiden Doppelhaushälften Absauge- und Belüftungsanlagen in allen Zimmern einbauen. Eigentlich hätte die Geschichte damit enden können, wäre da nicht der Eigentümer der Odelgrube gewesen.

Dem benachbarten Landwirt stinkt nämlich, dass der Neubau neben seinem Hof und Stall überhaupt genehmigt wurde - weswegen er dagegen klagte. Am Dienstag standen sich nun die Beteiligten am Münchner Verwaltungsgerichtshof gegenüber, um zu klären, ob die Genehmigung rechtens war - oder ob zu nah an Stall und Odelgrube gebaut wurde. Es geht also um die Frage, wie viel Gestank Anwohnern eines Bauernhofes zugemutet werden darf - und wo die gesetzliche Grenze liegt.

So klamaukig der Fall auch klingen mag, der Urteilsspruch, den Richter Hans-Joachim Dösing für Ende Mai ankündigte, könnte für die Beteiligten weitreichende Folgen haben. Ein Szenario wäre, dass die neunte Kammer des Verwaltungsgerichtshofes die Baugenehmigung für die bereits gebauten Häuser wieder entzieht. Für die Bewohner könnte es dann ungemütlich werden - und für das Landratsamt Ebersberg peinlich: Dort wurde die Baugenehmigung nämlich vor gut drei Jahren erteilt.

Geklagt hatte der Landwirt, nachdem er vom Stall aus beobachtet hatte, wie die Bagger anrückten um das Grundstück zu erschließen. Wie der Anwalt des Landwirts Benno Ziegler mitteilte, sei sein Mandant vom Landratsamt deswegen nicht informiert worden, was auch der Richter beanstandete. Im August 2014 kam es schließlich zu einer ersten Verhandlung, in der das Verwaltungsgericht den Bauernhof besuchte und überrascht davon war, dass das Doppelhaus bereits gebaut war. Seither ist das neu gebaute Wohnhaus geduldet.

Der Landwirt ist damit nicht zufrieden, weswegen er schließlich in Berufung ging. Er befürchtet, dass die Gerüche aus Odelgrube und Stall ihm künftig Probleme bereiten werden, wie sein Anwalt Michael Beisse im Gerichtssaal erklärte. Sein Mandat "befürchtet Beschwerden der Bewohner" oder Auflagen, wonach er den Stall künftig nicht mehr über die Fenster sondern eine kostspielige Anlage belüften muss. Beisse äußerte Zweifel daran, dass die Lüftungsanlagen in den Wohnhäusern effektiv genug seien, um den Gestank gänzlich aus den Wänden fern zu halten. "In der Küche muss man ein Fenster aufmachen können", so Beisse, "vor allem wenn beim Kochen etwas angebrannt ist".

Richter Dösing schienen die Gestankschutz-Einrichtungen weitgehend überzeug zu haben. "Wenn einem etwas angebrannt ist, dann ist der Stallgeruch eher das geringste Problem", sagte er. Eine geladene Expertin für Hausbelüftung erklärte, dass durch die Anlage ein Überdruck in den Räumen des Wohnhauses entstehe. Beim Öffnen einer Türe entweiche die Luft nach draußen, was verhindere, das Odelluft von draußen nach innen gelange.

In Pliening ist der Stunk an der Odelgrube ein bierernstes Thema. Auf einen Vergleich wollten sich beide Parteien nicht einlassen - was die Angelegenheit umso interessanter macht. Wenn in zwei Wochen das Urteil verkündet wird, geht es nicht mehr nur um einen Nachbarschaftsstreit in Oberbayern, sondern um die generelle Frage, wie viel Abstand Bauherren zu bewirtschafteten Bauernhöfen halten müssen. Vergleichbare Urteile wurden hierzu bis dato nicht gefällt, wie Richter Dösing bestätigte. Während beim Lärmschutz genau definiert ist, welche Abstände eingehalten und welche Schutzmaßnahmen vorgenommen werden müssen, gibt es beim Schutz vor Gestank lediglich Empfehlungen. Richter Dösing muss nun entscheiden, ob "Immissionen" von einem Bauernhof, wie es im Juristendeutsch heißt, für Nachbarn zumutbar sind oder nicht. Das Urteil könnte bei vergleichbaren Genehmigungsverfahren als Orientierung für Landratsämter dienen - also maßgeblich sein, ob Bauernhöfe, die auch danach riechen, mit Wohnhäusern zugebaut werden dürfen oder nicht.

Im Fall Pliening bleiben wohl nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Klage des Landwirts wird stattgegeben und die Baugenehmigung ist nichtig. Dann käme theoretisch auch ein Abriss der Neubauten in Betracht, zumindest sieht das der Anwalt des Landwirts so. Sollte die Klage abgewiesen werden, hätte der Bauer trotzdem gewonnen, weil der Hofgestank dann für erträglich befunden würde und er keine Konsequenzen wegen des würzigen Odel-Aromas fürchten muss. Für die Anwohner wäre diese Variante ein Teilerfolg - zumindest solange die Lüftungen ihren Dienst tun.

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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