Stromversorgung:Virtuelles Kraftwerk bündelt Energie

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Ein virtuelles Kraftwerk soll im Landkreis Ebersberg künftig regenerative Energien bündeln und somit regional vermarkten. Die Erzeuger reichen von Biogas- über Windkraft- bis zu Fotovoltaik-Anlagen.

Von Anselm Schindler

23. Dezember, Raum 1.37 im Landratsamt: Drei Männer sitzen am Konferenztisch, es ist eine kleine Runde, das Thema ist dafür um so gewichtiger. Was hier entwickelt wird, soll Vorbild sein für eine neue Energiepolitik, nicht nur im Landkreis. Es geht um das virtuelle Kraftwerk, das schon wegen seines Namens Innovation verspricht. Seit Jahren tüftelt man in der landkreisweiten Energiegenossenschaft REGE und im Landratsamt an diesem Vorhaben. Wie es funktionieren soll und wann es endlich los geht, darüber hielt man sich bedeckt. Bis jetzt.

Die Grundidee hinter dem virtuellen Kraftwerk ist recht schnell erklärt: Im Rahmen der Energiewende ist im Landkreis ein Flickerlteppich von verschiedenen Erzeugern erneuerbarer Energien entstanden, der von Biogasanlagen über die geplante Windkraftanlage im Ebersberger Forst und Fotovoltaik-Anlagen bis zu Erdwärme und Blockheizkraftwerken reicht. Wo die Energie aber letztendlich hinfließt, bleibt offen. Durch das virtuelle Kraftwerk sollen die Energiequellen gebündelt werden, damit man sie auch regional vermarkten kann. Virtuell heißt das Kraftwerk, weil in seiner Zentrale keine Energie erzeugt wird, hier wird gebündelt, was an vielen dezentralen Standorten erzeugt wird. Ein virtuelles Kraftwerk ist ein Zusammenschluss von kleinen Stromerzeugern zu einem Verbund, der je nach Nachfrage Strom bereitstellen soll.

Das Kraftwerk braucht weitere Erzeuger

"EBERstrom" soll das Endprodukt heißen, das von den vielen Energieerzeugern im Landkreis zu den Steckdosen und Leitungen der Endverbraucher in den 21 Gemeinden des Landkreises gebracht werden soll. "Damit halten wir auch die Wertschöpfung des Stromhandels im Landkreis", erklärt REGE-Vorstand Wolfgang Poschenrieder. Im Laufe des Jahres soll "EBERstrom" den Verbrauchern im Landkreis zugänglich gemacht werden, doch dafür muss das virtuelle Kraftwerk erst noch Energieerzeuger hinzugewinnen.

"Jetzt ist es endlich so weit", sagt Wolfgang Poschenrieder von der Ebersberger Energiegenossenschaft REGE. Hans Gröbmayr, Klimaschutzmanager des Landkreises, nickt erwartungsvoll, Manuel Herzog, der die Energiegenossenschaft in Sachen virtuelles Kraftwerk unterstützt, schenkt Kaffee ein. Die drei haben in den vergangenen Monaten viel Zeit damit verbracht, die Details dessen zu erarbeiten, was sie als "großen Meilenstein für die Energiewende" bezeichnen. Sie haben vor allem auch versucht, Betreiber von Biogasanlagen davon zu überzeugen, ihr Energieangebot künftig über das virtuelle Kraftwerk zu vermarkten.

Schon jetzt könnten 2700 Haushalte versorgt werden

Mit Erfolg: Die ersten Energieerzeuger sind bereits an das System angeschlossen: Drei Biogasanlagen speisen vom 1. Januar an Strom über das virtuelle Kraftwerk ein, das den dann direkt an die REGE vermarktet. Dadurch werden im virtuellen Kraftwerk bereits 950 Kilowatt pro Stunde gebündelt, was erst der Anfang ist. Geht man von einem durchschnittlichen jährlichen Verbrauch von 3100 Kilowatt pro Haushalt aus, könnte das virtuelle Kraftwerk schon jetzt knapp 2700 Haushalte im Landkreis mit Strom versorgen. Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von zwei Personen wäre das immerhin das Gemeindegebiet von Pliening.

Bis Ende 2016 strebt die REGE eine Verdreifachung dieser Leistung an, drei Megawatt soll das virtuelle Kraftwerk bis dahin bündeln. Und bis zum Ende des darauffolgenden Jahres sollen es bis zu sieben Megawatt sein, die in der Schaltzentrale stündlich verwaltet werden. Zum Vergleich: Pro Stunde werden landkreisweit im Schnitt 53 Megawattstunden Strom verbraucht.

Der Knotenpunkt befindet sich im Ebersberger Forst

Der Knotenpunkt des virtuellen Kraftwerks steht auf der Schafweide am Rande der Staatsstraße, die von Ebersberg durch den Ebersberger Forst nach Hohenlinden führt. Ein Sendemast empfängt hier die Daten der einzelnen Stromerzeuger, die über ein Funknetz an das virtuelle Kraftwerk angeschlossen sind. Die Daten werden nach München weitergeleitet, dort werden sie vom Technologieunternehmen VPP Energy verarbeitet. Das Unternehmen stellt die informationstechnische Basis für das virtuelle Kraftwerk. In der Leitwarte von VPP Energy findet der Abgleich zwischen Energieerzeugung und -bedarf statt.

Alle Energieerzeuger zusammen verhalten sich wie ein großes regelbares Kraftwerk. "Die Biogasanlagen-Betreiber geben die Hoheit über ihre Anlagen dadurch fast auf", sagt Klimaschutzmanager Gröbmayr, "ihre Anlagen werden je nach Bedarf von der Leitwarte aus gesteuert." Im Laufe des Jahres werden zu den drei bereits angeschlossenen Biogasanlagen noch weitere hinzukommen. "Biogasanlagen lassen sich regeln. Und sie sind nicht von Sonne und Wind abhängig und laufen rund um die Uhr", erklärt Wolfgang Poschenrieder, warum man sich beim virtuellen Kraftwerk bisher vor allem auf Biogas konzentriert. "Letztendlich sollen aber alle regenerativen Energieerzeuger angeschlossen werden", ergänzt Energiemanager Hans Gröbmayr.

Die Bereitstellung der Struktur und die Verwaltung des virtuellen Kraftwerks kosten natürlich Geld. Summen aber wollen Gröbmayr und Poschenrieder nicht nennen. Nur so viel: "In spätestens 15 Jahren sollen die Investitionen wieder drin sein", sagt Gröbmayr. Er geht davon aus, dass der "EBERstrom" schnell viele Abnehmer finden wird. Nicht etwa, weil er so preisgünstig sein wird, sondern eher, weil die Energiewende und die regionale Wertschöpfung vielen Menschen im Landkreis am Herzen liegen.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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