Grafing/München:EHC Klostersee vor der Meisterfeier: Kaefer, der Kämpfer

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Damals spielten die Grafinger noch in der Oberliga: Bei einem Heimspiel des EHC Klostersee gegen Peiting schießt Raphael Kaefer das 2:1. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Raphael Kaefer spielte schon im Nationaltrikot. Jetzt geht er mit dem EHC Klostersee den weiten Weg aus der untersten Eishockey-Liga. Das Adler-Dress liegt so lange im Schrank.

Porträt von Korbinian Eisenberger, Grafing/München

Es ist eine stinknormale Sporttasche, die sich hinter den Türen des Schlafzimmerschranks verbirgt. Er macht den Reisverschluss auf, oben liegt ein Kleidungsstück mit dem rot-weißen Wappen. "Ich hab alle gesammelt", sagt er, Trainingsanzüge aus sieben Jahren beim Eishockeyklub EHC Klostersee. Er wühlt in der Tasche, zieht ein Trikot hervor, das mit dem deutschen Adler und der Nummer 22. Dass er dieses Dress zuletzt getragen hat, ist jetzt vier Jahre her.

Die Sporttasche des Rafael Kaefer ist wie ein Auszug aus seiner Biografie. Sieben Jahre und sieben EHC-Trainingsanzüge ist es her, dass er das erste Mal für die erste Mannschaft aufs Eis gegangen ist. Für viele in Grafing war er schon damals einer, der es mal weit bringen kann. Erst recht, als Kaefer 2012 mit der U18-Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft nach Tschechien durfte, das Trikot hat er in der Sporttasche aufgehoben. Das Trikot mit dem EHC-Wappen, das trägt Kaefer nach wie vor. Das mit dem Adler vorne drauf, das liegt seit der WM im Schrank.

Donnerstagabend, eine Dreizimmerwohnung am Münchner Ostbahnhof. Rafael Kaefer hat gekocht, Spaghetti mit Rindfleisch und Pilzen, der Teller steht noch auf dem Tisch. Nach Feierabend ist er ganz der Hausmann, kurze Hose, das T-Shirt spannt über den Oberarmen, "Warrior" steht darauf, Kaefer der Kämpfer und Stürmer. Keiner schoss in der abgelaufenen Ligasaison mehr Tore als er, am Wochenende wurde der EHC so Bezirksliga-Meister und stieg in die Landesliga auf. Am Samstag lädt der Verein um 18 Uhr zur Aufstiegsfeier ins Grafinger Eisstadion ein.

Seit einem Semester im BWL-Studium: Raphael Keafer, 22, brütet am Donnerstagabend über seinen Uni-Unterlagen. (Foto: Korbinian Eisenberger (OH))

Es war eine gute Spielzeit für Raphael Kaefer und für den EHC, nach der schwierigen Vorsaison, wo so viel zerbrach. Kaefer hat die Hochzeiten in der Oberliga miterlebt, er ist Identifikationsfigur, ein Grafinger, der ein Grafinger Trikot trägt und die wichtigen Tore schießt. "Wenn Kaefer nicht spielt, dann fehlt in unserem Sturm ein entscheidender Faktor", sagt Dominik Quinlan, seit Herbst Cheftrainer des EHC. In der abgelaufenen Saison gewann Quinlans Team alle 26 Partien, schoss 261 Tore und kassierte nur 31 - ein Meistertitel wie aus einem Guss. Nur eben nicht in der drittstärksten deutschen Eishockeyliga, sondern in der untersten.

Der Abstieg war ein Wendepunkt, für den EHC und für Kaefer

Der Abstieg, das Jahr 2016, das war ein Wendepunkt - für den EHC aber auch für Raphael Kaefer. Nach dem Rückzug der Oberligamannschaft plante er im Herbst 2016 den Neuanfang, sportlich wie beruflich - dafür zog es ihn von Oberbayern nach Südtirol. Kaefers Plan war, in Bozen an die Uni und für den italienischen Erstligisten HC Gröden auf Torejagd zu gehen: dreisprachig studieren, erstklassig spielen also. Doch dann kam alles anders.

Kaefer zuckt mit den Schultern. "Mei", sagt er, "es hat beides nicht geklappt". Erst sagte die Uni ab, dann der Klub. Eine verpasste Chance? Kaefer sagt heute, dass er dem nicht nachtrauere. Seit diesem Semester studiert er in München, Betriebswirtschaft, die ersten Prüfungen hat er bereits hinter sich, jetzt noch zwei Hausarbeiten. Und das Eishockey? Nach einem vierwöchigen Tryout, einer Testzeit beim HC Neumarkt (Südtirol) kehrte er zu Saisonbeginn wieder zum EHC Klostersee zurück. Jetzt sagt er: "Es kommt nicht darauf an, in welcher Liga du spielst, sondern mit welchen Leuten." In Grafing spielt Kaefer mit seinen Spezln, hier kennt man ihn und seine Qualitäten, in Grafing muss Raphael Kaefer niemandem mehr was beweisen.

Kaefer, der frühere Nachwuchsnationalspieler, läuft kommende Saison in der Landesliga auf, eine Klasse höher als zuletzt, aber immer noch drei tiefer als in den Jahren zuvor. In der Bezirksliga traf Kaefer zuletzt, wie er wollte, trotz einer längeren Sperre erzielte er 36 Tore. "Ja", sagt er, "es macht nicht so viel Spaß, wenn du gegen Leute spielst, die teilweise nicht richtig Schlittschuhlaufen können". Kaefer meint das nicht respektlos, aber er hat eben mal das Nationaltrikot getragen, damals, sagt er, hatte er sich das etwas anders vorgestellt. Damals, als die die Sponsorenkündigungen wegen Randale noch nicht abzusehen waren, und auch nicht, dass der EHC im Sommer 2016 die erste Mannschaft aus der Oberliga zurückziehen würde.

Der Abstieg, das Jahr 2016, es sah zunächst wie der große Zusammenbruch des Traditionsklubs aus, ausgerechnet im 60. Gründungsjahr (am 30. Mai wird deswegen das Grafinger Volksfestzelt einen Tag länger stehen bleiben). Im Verein sehen sie mittlerweile viel Positives im Umbruch. Die Randalierer machten in dieser Saison kaum mehr Probleme, finanziell, so teilte der neue Vorstand unlängst mit, gehe es Klostersee gut, ohne die Lizenzkosten in der Oberliga sei nun Geld für die Jugendarbeit da. "Für mich gibt es nichts Schöneres, als bei diesem Verein zu spielen" sagt Kaefer. Das Trikot mit dem Adler hat er in den Schrank zurückgelegt. Fein gefaltet, wer weiß, ob er nochmal ein Nationaltrikot bekommt.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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