Energiewende:Umschalten im Kopf

Lesezeit: 3 min

Am kommenden Wochenende findet das Ebermuc-Festival statt. Die Energieagentur Ebersberg-München will die Menschen in beiden Landkreisen zum Mitmachen bewegen

Von Bernhard Lohr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Wenn Erwin Karg auf ein Bike steigt, dann auf ein richtiges. Mit Motor. Der Bürgermeister der Gemeinde Fuchstal im Landkreis Landsberg ist begeisterter Motorradfahrer. Mit Fahrrädern oder E-Bikes kann er wenig anfangen. Zu einem Radlstar bei der laufenden Stadtradel-Aktion wird es der 53-Jährige also nicht mehr bringen. Und doch ist er, der sich selbst als Kämpfernatur beschreibt, ein Vorreiter bei der Energiewende. Der Windkraft hat er in seiner Gemeinde zum Durchbruch verholfen. Kommenden Samstag, 21. Juli, hält Karg einen Impulsvortrag in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Dort diskutiert der Parteilose mit den Landräten von Ebersberg und München auf dem "Ebermuc-Festival".

Kargs Auftritte dürften ganz im Sinn dieser Veranstaltung sein, die von 13 bis 18 Uhr auf der Leonhardiwiese in Höhenkirchen-Siegertsbrunn stattfindet. Sie sind sowohl unterhaltsam als auch informativ. Der Energiewende-Pionier aus Fuchstal wird unter anderem erläutern, warum ein Bürgermeister eine "arme Sau" ist, wenn er sich dem Ausbau der Windkraft verschreibt. Zugleich wird der Mann, der von sich selbst sagt, er sei "wie die Jungfrau zum Kind" zu dem Thema gekommen, bei dem Festival erklären, warum sich Windkraft auch in Bayern lohnt.

Erstmals richtet die Energieagentur Ebersberg-München diesen "Tag voller Energie" aus, um ihr Anliegen mit einer Mischung aus Jahrmarkt, Volksfest und Messe unter Menschen zu bringen. Auf Vorträgen und Diskussionen wird über den Stand der Energiewende verhandelt. Initiativen und Firmen präsentieren sich an Ständen. Es gibt Klimaspiele und ein Kasperltheater bringt Kindern Umweltthemen nahe. Der Tag bildet zudem den Abschluss der dreiwöchigen Stadtradel-Aktion und dürfte ein buntes Ereignis werden, auch weil nebenan der Leonhardi-Benefizlauf mit Hunderten Teilnehmern stattfindet.

Während jemand wie Erwin Karg sich zugute halten kann, trotz einer 10-H-Abstandsregel und gegen den Widerstand von Bürgerinitiativen und prozessierenden Nachbarkommunen bald sieben Windräder durchgesetzt zu haben, hat sich Hans Gröbmayr Meriten auf andere Weise verdient. Gröbmayr nimmt als Geschäftsführer der Energieagentur Ebersberg an der Stadtradel-Aktion teil und verzichtet aufs Auto. Er wird am Samstag über seine Erfahrungen als Radlstar berichten. Derzeit spüre er jede Faser in seinen Beinen, sagt er: Gröbmayr unternahm mit seinem E-Bike einen 340-Kilometer-Trip nach Würzburg. Täglich fährt er die 18 Kilometer mit dem Rad von zu Hause in Glonn bis nach Ebersberg in die Arbeit und ist fasziniert, wie schnell es ging, das Auto zu vergessen. Er genießt die Bewegung. "Du schaltest im Kopf völlig um", sagt er.

Das Festival soll Lust machen, mitzuwirken an der Energiewende, die die Landkreise Ebersberg und München als gleichberechtigte Gesellschafter der Energieagentur hinbekommen wollen. So hat sich Ebersberg vorgenommen, bis zum Jahr 2030 die Energieversorgung des Landkreises frei von fossilen und anderen endlichen Energieträgern zu gestalten. Die Münchner Partner haben ihr Handlungsfeld und ihre Maxime in der Initiative 29++ formuliert. Die im Jahr 2016 nach einer Bürgerbeteiligung auf den Weg gebrachte Initiative markiert den Abschied von der Energievision mit festgelegten Zielen. Die Zahl 29 steht für die 29 Kommunen im Landkreis München, ohne deren Mitwirken die Wende nicht gelingt, das Fehlen des dritten Plus-Zeichens zum Top-Standard steht für den Handlungswillen.

Noch haben die beiden Landkreise gemeinsam mit ihren Bürgern einen weiten Weg vor sich. Radlstar Gröbmayr erlebt gerade, wie lückenhaft die Radwegeverbindungen sind. 20 Prozent seiner Fahrten lege er auf Radwegen zurück, 40 Prozent auf Waldwegen und die anderen Strecken sei er auf Straßen unterwegs. Bei der Windkraft ist man in den Landkreisen Ebersberg und München von Fuchstaler Verhältnissen weit entfernt. Trotz großer Waldgebiete mit dem Ebersberger und Hofoldinger Forst gibt es kein einziges Windrad. Für den Ebersberger Forst läuft laut Gröbmayr immerhin ein sogenanntes Zonierungsverfahren, in dem festgelegt wird, wo Windräder stehen könnten. Was den Hofoldinger Forst angeht, wird immer noch über die Wirtschaftlichkeit der Windkraft diskutiert.

Der Nachweis, dass Windkraft auch in Bayern funktioniert, sieht Karg in Fuchstal gegeben. Er will Kommunen Mut machen, die Initiative zu ergreifen. Der Staat setze Rahmenbedingungen, sagt er. Aber: "Umgesetzt wird die Energiewende in den Kommunen." Als der Freistaat den Bau von Windrädern propagierte, wurde Fuchstal mit seinen ausgedehnten Wäldern zum Windpark-Gebiet erkoren. Es folgte die Rolle rückwärts durch die Abstandsregel. Karg machte weiter und setzte Windkraftanlagen durch. Parallel standen und stehen Photovoltaik, Biogas und der Aufbau eines Nahwärmenetzes auf Kargs Agenda.

Das Ebermuc-Festival wendet sich in erster Linie an die Bürger. Sie sollen erfahren, wie leicht es sein kann, mit kleinen sogenannten Guerilla-Photovoltaikanlagen auf dem Balkon Strom zu produzieren und Geld zu sparen. Sie können sich an Ständen wie von der Solarinitiative München-Land oder von der Organisation Plant-for-the-Planet informieren und die Beratungsdienste der Energieagentur in Anspruch nehmen. Diese hat als ihr erstes großes Projekt im Landkreis München ein Solarkataster so gut wie fertig gestellt. Dieses stellt für jedes Dach im Landkreis dar, ob die Installation von Solarmodulen ratsam ist.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: