München/Markt Indersdorf:Das Vermächtnis der Zeitzeugen

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Indersdorfer Gymnasiasten werden für ihre Seminararbeit über ehemalige Bewohner des Jüdischen Kinderzentrums mit einem Preis ausgezeichnet. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde würdigt die Arbeit der Schüler

Von MAXIMILIAN BÖTTCHER, München/Markt Indersdorf

- Schüler des Gymnasiums Indersdorf haben mit ihrer Arbeit für ein P-Seminar den Wettbewerb auf regionaler Ebene gewonnen. Die Gymnasiasten zeichneten die Lebenswege ehemaliger Bewohner des Jüdischen Kinderzentrums im Kloster Indersdorf nach. Die Schüler führten mit ihnen viele Gespräche und fertigten Porträts von den Zeitzeugen an, die jetzt in einer Ausstellung in München zu sehen sind. Bei der Preisverleihung am Mittwoch im Jüdischen Zentrum München wurde ihre Arbeit gewürdigt.

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, begrüßte die Teilnehmer der prämierten Seminare. Insgesamt wurden drei Seminare aus dem Bezirk Oberbayern-West ausgezeichnet. Neben den Indersdorfern erhielten auch die Seminare "Kunst als soziales Handeln - Der interkulturelle Maibaum" des Wittelsbacher Gymnasiums und der "Begehbare Ökologische Fußabdruck" von Schülern des Sankt-Ursula-Gymnasiums einen Preis. P-Seminar ist die geläufige Abkürzung für Projekt-Seminar zur Studien- und Berufsorientierung. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich dabei nicht nur Gedanken über ihre berufliche Zukunft machen, sonder auch lernen, projektbezogen zu arbeiten.

Unter das Motto "Leben nach dem Überleben" haben Gymnasiasten aus Indersdorf die Porträts von 20 Zeitzeugen gestellt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Knobloch war es besonders wichtig darauf hinzuweisen, "dass wir vor der Schwelle zu einer Zeit ohne Zeitzeugen stehen". Umso mehr begrüßte sie das Engagement der Indersdorfer Schüler. An die anwesenden Lehrer und Bildungspolitiker appellierte sie: "Wir müssen all unsere Kraft in die jungen Menschen stecken, denn sie sind unsere Zukunft." Knobloch ließ es sich nicht nehmen, den Seminarteilnehmern ein "herzliches mazal-tov" für die nächste Runde mit auf den Weg zu geben. Die drei Gewinner des Bezirks haben sich mit ihren Projekten für eine Teilnahme am bayernweiten P-Seminar-Preis qualifiziert.

Auch Marc Hilgenfeld, Geschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) im Bezirk München-Oberbayern, richtete ein paar Grußworte an die Schüler. Der Wirtschaftsverband ist einer der Sponsoren des P-Seminar-Preises. Hilgenfeld wies noch einmal auf die Bedeutungt einer frühzeitigen Berufs- und Studienorientierung hin und betonte, dass die Schüler vor einer wichtigen Phase ihres Lebens stünden.

Die Würdigung der Preisträger nahm der Ministerialbeauftragte für die Gymnasien in Oberbayern-West, Stephan Zahlhaas, vor. Bevor den Geehrten ihre Urkunden überreicht wurden, betonte Zahlhaas, dass für die Vergabe des Preises sehr strenge Kriterien gelten und nur Seminare ausgesucht wurden, die wichtige und gesellschaftlich relevante Themen behandeln.

In liebevoller Arbeit wurden die Biographien der Überlebenden auf Informationstafeln festgehalten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Mit ihrem Projekt über das Jüdische Kinderzentrum im Kloster Markt Indersdorf haben die Indersdorfer Gymnasiasten alle Richtlinien erfüllt. Zusammen mit den Urkunden erhielten sie einen Geldpreis in Höhe von 200 Euro. Die Zwölftklässler hatten sich über ein Jahr hinweg mit dem Jüdischen Kinderzentrum, das von 1946 bis 1948 im Kloster Indersdorf untergebracht war, beschäftigt. Damals diente das Kloster jüdischen Kindern und Jugendlichen als Unterkunft. Sie waren von den Erlebnissen im Krieg traumatisiert, hatten ihre Eltern und ihre Heimat verloren. Ziel des Seminars war es, "diesen besonderen Menschen und ihrer Geschichte ein Gesicht zu geben".

Also beschäftigten sich die Schüler ausführlich mit den Zeitzeugen, die nach dem Zweiten Weltkrieg Unterschlupf im Kloster Indersdorf fanden und dort betreut und versorgt wurden. "Für die Bewohner war das Jüdische Kinderzentrum eine Art Rettungsanker, der ihnen zudem die Perspektive auf ein späteres Leben in Israel bot", heißt es in dem Kurzfilm, der das Projekt der Indersdorfer Gymnasiasten zusammenfasst. Unter dem Motto "Leben nach dem Überleben" hielten die 14 Seminarteilnehmer die Lebenswege von 20 Zeitzeugen fest. Die ausführlichen Porträts, in denen die Erlebnisse der ehemaligen Bewohner des Kloster Indersdorf dokumentiert sind, sind derzeit im Janusz-Korczak- Haus in München zu sehen. Die ebenfalls bei der Preisverleihung anwesende Präsidentin der Janusz Korczak Akademie, Eva Haller, berichtete von der "außerordentlichen Resonanz", auf welche die Ausstellung gestoßen sei. "Wir haben jeden Tag Besucher, die die Ausstellung aus Indersdorf sehen wollen."

Freuen sich über ihre Auszeichnung: Die Teilnehmer des P-Seminars über die ehemaligen Bewohner des Jüdischen Kinderzentrums mit Schulleiter Thomas Höhenleitner im Jüdischen Zentrum München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Teilnehmer des Seminars zeigten sich auch sichtlich beeindruckt von den Geschichten der Zeitzeugen. "Die kurze Distanz zwischen Schule und Kloster hat die Geschichten für mich noch viel greifbarer gemacht", erklärte ein Schüler. "Wir haben gelernt, wie wichtig der Protest gegen Diskriminierung und Rassismus ist und dass es auch heute noch wichtig ist, damit weiterzumachen", sagte eine andere Teilnehmerin.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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