Langenbach/Dachau:Häuser für Generationen

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SPD-Landtagsabgeordneter Martin Güll (links) und Oberbürgermeister Florian Hartmann (re.) sind von den Massivholzbauten in Langenbach beeindruckt. (Foto: Niels P. Joergensen)

Jede Krise hat ihr Gutes: Massivholzbauten sind eine schnelle und nachhaltige Alternative zu Containerunterkünften für Flüchtlinge. Später können sie für Kindergärten oder Sozialwohnungen genutzt werden, denn sie sind extrem wandelbar

Von Anna-Sophia Lang, Langenbach/Dachau

Durch die hohen Fenster flutet Licht in den Raum. Er ist nur 15 Quadratmeter groß und wirkt doch wohnlich und einladend. Ein Geruch von frischem Holz liegt in der Luft. Er kommt nicht von ungefähr: Holz ist der Stoff, aus dem das Gebäude besteht. Massivholz, genauer gesagt. Außen ist es mit blauen und grünen Platten verkleidet. Es sieht modern aus, innovativ. Bald werden hier, am Rand der Gemeinde Langenbach im Landkreis Freising, Flüchtlinge einziehen. Ein paar Jahre später aber könnte das Gebäude ein Studentenwohnheim, eine Obdachlosenunterkunft, ein Kindergarten oder ein Haus mit Sozialwohnungen sein. Es ist ein Vorzeigeprojekt, über das bei Branchentreffen debattiert und in Immobilienzeitschriften berichtet wird. Denn die Idee dahinter hat Zukunft.

Gerade einmal vier Monate hat es gedauert, bis das Gebäude fertig war. Ein regelrechter Segen für Kommunalpolitiker, die in kürzester Zeit Hunderte Menschen unterbringen müssen, die in Bayern Schutz suchen. Anders als Container kann es aber über Jahrzehnte stehen bleiben. Es ist genau so stabil wie jedes durchschnittliche Haus aus Ziegelstein. 78 Menschen haben hier Platz, es gibt Räume für zwei Personen und für Familien. Bürgermeisterin Susanne Hoyer (Freie Wähler und CSU) ist zufrieden. Wäre es nicht zur Zusammenarbeit mit einem Investor gekommen, würde in Langenbach jetzt eine zweigeschossige Containeranlage stehen. So sprechen Bürgermeisterin, Architekt und Bauinvestor von einer menschenwürdigen Unterbringung, die Konflikte verhindert und Integration fördert.

Asylbewerberunterkunft in Massivholzbauweise in Langenbach im Landkreis Freising. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zehn Jahre läuft der Mietvertrag des Bauinvestors, der Adldinger Bauwerk GmbH aus Kranzberg, mit der Regierung von Oberbayern. Danach kann das Gebäude umgenutzt werden. Mit wenig Aufwand können Innenwände entfernt oder versetzt werden, damit größere Räume entstehen. Auch die Sanitäranlagen können ohne große Probleme an anderer Stelle installiert werden. Florian Hartmann und Martin Güll sind beeindruckt. Der Oberbürgermeister von Dachau und der Landtagsabgeordnete (beide SPD) sind gekommen, um sich das Gebäude mit eigenen Augen anzuschauen. Sie wollen wissen, ob solche Bauten auch im Landkreis Dachau entstehen könnten. Nicht nur als Flüchtlingsunterkünfte, sondern als Häuser mit Perspektive. Denn auch hier steigt die Zahl der unterzubringenden Asylbewerber, und der Druck auf den Wohnungsmarkt ist groß.

Die baulichen Voraussetzungen für eine Umnutzung bringen die Gebäude mit. Je nach Bedarf und Budget können sie aus baukastenartigen Modulen zusammengesetzt werden oder aus einzeln angefertigten Elementen. Außenwände und Decken eines Massivholzbaus bestehen aus mehreren Platten, die miteinander verklebt werden. So werden sie besonders stabil und halten großem Druck stand. Außen wird eine Dämmung aus Holzfaser angebracht. "Wie man es auch macht, man bleibt immer beim Holz", sagt Werner Polt, der eine Zimmerei in Vierkirchen betreibt und seit 1996 Häuser in Holzbauweise errichtet. Die Dachauer Architektin Carola Hain-Fischer spricht von einem "Behaglichkeitsfaktor", der mit dem Raumklima eines Containers nicht zu vergleichen ist. Das Holz kann Feuchtigkeit ausgleichen und verhindert Schimmelbildung. Gleichzeitig speichert es Wärme länger. Das spart Energie. Der ökologische Fußabdruck eines Massivholzbaus ist zudem gering, denn Holz speichert CO2. Auch beim Brandschutz sieht Polt keine Probleme. "Man müsste schon eine ganze Weile mit dem Flammenwerfer draufhalten, damit die massive Wand zu brennen beginnt."

Was nach einem neuen Konzept klingt, ist eigentlich eine uralte Idee. "Wir greifen auf etwas zurück, was es schon seit Jahrhunderten gibt", sagt Hain-Fischer, "wie bei Holzhäusern in den Alpen." Auch im Landkreis gibt es schon seit Jahren Häuser aus Massivholz. Den Pfarrkindergarten in Vierkirchen, die Erweiterungsbauten der Sparkasse und der Naturkostinsel in Dachau, sowie etliche Einfamilienhäuser.

Beispiel für Massivholzbauweise in Dachau. Den Anbau am Öko-Supermarkt Naturkostinsel hat der Dachauer Architekt Kai Kühnel auch mit einer hölzernen Bodenplatte realisiert, die Bauzeit betrug nur drei Wochen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Einziger Wermutstropfen: Ein Massivholzbau wie die Flüchtlingsunterkunft in Langenbach ist nicht ganz billig. Bauinvestor Andreas Adldinger beziffert die Kosten auf "grob zwei Millionen". Eine Modellrechnung der Firma Merk für eine Flüchtlingsunterkunft mit 96 Personen geht von 2,7 Millionen Euro aus, rund 29 000 Euro pro Bewohner. Je nach angestrebter Qualität kann sich diese Summe auch erhöhen. Rechnet man sie auf mehrere Jahrzehnte, relativiert sie sich. Die Kosten für Container sind derweil in den vergangenen Monaten massiv gestiegen. 30 Prozent mehr als noch vor 18 Monaten müsse man für Mietcontainer bezahlen, berichtet Wolfgang Reichelt, Sprecher der Behörde. Inzwischen dauert es statt vier bis sechs Wochen fünf bis sechs Monate, bis die Container geliefert werden. Eine Zeitspanne, in der ein Holzbau schon längst errichtet wäre, Perspektive zur Nachnutzung inklusive. Die braucht ein Investor wie Adldinger auch. Würde das Gebäude nur zehn Jahre stehen, sagt er, würde sich die Investition nicht lohnen. Deshalb war die langfristige Nutzung von Anfang an Teil der Verhandlungen mit der Gemeinde. In Adldingers Augen eine Win-Win-Situation.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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