Karlsfeld:Meister der Integration

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500 Flüchtlinge sollen Ende September in Karlsfeld ankommen. Die Bürger scheinen sich darauf zu freuen. Der Andrang bei der Bildung eines Helferkreises ist groß.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Der Hausmeister steigt auf einen Stuhl und ruft in die Menge, man möge doch bitte mal kurz zuhören, es sei wichtig. Die Leute sollten keine Tische umstellen, sonst seien die Fluchtwege versperrt, und wenn dann was passiere - Sie verstehen schon, danke. Mit so viel Andrang hat wohl kaum einer im Bürgerhaus gerechnet. Trotz Ferienzeit sind 143 Karlsfelder am Donnerstagabend gekommen um einen Helferkreis für die Flüchtlinge zu gründen, die Ende des Monats in der Gemeinde erwartet werden.

Auf dem Podium sitzen die Asylkoordinatorin vom Landratsamt, Isabell Sittner, und Christine Torgehele-Rüf von der Beratungsstelle für Asylbewerber der Caritas; zu ihrer Linken der Gastgeber Stefan Handl (CSU). Eigentlich ist er nur Ferienbürgermeister, solange Stefan Kolbe im Urlaub weilt. Es ist ein großer Moment, der auch einen nüchtern konfigurierten Kommunalpolitiker wie Handl rhetorisch beflügelt. "Das ist ein wunderbares Zeichen der Solidarität und der Nächstenliebe", sagt er. "Ein ganz tolles Signal, das die Gemeinde Karlsfeld aussendet." Und auch Landrat Stefan Löwl, der später als Zaungast vorbeigeschneit kommt, staunt und freut sich, wie viele mitmachen wollen. "Sie sehen mich überwältigt", ruft er den Karlsfeldern zu.

Ein bisschen überwältigen mussten die Karlsfelder auch ihre politisch Verantwortlichen. Eigentlich wollte Rathauschef Kolbe mit der Gründung des Helferkreises noch abwarten, bis nach seinem Urlaub. Aber die Ungeduld der Helfer ist groß, sie wollen ihre Sache gut machen, ein bisschen Vorlauf kann da nicht schaden. Stefan Handl hat dem Druck nachgegeben. "Auf Wunsch der Teilnehmer wurde der Termin deutlich nach vorne verschoben."

Karlsfeld wartet nur darauf helfen zu können

In anderen Gemeinden sind die Flüchtlinge längst da, selbst in den kleinen Hinterlandgemeinden wie Hilgertshausen-Tandern, das 43-Einwohnerdorf Schmarnzell bei Altomünster hat auch schon 24 aufgenommen. Nur in Karlsfeld ist nichts passiert. Schon vor zwei Jahren hat die Gemeinde ein Grundstück für den Bau eines Flüchtlingsdorfs bereitgestellt, immer wieder haben Bürger nachgefragt, wann es denn jetzt so weit sei. Auch Bürgermeister Kolbe hat sich bei den staatlichen Stellen regelmäßig erkundigt. Und wurde Zeuge eines unwürdigen Behördenhickhacks um Finanzierungsfragen. Das hat den Rathauschef ziemlich verärgert. Karlsfeld will helfen. Und dann so was.

Jetzt kommt der ganz große Schwung. 300 Flüchtlinge sollen bis Ende des Monats in einer Traglufthalle im Gewerbegebiet untergebracht werden, knapp 200 in Häusern am Heizkraftwerk, die in Holzständerbauweise errichtet werden. "Der Sachstand ist immer noch unverändert", teilt Stefan Handl mit. Man weiß ja nie. Die Entwicklung verläuft chaotisch. Landrat Löwl hat seinen Taschencomputer dabei mit den Flüchtlingszahlen. Karlsfeld nimmt jetzt so viele auf, dass danach erst mal wieder andere Gemeinden dran sind.

Welche Flüchtlinge nach Karlsfeld kommen, ist noch unklar. Offenbar werden einige aus der Berufsschule Dachau und aus Petershausen in die Traglufthalle umquartiert, hauptsächlich junge, alleinstehende Männer. Der Standort am Heizkraftwerk ist auch für Familien mit Kindern vorgesehen. Hier gibt es mehr Privatsphäre.

Den Papierkram erledigt die Caritas

"Ich bin sicher, dass wir die Aufgabe sehr gut bewältigen können", sagt Bürgermeister Handl. Aber ohne die Karlsfelder geht das nicht. "Für den Alltag sind Sie überlebenswichtig", sagt Christine Torgehele-Rüf von der Caritas zu den Helfern. Jemand muss die Flüchtlinge zum Arzt begleiten, muss ihnen helfen, sich in der neuen Gesellschaft zu orientieren und Anschluss zu finden. Den Papierkram erledigt die Caritas, aber es bleiben immer noch genug Aufgaben für die sechs Arbeitsgruppen dieses umfangreichen Helferkreises. Die Gemeinde stellt einen Container am Bauhof mit Regalen zur Verfügung, um Sachspenden unterzubringen. "Wir werden tun, was wir im Rahmen unserer Möglichkeiten tun können", verspricht Handl, sagt aber auch, dass die Möglichkeiten begrenzt seien.

Leicht verspätet trifft ein weiterer Helfer ein, elegant gekleidet mit Krawatte. "Ich bin Ägypter", sagt er ohne Umschweife. "Ich kann Arabisch." Nun erweist es sich als Glücksfall, dass Karlsfelds Bevölkerung so bunt gemischt ist. Rund 20 Prozent Ausländeranteil sind jetzt ein Trumpf: Viele sind geborene Integrationsexperten. Den beschwerlichen Weg in eine deutsche Normalität sind sie selbst schon einmal gegangen.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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