Dachau:Versteckte Armut

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Die Dachauer Tafel versorgt etwa 350 Familien mit Lebensmitteln. Besonders jüngere Menschen, Alleinerziehende und ausländische Mitbürger nehmen die Hilfe in Anspruch - bedürftige Rentner sind jedoch zu stolz dafür

Rudi Kanamüller

Der Betrag, den die Betroffenen bezahlen müssen, hat eher symbolischen Charakter: einen Euro. Dafür gibt es, je nach Anzahl der registrierten Familienmitglieder, einmal pro Woche Lebensmittel, Obst und Gemüse, das Mitarbeiter bei Firmen, Betrieben und Lebensmittelketten sammeln. Die Rede ist von der Dachauer Tafel.

350 bedürftige Dachauer Familien, die bei der Tafel registriert sind und ihre Bedürftigkeit nachgewiesen haben, profitieren derzeit von der Dachauer Tafel, deren Mitarbeiter sich ehrenamtlich engagieren. Noch reicht das Spendenaufkommen, sagt die Leiterin der Dachauer Tafel, Edda Drittenpreis, um die Menschen zu versorgen, "aber die Spenden werden weniger". Eine Folge allgemeiner Sparzwänge. "Die Betriebe schauen verstärkt darauf, dass nicht mehr soviel weggeworfen oder aussortiert wird."

Hauptsächlich, so Edda Drittenpreis, würden die Leistungen der Dachauer Tafel, die ihren Standort in der Dachauer Brunngartenstraße 5 hat, derzeit vor allem von jüngeren Hilfebedürftigen, alleinerziehenden Müttern und ausländischen Mitbürgern in Anspruch genommen. Und darin drückt sich gleichzeitig auch ein Problem aus, das von Edda Drittenpreis und ihren Mitarbeitern verstärkt registriert wird. "Die Leute, die wir eigentlich zusätzlich erreichen möchten, erreichen wir nicht." Die Leute, das sind vor allem ältere Mitbürger, Menschen mit ganz kleiner Rente, die in ihrem Leben schon häufiger schwere Zeiten durchgemacht haben. Sie kommen nicht oder nur kaum zur Tafel. "Denn viele", so vermutet Edda Drittenpreis, "sind einfach zu stolz. Die essen lieber eine Woche lang nur Kartoffeln."

Bei ihrer Arbeit macht Edda Drittenpreis allerdings auch ernüchternde Erfahrungen. Das Wort "danke" oder "bitte" ist selten zu hören. Im Gegenteil, so Drittenpreis, die Leute werden immer fordernder.

Verallgemeinern aber will sie diesen Eindruck nicht: "80 Prozent der Menschen, die zur Tafel kommen, sind in Ordnung." Edda Drittenpreis und ihre Mitarbeiter, die jeden Mittwoch von sieben Uhr früh bis abends um 21 Uhr in den Räumen der Tafel in der Brunngartenstraße stehen und Lebensmittel, Obst und Gemüse verteilen, haben einen Grundsatz. So soll nicht nur die Ware für den Kunden auch optisch gut aussehen. Die Leute können auch Wünsche äußern und sagen, was sie wollen. Der Spaß endet für Edda Drittenpreis allerdings, wenn "unverschämte Forderungen" gestellt werden. Und noch etwas: "Auch der, der ganz spät und kurz vor Schluss zur Tafel kommt, bekommt noch was Gescheites und steht nicht vor leeren Regalen."

Es ist aber nicht nur die Ausgabe von Lebensmitteln an Bedürftige, mit der die Tafel hilft, Not zu lindern. Zwei Dachauer Friseure, so Edda Drittenpreis, schneiden für die Tafel jede Woche kostenlos Haare. Die Arbeit wird in den Salons von Friseurlehrlingen übernommen - allerdings unter Aufsicht eines Meisters oder Meisterin, der darauf achtet, dass beim Schnitt nichts schief geht. Tafel-Kunden erhalten dafür einen Gutschein, den sie dann im Salon vorlegen müssen.

Hundert Mitarbeiter helfen derzeit beim Abholen, Verpacken und Putzen des Gemüses sowie beim Einräumen und bei der Vergabe der Lebensmittel. Zwei Kühlautos sind dafür Montag, Dienstag und Mittwoch unterwegs in München und im gesamten Landkreis, um Waren abzuholen. Unter den Tafel-Mitarbeitern ist dabei hin und wieder jemand, dessen Job eigentlich die Politik ist. CSU-Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath, seit kurzem auch BRK-Kreisvorsitzender, hat nun bereits zum dritten Mal mitgeholfen, Lebensmittel abzuholen und zu verteilen. Sein Eindruck von der ehrenamtlichen Arbeit: "Es ist beeindruckend, was dort geleistet wird. Außerdem ist es ein tolles Gemeinschaftserlebnis." Die Mitarbeiter der Tafel haben im vergangenen Jahr 22 900 Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet. Ganz ohne Bezahlung, wie Edda Drittenpreis sagt, die eigentlich nur vorübergehend die Geschäfte der Tafel leiten wollte. Das "vorübergehend" war vor zwölf Jahren.

© SZ vom 27.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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