CSU-Kreisversammlung:Die Supermacht

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Derzeit wirkt die CSU im Landkreis so allgewaltig, dass die Parteiführung dem Eindruck entgegenzuwirken versucht, die Wahl sei schon gewonnen. Am Samstag verabschiedete sie ihr Programm - natürlich einstimmig.

Von Viktoria Großmann

Bei der Kreisdelegiertenversammlung der CSU im Theatersaal des ASV Dachau durfte Landratskandidat Stefan Löwl (rechts) natürlich nicht fehlen. (Foto: Toni Heigl)

Bedeutet "nachhaltig" dasselbe wie "im Einklang mit der Natur", ist "bäuerlich" dasselbe wie "heimisch"? Und was hat eigentlich der Kreistag mit der Bodennutzung zu tun? Die CSU im Landkreis Dachau hat am Samstagvormittag ihr Wahlprogramm verabschiedet. Es ist umfangreich - vereinnahmend beinahe, denn es lässt politischen Gegnern kaum einen Punkt übrig. Der Nachwuchs der CSU in Gestalt von Julia Grote fand die "gefühlten 45 Punkte" auf dem zweiseitigen Programm, denn auch "unübersichtlich". In Wahrheit sind es 38 Unterpunkte unter den sechs Schwerpunkten Familie, Heimat, Verkehr, Bildung, Umwelt und Wirtschaft. Den Bürgern auf der Straße will man aber nur ein knappes Infoblatt mit etwa drei Stichpunkten in die Hand drücken, beruhigte der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath die JU-Ortsvorsitzende.

Somit bekommt der normal interessierte Bürger keine Gelegenheit, darüber nachzudenken, warum die Kreis-CSU unbedingt die "Landwirtschaft bei einer nachhaltigen Bodennutzung im Einklang mit der Natur" unterstützen will. Die berechtigte Nachfrage aus den Reihen der im Theatersaal des ASV Dachau versammelten Mitglieder, was der Kreistag eigentlich damit zu tun habe, wurde von Seidenath abgebügelt: Es gebe da baurechtliche Fragen, und überhaupt gehe es doch um eine wohlwollende Stimmung. Kreisbäuerin Emmi Westermeier wollte trotzdem wissen, was das Wahlkampfkomitee sich bei der Formulierung gedacht habe. "Das machen wir doch schon", sagte sie. Schließlich einigten sich die CSUler auf eine Unterstützung "bäuerlicher und nachhaltiger Landwirtschaft". Wie eine Landwirtschaft ohne Bauern aussehen sollte, wurde nicht erklärt.

Wenn also die Bauern im Programm ausdrücklich erwähnt sind, sollten es Handwerker und Mittelständler auch sein. Auf Antrag mussten diese noch in den Punkt Wirtschaftsförderung eingefügt werden. Der Breitband-Internetanschluss wurde als "Grundbedürfnis aller Menschen" definiert. Den Bau einer Berufsschule wollten sich die Kreisabgeordneten jedoch nicht ins Programm schreiben. Schließlich wolle man keine Absichtserklärung verfassen, sondern im Programm Dinge ansprechen "die wir umsetzen können", sagte Tobias Stephan. Der stellvertretende Kreisvorsitzende bedankte sich schließlich für "die engagierte Diskussion". Trotz der 40-minütigen Kontroverse verabschiedeten die CSU-Mitglieder ihr Programm für die Kreistagswahl am 16. März schließlich einstimmig.

Zuvor waren sie auch in drei Reden eindringlich daran erinnert worden, dass die Wahl längst nicht gewonnen ist. So empfindet Bernhard Seidenath es offenbar als besonders heimtückische Finte der anderen Parteien, der CSU einzureden, sie könne sich bereits zurücklehnen. Im Landtag ist eben immer Kampf. Ein Kreistag hingegen sei ein "kollegiales Verwaltungsorgan", erklärte Wolfgang Offenbeck, Vorsitzender der CSU-Kreistagsfraktion nüchtern. "Der Begriff Opposition ist hier ein Denkfehler. Ein Kreistag ist kein Parlament, sondern ein Verwaltungsorgan." Somit ist dann wohl auch der "sehr geordnete Haushalt", den Landrat Hansjörg Christmann nach 37 Jahren hinterlässt, nicht nur ein Verdienst der 28 CSU-Mitglieder im Kreistag. Die Rücklagen seien deutlich gestärkt worden, sagte Christmann, die Schulden konnten auf 20 Millionen Euro zurückgeführt werden; im Jahr 2000 habe die Summe noch bei 68 Millionen Euro gelegen. Das liege auch an der Teilprivatisierung der Kliniken. Die medizinische Versorgung im Landkreis sei heute, ganz anders als zu Beginn seiner Amtszeit vor 37 Jahren, vorbildlich. Das sei zugleich "ein großes Vermächtnis und eine große Herausforderung, die Mut zu politischen Entscheidungen" erfordere. Könnte der Ausbau der Linie A wie geplant im April beginnen, wäre dies wohl die Krönung von Christmanns Amtszeit. Die anhaltenden Verhandlungen zwischen Bahn und Grundstückseignern sieht er mit Sorge. Die Bürokratie sei hier eine hohe Hürde, sagte der 66-Jährige und klang sehr erleichtert, das Thema Entbürokratisierung bald abgeben zu können.

Landratskandidat Stefan Löwl, gerade 40 Jahre alt geworden, gab sich Mühe, eine umso dynamischere Stimmung zu verbreiten. Sein Auto hat der Jurist mit einem stilisierten Löwen verziert, seine Facebook-Seite hat die Adresse "lr4dh.de", also "Landrat for Dachau". Das deutsche "für" ist für solche Sprachexperimente nicht biegsam genug. Löwl hat einen selbstverständlich vollen Wahlkampfterminkalender: Zwei Staatsminister, Gesundheitsministerin Melanie Huml und Umweltminister Marcel Huber, werden den Landkreis besuchen. Staatssekretär Georg Eisenreich ist zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Bildung in Hebertshausen eingeladen. Löwl setzt eben auf "interkommunale Zusammenarbeit und politische Vernetzung". Das klingt etwas umständlich, und vielleicht schob Löwl in seiner Rede deshalb sofort hinterher, dass er nicht nur Politik machen, sondern "für den Menschen da sein wolle", etwa beim Schafkopfrennen im Freudenhaus in Kleinberghofen.

© SZ vom 27.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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