Aufwind für die Genossen:Mitgerissen vom Schulz-Effekt

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Die SPD Fürstenfeldbruck und Dachau zelebrieren in Olching den Wahlkampfauftakt ihres Bundestagskandidaten Michael Schrodi. Der will seiner Linie treu bleiben und vom Umfragehoch der Sozialdemokraten profitieren

Von Erich C. Setzwein, Olching

Es muss mit dieser Partei schon etwas passiert sein, wenn am Ende der Veranstaltung in Olching 80 gestandene Sozialdemokraten aus dem Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck aufstehen und "We shall overcome" singen. Die mit den Jahren in sich gekehrte und launische SPD, von der sich die Wähler abgewandt haben, ist so euphorisiert, dass sie die Hymne der US-Bürgerrechtsbewegung anstimmt. Diese SPD ist martinisiert. Der Schulz-Effekt, er ist am Dienstagabend auch in der Kulturwerkstatt am Olchinger Mühlbach (Kom) zu spüren, und zwar so heftig, dass es die Genossen von den Sitzen reißt. Dabei haben die einfachen SPD-Mitglieder ebenso wie die zahlreichen zur Unterstützung des Kandidaten eingeladenen Funktionäre und Mandatsträger eigentlich nur den Beginn des Bundestagswahlkampfes von Michael Schrodi erlebt.

Früher wäre es eine Routineangelegenheit gewesen, dass die Sozialdemokraten in den Landkreisen Fürstenfeldbruck und Dachau eine Kandidatin oder einen Kandidaten in den Wahlkampf schicken, der schon da wusste, dass er gegen die Kandidatin von der CSU kaum etwas würde ausrichten können. Doch bei der erneuten Kandidatur von Michael Schrodi für den Bundestag ist die Situation anders. Gerda Hasselfeldt hat ihren Job für die CSU in Berlin getan und wird nicht länger das Direktmandat im Wahlkreis behalten. Die Chancen scheinen nun für alle Bewerber gleich zu sein. Hinzu kommt der kräftige Aufwind, den die Kandidatur von Martin Schulz ausgelöst hat. Beides mag bewirkt haben, dass sich die Dachauer und die Fürstenfeldbrucker SPD näher gekommen sind, dass sie gemeinsam in diesen Wahlkampf ziehen wollen.

Die private Seite des Kommunalpolitikers

Die neue Gemeinsamkeit hat in Olching zwei junge Gesichter: Anja Güll, Kreisrätin der SPD aus Hilgertshausen-Tandern und Tochter des Landtagsabgeordneten Martin Güll, und Philipp Heimerl, der am 7. Mai Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Fürstenfeldbruck werden möchte. Darin unterstützt ihn der Dachauer OB Florian Hartmann, um, wie er bekannte, "endlich den Titel Jüngster Oberbürgermeister Bayerns loszukriegen".

Güll und Heimerl moderieren die Wahlkampfshow für Michael Schrodi, sie verlangen von den Landtagsabgeordneten Kathrin Sonnenholzner und Martin Güll sowie den Bürgermeistern Norbert Seidl (Puchheim), Hartmann (Dachau) und Harald Dirlenbach (Vierkirchen) Testimonials für Schrodi. Die Politiker tun ihnen den Gefallen und loben die guten Eigenschaften des Bewerbers und geben Tipps. Zwischendrin singt Florian Ernst Kirner alias Prinz Chaos II. seine Lieder über "alte Häuser" und den "Egelhofer Rudi", den Anführer der Roten Armee in der Münchner Räterepublik. Später wird der in roter Uniformjacke gewandete Kirner den Kandidaten ausfragen und dabei die private Seite des Kommunalpolitikers, Fußballspielers, Sechziger-Fans und Familienvaters beleuchten.

Es ist eine kurzweilige Show samt Videoclips, welche die SPD in Olching ablaufen lässt, begleitet von Tweets und Posts in den sozialen Medien - ob von den Jusos, Philipp Heimerl oder Norbert Seidl, und in der Schrodi knapp 15 Minuten lang Zeit hat, seine beiden Hauptthemen des Wahlkampfs zu skizzieren. Auch Schrodi zeigt sich von Schulzes Wahlkampfwind mitgerissen und stellt seine eigene Kampagne unter ein Zitat von Ferdinand Lassalle, der im 19. Jahrhundert Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins war.

"Ein Teil der Menschen profitiert nicht mehr und wird vom Aufschwung abgehängt"

"Aussprechen, was ist" möchte Schrodi so wie der frühe Sozialist Lassalle das, was er für wichtig hält: soziale Gerechtigkeit herstellen und in die Zukunft investieren bei Bildung, Wohnungsbau und Staat. Schrodi wiederholt in Olching, was Schulz wenige Tage zuvor in Berlin bei seiner Kandidatur als SPD-Parteivorsitzender und SPD-Kanzlerkandidat geäußert hat. Er sagt: "Ein Teil der Menschen profitiert nicht mehr und wird vom Aufschwung abgehängt." Schrodi erläutert, wen er damit meint: die Mittelschicht, die es sich nicht mehr leisten könne, in Dachau, Karlsfeld oder Fürstenfeldbruck, Germering und Puchheim zu leben.

Er kreidet der CSU an, nichts für den sozialen Wohnungsbau getan zu haben und hebt sein jahrelanges Bemühen in der Kreispolitik um die Schaffung von erschwinglichem Wohnraum hervor. Wie Schulz will auch Schrodi gleichen Lohn für gleiche Arbeit und vor allem gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Er will "die Stärkung der gesetzlichen Rente" und flexible Altersgrenzen beim Renteneintritt. "Manche können nicht bis 67 arbeiten." Damit will er nur die kleinen Korrekturen an der von der großen Koalition fortgesetzten Agenda 2010, die einst unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder erdacht wurde.

Schrodi bleibt seiner Linie treu, er stemmt sich gegen rechts. Sozialer Zusammenhalt und solidarisches Handeln seien die besten Argumente gegen die Tendenzen. "Überall dort, wo die AfD ihre antidemokratischen Programme zu verbreiten versucht: kein Fußbreit diesen Hetzern."

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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