Brexit:Ois not so easy

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Irgendwie optimistisch bleiben, auch wenn man nachdenklicher wird: Emma Jones fand das Leben als Britin in München bisher recht unproblematisch. Nun ändert sich vieles. (Foto: Robert Haas)
  • Für die etwa 6200 Briten, die in München leben und arbeiten, stehen im Zuge des Brexits viele Privilegien auf dem Spiel.
  • Sobald der Brexit vollzogen ist - in etwa zwei Jahren also - dürften die deutschen Ausländerbehörden Menschen mit einem britischen Pass behandeln wie Bürger aus einem sogenannten Drittstaat.
  • Bei der Ausländerbehörde in München geht man aber davon aus, dass es für Briten, die schon länger in Deutschland arbeiten, Übergangsregelungen geben wird.

Von Helena Ott

Matthew Cutmore hat einen sicheren Job und eine feste Bleibe in München, doch wo er in zwei Jahren leben und arbeiten wird, weiß er nicht. Das liegt auch an seiner Familie. Wie 17 Millionen andere Briten haben einige seiner Verwandten vor neun Monaten für den Brexit gestimmt - und damit gegen seine Freizügigkeit.

Der 36-jährige Brite arbeitet schon seit 20 Jahren bei der BMW Group in Oxford und war erst in der Entwicklungsabteilung für neue Rover-Modelle und später Minis tätig. Schon in der Schule hat er fünf Jahre Deutsch gelernt. Vergangenen September ging sein Wunsch in Erfüllung: BMW hatte eine Stelle für zwei Jahre in München für ihn. Nun hofft er, dass sein Vertrag als Ingenieur in Deutschland verlängert wird. Die Chancen stehen gut, das Projekt, an dem er arbeitet, wird in zwei Jahren noch nicht abgeschlossen sein. Einmal im Monat pendelt er zwischen Oxford und München. "Der Gedanke, mich am Flughafen an der langen Schlange der Nicht-EU-Bürger anzustellen, gefällt mir gar nicht", sagt Cutmore.

Aber er wird sich wohl an ihn gewöhnen müssen: An diesem Mittwoch wird die britische Regierung die EU offiziell über ihren Austrittswunsch unterrichten. Für Matthew Cutmore und rund 6200 andere Briten, die in München leben und arbeiten, stehen etliche Privilegien auf dem Spiel. Obwohl er es bisher nicht anders kannte, wird Cutmore nach dem Brexit nicht mehr ohne Pass durch die EU reisen und sich frei einen Arbeitsplatz in einem anderen EU-Staat suchen können.

Als der BMW-Ingenieur nach Deutschland kam, war alles ganz einfach: Wie bei einem Umzug von Hamburg nach München musste er sich nur beim Einwohnermeldeamt registrieren. Der britische Reisepass genügte. Künftig aber dürften die deutschen Ausländerbehörden Menschen mit einem britischen Pass behandeln wie Bürger aus einem sogenannten Drittstaat. Anders als Unionsbürger müssen sie dann ein Arbeitsvisum beantragen und bekommen zunächst nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Diese gibt es nur, wenn für den Arbeitsplatz kein Arbeitnehmer aus Deutschland oder einem anderen EU-Staat zur Verfügung steht.

Auch der Schotte Jamie Ferguson will es noch nicht fassen, dass ein "harter Brexit" seine Pläne durchkreuzen kann. Vor sechs Jahren ist er zu seiner Freundin nach München gezogen, arbeitet als Anglistik-Dozent an der Ludwig-Maximilians-Universität und hat hier viele Freunde gefunden. Seine schottischen Landsleute haben mit 62 Prozent für den Verbleib in der EU gestimmt. Ein schwacher Trost für Ferguson. "Es ist sehr schwer, weil wir überhaupt nicht wissen, was jetzt passiert." Zurück nach Großbritannien zu gehen, kommt für ihn nicht infrage: "Ich habe wirklich keine Lust in ein Land zurückzukehren, in dem meine Freundin nicht willkommen ist", sagt der Schotte und spielt auf die wachsende Fremdenfeindlichkeit seit dem Brexit-Votum an.

Jamie Ferguson ist Schotte und Anglistik-Dozent an der LMU. (Foto: Florian Peljak)

Nun hofft der 32-Jährige, dass zumindest Briten wie er, die schon länger in Deutschland leben, ohne größere Probleme ein Arbeitsvisum bekommen. Davon geht auch Gerhard Scholz, Mitarbeiter der Ausländerbehörde München, aus: "Es wird hier wohl Übergangsregelungen geben." Hinweise darauf, wie seine Behörde britische Anträge nach dem Brexit behandeln soll, hat er nach eigener Aussage aber noch nicht. "Dazu muss sich in der Politik erst noch jemand Gedanken machen."

Jamie Ferguson hat Glück: Nach fünf Jahren bekommen EU-Bürger automatisch eine Daueraufenthaltsgenehmigung in Deutschland. Doch Briten wie Matthew Cutmore, die noch keine fünf Jahre hier leben, bringt dieses Privileg nichts mehr. Er muss künftig auf ein Arbeitsvisum hoffen.

Für Emma Jones, Kursleiterin bei der Münchner Volkshochschule, war klar, dass sie ihre Zukunftspläne vor dem Brexit schützen muss: "Mein Mann und ich fühlen uns in München sehr wohl und können uns vorstellen, bis zur Rente hier zu bleiben", sagt die 45-Jährige. Schon im Januar 2016, als klar war, dass es zu einem Referendum kommt, suchten die Britin und ihr Mann alle Unterlagen zusammen und meldeten sich zum Einbürgerungstest an. Acht Jahre muss man dazu in Deutschland gelebt haben. Es hat geklappt. Rechtzeitig vor dem Start der Austrittsverhandlungen konnte sie sich die deutsche Staatsbürgerschaft sichern. Sie weiß jedoch von Freunden, die jetzt ein volles Jahr warten müssen, bis die Münchner Einbürgerungsbehörde über ihre Anträge entscheidet.

Dass es lange Wartezeiten gibt, bestätigt auch Barbara Okelmann, stellvertretende Leiterin der Einbürgerungsbehörde München. Sie fügt hinzu: "Wir informieren britische Bürger, die jetzt einen Antrag stellen, dass wir nach dem Brexit nicht garantieren können, dass sie bei der Einbürgerung beide Staatsangehörigkeiten behalten können." Emma Jones ist stolz. Sie betrifft dieser Vorbehalt nicht mehr. "Für mich war es sehr wichtig, meinen britischen Pass zu behalten."

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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