Berg am Laim:Manhattan hinterm Ostbahnhof

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Das Werksviertel hinter dem Ostbahnhof soll ein Quartier mit Wohnungen, Lofts und Raum für kreative Köpfe werden. Doch es wird nicht alles neu: Der bunte Charakter des Areals mit Graffitikunst und alten Fabrikhallen soll erhalten bleiben.

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Die spektakulärste Baustelle ist die von Werk 3, das in der Kunstpark- und Kultfabrik-Phase Künstler und die Galerie White Box beherbergte: Nur noch das Skelett der früheren Pfanniknödel-Fabrik ist geblieben. Das Industrie-Gebäude, das einst in vier Phasen entstanden ist, soll einen fünften Teil und einen Aufbau bekommen und laut Werbung zum "Herzstück und Impulsgeber" des neuen Werksviertels werden, das hinter dem Ostbahnhof entsteht. Viel Platz steht bereit für hippe Läden, Flagshipstores, Kreative, eine museale Nutzung oder Gastronomen. Auf der Rückseite des Baus, zum künftigen Quartiersplatz hin, wird ein Vordach geplante Straßencafés schützen.

Bei dem Werksviertel-Projekt ist einiges in Bewegung. Es tut sich was auf verschiedenen Ebenen und planerisch werden derzeit Pflöcke eingeschlagen. Der Text für den Satzungsbeschluss des Bebauungsplans macht die Runde durch die städtischen Referate. Die nächste Bürgerbeteiligungsphase ist geplant. Dies alles ist Grund genug für Robert Kulzer (SPD), den Bezirksausschuss-Vorsitzenden von Berg am Laim, die Bürger wieder zu einer Information über die neuesten Entwicklungen hinterm Ostbahnhof einzuladen.

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Über das Stadium des Strukturplans ist das 38 Hektar große Werksviertel, in dem acht Eigentümer gemeinsam für die Zukunft planen, längst hinaus: Wenn alles ideal läuft, wird der Stadtrat in einem Jahr den Satzungsbeschluss fassen. 2016 kann dann mit Neubauten begonnen werden. Die Pläne dafür werden gerade erarbeitet. Einige der Gebäude werden stehen bleiben und künftig neu genutzt: Sie wurden oder werden derzeit umgebaut oder saniert.

Ein unverwechselbares Flair

Die "Kantine" etwa mit ihrem Biergarten, das alte Pfanni-"Technikum" als Veranstaltungsort, die Tonhalle, das Gründerzentrum in der früheren Hauptverwaltung, der hohe Fabrikschornstein als Mittelpunkt eines 20 000 Quadratmeter großen Quartiersparks: Das alles soll bleiben und dem Viertel ein unverwechselbares Flair geben, sagt Johannes Ernst. Der Architekt vom Büro Steidle Architekten hat sich gerade wieder im Urlaub in New York Anregungen geholt und zeigt Fotos von "urban gardening" auf Hausdächern: Der Stadtteil Chelsea, an Manhattans Westseite gelegen, soll im Werksviertel Vorbild sein: Grün wird oben auch das Werk 3. Ernst und Kulturfabrik-Eigentümer Werner Eckart träumen sogar von kleinen, robusten Schafen auf dem Dach.

Da haben sich zwei getroffen, die sich ergänzen. Er sei froh, sagt Ernst, dass Eckart "ein bisschen im positiven Sinne verrückt" sei und ein offenes, lebendiges Viertel bauen wolle; ein Viertel für alle Schichten, mit Nobelhotel genauso wie mit Jugendherberge, mit billigen Imbissen und teuren Restaurants, mit Sozialwohnungen und schicken Etagen im Wohnturm, mit urbanen Neubauten und Erhaltenem - das aber nicht "konserviert" werde, sondern weiterentwickelt. Den bunten Charme mit gesprühten Kunstwerken müsse man nicht opfern, auch wenn einige alte Gebäude wie die frühere Flohmarkthalle fallen: "Man muss nur konsequenterweise auch auf den Neubauten Graffiti zulassen", rät Ernst.

Der Planer zeigt erste Zeichnungen von geplanten Neubauten wie etwa Werk 12. Ausgewählte Architekten hat er dem Eigentümer empfohlen für diese neue, lebendige Mischung von Büros und Lofts, Sport und Einzelhandel unter einem Dach. Ernst freut sich auch, dass der Gastro-Großhandel Hamberger hinterm Ostbahnhof bleiben wird. Das bringe zwar jede Menge Verkehrsprobleme, aber dafür ein vielfältiges Publikum. "Wenn wir alle Probleme eliminieren, haben wir ein im schlechten Sinne problemloses Viertel", lautet sein Credo. Hamberger dürfe sogar nach hinten erweitern. Der Flachbau sei willkommen, denn dann werde der Schulhof der vierzügigen Grundschule nicht verschattet. Das Schulgelände soll städtebaulich kein Fremdkörper sein: Geplant werde ein kompaktes Bauwerk wie einst der Münchner Baumeister Theodor Fischer es vormachte, sagt Ernst, - mit unten integrierter Turnhalle.

Fast ein neuer Stadtteil

Weil die Stadt diese Schule vorgesehen hat, dürfen nun auch mehr Wohnungen im und auch ums Werksviertel entstehen, wie etwa neben der Feuerwache an der Ampfingstraße. Die Bewohner sollen alles vorfinden: Geschäfte und Kitas, Grün, Sport- und Kultureinrichtungen.

Das Werksviertel ist mehr als die heutige Kultfabrik. An der Rosenheimer Straße entlang stehen bereits erste Neubauten wie der des Oldenbourg-Verlags, der vorab genehmigt wurde. Auf den Flächen des Optimolgeländes werden auch die letzten Amüsierbetriebe irgendwann Neubauten weichen, insgesamt soll es in dem Areal einmal nicht nur 3000 Neubürger, sondern auch 7000 Arbeitsplätze geben. Ein Großteil wird beim Technologiekonzern Rhode & Schwarz arbeiten. Das Unternehmen hat Grundstücke für ein neues Technologiezentrum für den Eigenbedarf, geplant von RKW-Architekten, mit dem 2015 begonnen werden soll. Es besitzt aber auch die Flächen nördlich der Grafinger Straße, an denen heute ein Rewe-Markt und eine Autofirma stehen. Auch für diesen Bereich gibt es Neubaupläne, die dem Berg am Laimer BA gut gefallen haben: Um einen Platz sollen ein Supermarkt, weitere Läden und ein Hotel gruppiert werden und quer oben auf diesen Immobilien ein Gebäudekörper, in dem eine neue "Boulderwelt" Platz finden könnte. Dieses vom Büro Chapman Taylor geplante "Plaza-Projekt" soll 2016 realisiert werden, so Unternehmenssprecher Johannes Marx.

Treffpunkt zu dem vom BA organisierten Rundgang ist am heutigen Freitag, 12. September, 17 Uhr, im Werksviertel-Forum im ECK-Haus, Grafinger Straße 2. Johannes Ernst von Steidle-Architekten, der den Masterplan entwickelt hat, wird die neuesten Entwicklungen vorstellen.

© SZ vom 12.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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