Beerdigung:Hildegard Hamm-Brücher: Immer noch ein Teil der Familie

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Zu der Trauerfeier kamen 500 Gäste, die Beerdigung fand dann im Kreis der Familie statt. (Foto: dpa)

Bei der Trauerfeier würdigen die Liberalen die frühere Politikerin als eine von ihnen. Dabei war sie vor 14 Jahren aus der FDP ausgetreten - ein Schritt, den sie womöglich wieder rückgängig machen wollte.

Von Frank Müller

Und wenn sie nicht gestorben wäre, so beginnt dieses kleine liberale Weihnachtsmärchen, dann wäre Hildegard Hamm-Brücher jetzt vielleicht wieder in der FDP. In genau jener FDP, die die frühere Ikone der Liberalen im Jahr 2002 wutentbrannt verlassen hatte, aus Verärgerung über Parteivize Jürgen Möllemann und dessen Flirt mit dem Antisemitismus.

Aber der Reihe nach. An diesem Montag gibt es für Hildegard Hamm-Brücher in der Lukaskirche eine große, würdige Trauerfeier, wie sie einer Münchner Ehrenbürgerin angemessen ist. FDP-Prominenz von Parteichef Christian Lindner über Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bis zum früheren Innenminister Gerhart Baum ist in großer Zahl dabei, Politiker anderer Parteien ebenso. Alle rühmen die Verdienste der mit 95 Jahren in der vorvergangenen Woche gestorbenen Politikerin. Gäbe es den Ehrentitel eines Ex-FDP-Mitglieds der Herzen, dann wäre das für die Menschen in der Lukaskirche "HHB", wie Baum sie in seinem Redemanuskript abkürzt.

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Bei der Trauerfeier für Hildegard Hamm-Brücher würdigen die Redner den entschiedenen Einsatz der früheren FDP-Politikerin für ihre Ideale.

Mitten unter ihnen ist Hildebrecht Braun, der Name des früheren Münchner Stadtrats ließe sich auf HbB verkürzen. Braun veranstaltet unter dem Motto "Liberaler Lunch" regelmäßig Treffen in der Münchner-Kindl-Stube am Platzl. Und an diesem Mittwoch, so geht Brauns Weihnachtsgeschichte, habe Hamm-Brücher bei ihm auftreten und ihre Rückkehr zur FDP verkünden wollen. So hätten es die beiden im Vorfeld verabredet, sagt Braun.

Der FDP hätte eine Rückkehr fraglos viele Sympathiepunkte gebracht, vor allem bei denjenigen, die ihr in langjähriger enttäuschter Liebe verbunden sind. Doch ob es wirklich so gekommen wäre, kann keiner überprüfen. Es gibt keinen unterschriebenen Aufnahmeantrag, es gibt auch nicht viele, denen die Geschichte präsent wäre. Immerhin: Braun ist nicht irgendwer in der Partei. Als Hamm-Brücher noch im Landtag saß, war er Fraktionsgeschäftsführer, Wahlkampfleiter und hielt seitdem immer den Kontakt. Auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat Braun von der angeblichen Rückkehr erzählt, sie findet den Gedanken nicht auf Anhieb absurd. Am Montag steht sie nach der Trauerfeier in der frostigen Kälte vor St. Lukas und sinniert darüber, dass die Verbindungen ja nie abgerissen seien. Ja, Hamm-Brücher habe sich stets als Teil der liberalen Familie empfunden, sie selbst nannte sich auch nach ihrem Austritt eine "freischaffende Liberale". Dass die Verstorbene Leutheusser-Schnarrenberger geschätzt habe, stellt auch Baum in seiner Trauerrede heraus - genauso wie die Tatsache, dass Hamm-Brücher an der "neuen FDP" unter Lindner Interesse hatte.

Mit 27 Jahren in den Stadtrat eingezogen

Er habe sie zu Hause besucht, sagt Lindner, als er zum Gottesdienst eintrifft, aber auf die Frage, ob eine wie sie der FDP heute gut täte, mag er sich nicht richtig einlassen. "Die Zeiten ändern sich, die Menschen ändern sich", sagt er etwas abwehrend. Erst nach der Feier erfährt er von Braun, was dahinter steckt.

Dabei ist es eigentlich so, dass wohl jeder Politiker in der Kirche eine wie sie gerne in seiner Partei hätte. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) geht in seiner Trauerrede zurück bis ins Jahr 1948 und erinnert an die 27-Jährige, die mit dem Plakat "Verjüngt den Stadtrat - wählt Hildegard Hamm-Brücher" in den Wahlkampf gezogen sei. "Frauen wie ihr - und natürlich auch einer Anzahl von Männern - ist es zu verdanken, dass der Aufbau des demokratischen Hauses nach 1945 so gut geglückt ist."

Auch die harten CSU-Knochen entdecken bei HHB ihre weiche Seite: "Ich habe immer großen Respekt gehabt vor ihrer geradlinigen Art", sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, der sie als Wahlkämpferin aus seiner Heimat Erlangen kennt. Seinem Parteifreund und Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer fällt auf die Frage, was man sich von ihr abschauen könne, eine überraschende Eigenschaft ein: Gelassenheit. Gerne hätte man an diesem Tag auch ein paar Sätze von Bundespräsident Joachim Gauck über Hamm-Brücher gehört, die selbst einmal für diesen Posten kandidiert hatte. Doch er ist zwar da, aber nur als Trauergast, was viele FDP-Menschen als große Ehre empfinden. Aber er hält keine Rede und sagt auch sonst kein öffentliches Wort, als er nach dem Gottesdienst aus der Kirche kommt, wo auf der gesperrten Steinsdorfstraße schon sein Fuhrpark wartet.

So bleibt es ein Montagvormittag, an dem nicht alle Worte finden, aber viele die richtigen. Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm stellt seine Predigt unter das Motto eines Verses aus dem zweiten Korintherbrief: "Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit." Der Vormittag fällt eine Nummer kleiner aus als die Trauerfeier vor einem halben Jahr für Münchens Ehrenbürger Georg Kronawitter, den Alt-OB, im Alten Peter. Dennoch ähneln sich die Szenen, für viele ist es ein Déjà-vu: Hans-Jochen Vogel ist da, Christian Ude, Charlotte Knobloch - Ehrenbürger unter sich.

Hamm-Brüchers Sohn Florian erinnert sehr persönlich an seine Mutter, in deren Leben es längst nicht nur um ihr so viel beschriebenes Wertegerüst und ihre Ideale gegangen sei. Sondern vor allem darum, wie man sie denn umsetzt, wie man seine Verantwortung wahrnimmt. "Mit harter und disziplinierter Arbeit", sagt Florian Hamm. Die letzten Wochen mit ihr seien "schön und traurig zugleich" gewesen, fügt er hinzu. Die Verständigung mit ihr sei schwieriger geworden, aber es habe immer auch "wunderbare, klare Momente" gegeben. Noch am Nachmittag wird Hamm-Brücher im Familienkreis in einem Ehrengrab der Stadt beigesetzt.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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