Atomare Schutzzone:Jod für alle

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Über Nacht gefährlicher geworden ist das Kernkraftwerk Isar nicht. Dennoch könnte der Großraum bald in der atomaren Schutzzone liegen. Dann müsste München für alle Bürger Jodtabletten bereithalten.

Von Stephan Handel

Es ist natürlich nicht so, dass das Kernkraftwerk Isar, bestehend aus den Reaktorblöcken Isar I und II, über Nacht sehr viel gefährlicher geworden wäre und im Fall eines Unfalls auch die Menschen in München mehr als zuvor bedrohen würde. Vielmehr hat die Strahlenschutzkommission des Bundes die Sicherheitspläne für die deutschen Atomkraftwerke überarbeitet und dabei empfohlen, die Schutzzonen jeweils auszuweiten. Und weil dabei eine bislang existierende 50-Kilometer-Zone auf 100 Kilometer ausgedehnt werden soll, liegt nun plötzlich auch die Landeshauptstadt in einem Gebiet erhöhten Risikos.

Das hat Konsequenzen, von denen allerdings das Kreisverwaltungsreferat und dort die Branddirektion - sie ist auch für den Katastrophenschutz zuständig - noch keine Vorstellungen hat. Pressesprecher Karl Pieterek sagt, er wisse zu dem Vorgang auch nicht mehr als das, was in den Medien steht: dass nämlich München verpflichtet wäre, für alle Bürger Jodtabletten vorrätig zu halten. Diese würden im Fall eines Atomunfalls in Ohu ausgegeben; mit ihrer Einnahme soll verhindert werden, dass sich radioaktives Jod in der Schilddrüse ablagert.

Wie aber die genaue Logistik in diesem Fall aussehen würde, kann Karl Pieterek nicht sagen. Er weiß nur etwas über den weiteren Gang des Verfahrens: Angenommen, die Bundesregierung billigt die Vorschläge der Strahlenschutz-Kommission, dann würde sie eine so genannte Rahmenempfehlung an die Länder weitergeben, in diesem Fall also an das bayerische Innenministerium. Dieses würde dann die Kreisverwaltungsbehörden anweisen. Dann erst würden, so Pieterek, die genaueren Planungen beginnen.

Jod-Tabletten sind mindestens zehn Jahre haltbar

Tipps dafür könnten sie sich bei Ernst Eisele holen, er ist im Landratsamt Landshut Sachgebietsleiter Katastrophenschutz. Eisele sagt, dass die Jodtabletten im Landsratsamt gelagert werden - bis auf jene Gemeinden, die zehn Kilometer oder weniger von den beiden Reaktoren entfernt sind: Dort liegen die Packungen in den Apotheken bereit - oder in den Feuerwehr-Gerätehäusern, "weil da jeder weiß, wo das ist".

Im Bedarfsfall würden die Bürger über Radio- und Lautsprecher-Durchsagen aufgefordert, dorthin zu kommen und die Tabletten abzuholen. Es gibt Familien-Packungen und solche für Einzelpersonen. Erneute Durchsagen würden informieren, wann es notwendig sei, die Medikamente einzunehmen. "Mindestens zehn Jahre" seien die Tabletten haltbar, sagt Eisele, wenn welche abgelaufen sind, würden sie nachgeliefert, die alten werden vernichtet. Bezahlt werden müsste die Angelegenheit vom Bund, denn er ordnet sie ja auch an.

Der Grund für die nun offenbar waltende größere Vorsicht liegt übrigens nicht in erhöhter Gefährdung: Nach dem Reaktorunfall in Fukushima haben sich vielmehr die Grundannahmen verschoben. Die Strahlenschutzkommission geht nun nicht mehr von der größten anzunehmenden Katastrophe aus, die rein statistisch ausgesprochen unwahrscheinlich ist, sondern vielmehr von den tatsächlichen bestehenden Risiken, wenn denn etwas passiert. Und so liegt München nun in einer Risikozone und wird demnächst wohl eine größere Lieferung an Jodtabletten für den Fall der Fälle bekommen.

© SZ vom 11.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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