Asylunterkünfte:Willkommen im Villenviertel

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Eigentümerin Eva Rapaport und Vereinschef Johannes Seiser stellten gemeinsam mit Pädagogen, Flüchtlingen und Theaterprominenz das Projekt vor. (Foto: Robert Haas)

16 junge Flüchtlinge sollen in einer Sollner Villa ein neues Zuhause finden. Jetzt müssen die Nachbarn für das Projekt gewonnen werden - mit Offenheit, Überzeugungskraft und dem Kammerspiel-Chef Lilienthal.

Von Inga Rahmsdorf

Klar, es wirkt schon ziemlich überzeugend, wenn der künftige Intendant der Münchner Kammerspiele plötzlich durch die Terrassentür der Villa tritt, seine vom Regen durchweichte Jacke auszieht, sich im gelben T-Shirt vor die Besucher stellt und versichert, dass das Projekt echt in Ordnung sei. Dass man als Nachbar keine Bedenken haben müsse, wenn demnächst junge Flüchtlinge hier in dem feudalen Anwesen leben werden. Matthias Lilienthal will sich als neuer Intendant auch mit dem Thema Asyl in München befassen, das hat er mehrmals zum Ausdruck gebracht. Und dass Menschen wie Lilienthal nicht nur von der Theaterbühne aus dazu beitragen können, Ängste und Vorbehalte abzubauen, zeigt sich gerade in einer der wohl besten Wohngegenden Münchens.

Im Herbst sollen 16 junge Flüchtlinge in ein etwa 400 Quadratmeter großes Haus in der Villenkolonie Prinz-Ludwigs-Höhe ziehen. Die Eigentümerin der Villa hat sich entschieden, das Anwesen nicht mehr an ein zahlungskräftiges Unternehmen zu vermieten, sondern an den Verein für Sozialarbeit, der die jugendlichen Asylbewerber betreuen wird. Am Dienstagabend hatten die Verantwortlichen deshalb die Anwohner zu einem Informationsabend geladen.

Überall in München werden derzeit Unterkünfte für Flüchtlinge errichtet. Die Stadt ist unter Druck, sie muss Quartiere finden für die steigende Zahl von Asylsuchenden. Und das, während im schnell wachsenden München um jedes freie Grundstück und Gebäude ein Konkurrenzkampf tobt. Ist aber ein neuer Standort für Flüchtlinge gefunden, dauert es meist nicht lange, bis sich Unsicherheiten in der Nachbarschaft verbreiten und Fragen aufkommen: Wer sind die Menschen, die dort einziehen? Zieht die Flüchtlingsunterkunft Kriminalität und einen Wertverlust der Häuser nach sich?

Besonders die Stadt wird immer wieder von Anwohnern und Bezirksausschüssen kritisiert, dass sie nicht frühzeitig oder nicht umfassend genug informiert. Aber auch Träger von Jugendhilfeeinrichtungen mussten die Erfahrung machen, dass Anwohner sich gegen Flüchtlingsprojekte wehrten.

Dass das Thema auch in Solln rund um die Heilmannstraße die Menschen bewegt, zeigte die enorme Resonanz am Dienstagabend, als sich etwa 100 Besucher in den großen Wohnraum der Villa drängten. Deutlich wurde aber auch, dass es sinnvoll ist, die Nachbarschaft so früh wie möglich einzubinden, damit Vorurteile und Ängste nicht in Wut und Ablehnung umschlagen, und stattdessen die Nachbarn für das Vorhaben gewonnen werden.

Mehr als 100 Anwohner kamen zum Informationsabend, bei dem auch Flüchtlinge anwesend waren. (Foto: Robert Haas)

Viele der Besucher waren vielleicht noch mit einer abwehrenden Haltung gekommen, und auch im Vorfeld des Infoabends waren schon Befürchtungen in der Gegend laut geworden - nach eineinhalb Stunden hatten sich die Bedenken weitgehend in Wohlgefallen aufgelöst. Zumindest ging es am Ende der Veranstaltung vor allem um die Frage, wie man den jungen Flüchtlingen denn am besten helfen kann.

Das lag nicht nur an der Prominenz von Matthias Lilienthal, der für Verständnis warb und den Vorstand des Vereins der Sozialarbeit, Johannes Seiser, als einen Profi bezeichnete, der "mit allen Wassern gewaschen ist" und auf den man sich verlassen könne. Es war auch das Verdienst von Seiser selbst und seiner Kollegin Ursula Koschinek, der Leiterin der Abteilung Erziehungshilfe, die ihre Arbeit vorstellten und geduldig erklärten, was genau geplant ist, wie alt die Flüchtlinge sind, wie ihr Tagesablauf aussehen wird, und dass sich rund um die Uhr Fachkräfte um die Jugendlichen kümmern werden. Dass man am einfachsten Vorurteile abbaut, indem man den Menschen begegnet, bewiesen dann noch der Pädagoge Jonathan Fischer, der mit den Jugendlichen arbeitet, und Paalimameh Ceesay. Der 18-jährige Gambier, war vor einem Jahr nach München geflohen und wird seitdem von Fischer und dem Verein für Sozialarbeit betreut.

Blieb nur noch eine Frage, die vermutlich viele Anwohner beschäftigte und sicherlich auch Anlass für Gerüchte geboten hätte: Wer stellt so eine große Villa für Flüchtlinge zur Verfügung? Oder wieso kann sich ein sozialer Verein die Miete für ein solches Anwesen leisten? Drehen sich doch beim Thema Asylbewerber die Debatten schnell um Neid- und Geldfragen und ziehen Spekulationen oft wilde Phantasien nach sich. Auch in der Heilmannstraße war zuvor schon der Vorwurf laut geworden, dass sich jemand an den Flüchtlingen bereichern will.

Doch auch bei diesem Punkt konnte der Verein mit Offenheit überzeugen: Die Eigentümerin des Hauses war ebenfalls gekommen. Eva Rapaport, selbst in der Villa aufgewachsen, hatte das Gebäude von ihren Eltern geerbt und in den vergangenen drei Jahrzehnten gewerblich vermietet. Als der Mieter dann auszog, wollte sie etwas Sinnvolles mit ihrem Elternhaus anstellen, zu dem sie, wie sie sagte, auch eine emotionale Verbindung habe. Als sie dann hörte, dass Gebäude für Flüchtlinge gesucht werden, da traf sie die Entscheidung und suchte sich einen Träger, dem sie vertraute. Mit dem Verein für Sozialarbeit einigte sie sich auf einen Mietpreis, der deutlich unter den üblichen Immobilienpreisen in München und weit unter den Preisen der Villensiedlung liegt.

"Man muss Gesicht zeigen, mit den Leuten reden", sagt Ursula Koschinek nach der Veranstaltung. Sie freue sich über die vielen Unterstützungsangebote und die positiven Reaktionen, man müsse die Nachbarn von Anfang an mitnehmen. Klar, der Intendant der Münchner Kammerspiele kann nicht bei jeder Eröffnung einer neuen Asylbewerberunterkunft in München auftreten. Und klar ist auch, es gibt ziemlich viele verschiedene Situationen und Standorte, und man kann die Sollner Villa nicht mit einer Containeranlage für mehrere hundert Flüchtlinge in anderen Bezirken gleichsetzen. Man könnte es aber einfach wie Matthias Lilienthal sehen: "Es wird ein bisschen Ärger geben", sagte er in seiner etwas flapsigen Art, "aber es wird auch viele frische Erfahrungen geben. Dem sollten wir uns stellen."

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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