Amtsgericht München:Website-Betreiber soll Hunderte um Opernkarten für Verona geprellt haben

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Die Arena di Verona: beliebtes Ausflugsziel der Münchner (Foto: ASSOCIATED PRESS)
  • Rainer K. muss sich als Betreiber der Website arena-verona.de vor dem Amtsgericht München verantworten.
  • Er soll Hunderten Opernkarten verkauft haben, die es nie gab. Das Geld bekamen die Kunden bis heute nicht zurück.
  • In Verona ist Rainer K. schon seit Jahren bekannt.

Von Elisa Britzelmeier, München

Der Italien-Urlaub war lange geplant, eine Woche Gardasee mit Tagesausflug nach Verona, der Opernbesuch sollte der Höhepunkt sein. Oder: Die Karten waren ein Geschenk zum runden Geburtstag. Oder zum Firmenjubiläum, oder zur Silberhochzeit. So gehen die Geschichten, sie alle haben gemeinsam, dass die Tickets für den Opernabend in der Arena di Verona nie ankamen, obwohl sie bezahlt waren.

Es sind die Geschichten derer, die auf die Website arena-verona.de hereinfielen. Deren Betreiber Rainer K. ist nun wegen gewerbsmäßigen Betrugs angeklagt. Er soll Operntickets verkauft haben, die nicht zugestellt wurden, die es womöglich gar nicht gab. Das Geld bekamen die Kunden nie zurück, trotz wiederholter Nachfragen. Oft waren es mehrere Hundert Euro. Vor dem Amtsgericht München sollen der Staatsanwaltschaft zufolge nun insgesamt 113 Fälle verhandelt werden, es geht um einen belegbaren Schaden von etwa 50 000 Euro. Rainer K. droht eine mehrjährige Haftstrafe. Für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen war er nicht erreichbar.

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In Verona kennen sie Rainer K. schon lange

Wahrscheinlich gibt es weitaus mehr Geschädigte, die längst nicht alle Anzeige erstatteten. Der Vertriebs- und Marketingchef der Arena in Verona, Corrado Ferraro, spricht sogar von "Hunderten", die über die Jahre hinweg "mit wertlosen Bestellbestätigungen bei uns ankamen". Viele von K.s Kunden gingen davon aus, eine gültige Quittung in der Hand zu haben, für die sie an der Abendkasse ihre Karten abholen konnten. Doch mit der Fondazione Arena di Verona und der offiziellen Website arena.it hatte der Angeklagte nichts zu tun. Statt der Tickets bekamen die Betroffenen in Verona dann ein Infoblatt, das vor dem Betrüger warnte. Das Schreiben verteilt die Arena in verschiedenen Sprachen, man findet es auch online.

In Verona kennen sie Rainer K. schon lange. Bereits im Jahr 2009 fällte das dortige Zivilgericht ein Urteil gegen den Geschäftsmann. Ihm wurde untersagt, die Begriffe "Arena" und "Verona" weiter zu verwenden, zudem sollte er 180 000 Euro Schadenersatz zahlen. Neben der Internetseite arena-verona.de betrieb er weitere Websites, zugeschnitten auf unterschiedliche Länder, darunter arena-verona.at, arena-verona.ch und arena-verona.com. Die Fondazione Arena di Verona ging damals nicht wegen Betrugs, sondern wegen unlauteren Wettbewerbs gegen ihn vor. Deshalb gab es kein Straf-, sondern lediglich ein Zivilverfahren.

Geschädigte zahlten teilweise mehr als 200 Euro pro Karte

Tatsächlich standen Rainer K. und die Arena früher in einer Geschäftsbeziehung, doch nach 1999 habe man kein einziges Ticket mehr an ihn verkauft, sagt Arena-Marketingchef Ferraro. Auch, weil der Mann bei den Karten einen großen Aufschlag für sich kalkuliert habe. Damals habe die Arena erste Schritte gegen ihn unternommen. Die Strafverfolgung gestaltete sich allerdings schwierig, weil Rainer K. angeblich einen Wohnsitz in Verona und einen in München hatte. Als die Entscheidung des Zivilgerichts 2009 feststand, schickten die Arena-Verantwortlichen das Urteil an die verschiedenen Provider, um die Websites abschalten zu lassen, jedoch größtenteils ohne Erfolg. Auch bei der Staatsanwaltschaft München I heißt es: Bei den oft im Ausland sitzenden Anbietern gebe es ein "Problem der Vollstreckbarkeit".

Wäre es gelungen, die betrügerische Seite arena-verona.de zu sperren oder neu zuzuweisen, hätte das wohl einige Opernfans vor großen Enttäuschungen bewahrt - und vor finanziellen Verlusten. Teilweise zahlten sie mehr als 200 Euro pro Karte. Marketingchef Corrado berichtet auch von Firmenkunden, die große Mengen bestellten, bei denen die Beträge also in die Tausende gehen. Auf der zugehören Facebookseite "Arena und Verona" reiht sich eine Beschwerde unter die andere, zudem finden sich über Rainer K.s Firma "rck Productions" zahlreiche negative Erfahrungsberichte in Bewertungsforen. Auf der mittlerweile nicht mehr verfügbaren Homepage der Firma wurde die "Unternehmensphilosophie" dagegen so beschrieben: "Wenn das Unternehmensziel das Wohl des Kunden ist, kommt das Wohl des Unternehmens von selbst." Mittlerweile dürfte es mit dem Wohl beider nicht mehr weit her sein. Rainer K. verbrachte zuletzt ein halbes Jahr in Untersuchungshaft.

Die erstaunlichen Begründungen des Rainer K.

Auf den ersten Blick sah arena-verona.de nicht unseriös aus, Bilder des Amphitheaters, ein korrekter Spielplan, Angaben zu den Stücken, Preisangaben, Impressum. Waren die Karten bestellt und bezahlt, gab es eine Bestellbestätigung. Mit dem Versprechen, die Tickets würden rechtzeitig vor der Vorstellung versendet. Auf Nachfragen, wo die Karten blieben, reagierte Rainer K. entweder gar nicht oder mit einer durchaus erstaunlichen Begründung: Die Fondazione Arena di Verona sei liquidiert, der Arena drohe das Aus. Indirekt also: Die Oper könne gar nicht stattfinden. Tatsächlich steckt die Fondazione zwar in finanziellen Schwierigkeiten, doch die Opernsaison fand in den vergangenen Jahren immer regulär statt. Und dieses Jahr, so sagt das zumindest der Vertriebsleiter Ferraro, laufe alles ganz wunderbar. Man plane schon für 2018 und sei zuversichtlich, die Schulden bald begleichen zu können. Mit dem Onlineverkauf auf arena.it, der offiziellen Adresse, habe es nie Probleme gegeben.

Noch bemerkenswerter ist die Aussage, mit der Rainer K. die Italiener pauschal verunglimpfte und seine Kunden auf seiner Website offenbar besänftigen wollte: "In einem Umfeld, in dem Korruption und Vetternwirtschaft (nahezu) an der Tagesordnung stehen, ist es nicht leicht, den eigenen rechtskonformen Weg durchzusetzen." Die Facebookseite "Arena und Verona" listet unterdessen weiterhin Veranstaltungen in der Arena auf, Tosca, Aida, Nabucco. Die Website arena-verona.de gehört mittlerweile nicht mehr Rainer K., sie wurde verkauft. Karten werden dort auch nicht mehr angeboten, die Optik ist anders. Die Adresse arena-verona.at jedoch sieht immer noch gleich aus, wenn auch ohne Kartenverkauf. Rainer K. ist weiter als Inhaber gemeldet. Dort ist auch weiter die Rede vom eigenen rechtskonformen Weg, der inmitten italienischer Korruption so schwer durchzusetzen sei. "Aber wir tun es. Der Kunst zuliebe. Den Besuchern zuliebe." Wie weit diese Liebe zur Kunst reichte, muss bald das Amtsgericht entscheiden.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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