Altstadt/Lehel:Kleine Bürger, großes Plenum

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Die Viertklässler der St. Anna-Grundschule üben sich eifrig in angewandter Demokratie und tagen als "Kinder- und Jugendbezirksausschuss für den Stadtbezirk Altstadt-Lehel" im Rumfordschlössl

Von Yasmin Ismail, Altstadt/Lehel

Kinder wollen mitbestimmen, vor allem dann, wenn es um den Ort geht, an dem sie leben. Das konnten sie jetzt als Mitglieder des "Kinder- und Jugendbezirksausschusses für den Stadtbezirk Altstadt-Lehel" - die Klasse 4 b der St.-Anna-Grundschule tagte im Rumfordschlössl. Die Regularien sind ähnlich wie bei den Großen: Die Kinder stellen ihr Anliegen vor, es wird im Kollektiv diskutiert, danach wird abgestimmt. Findet ein Vorschlag eine Mehrheit, füllen die Kinder ein Antragsformular aus, und Grünen-Politiker Philippe Louis, der im "großen" Bezirksausschuss (BA) sitzt und bei der Kinder-Sitzung den Vorsitz hat, leitet es an den Stadtrat weiter. Los geht's . .

. Emily, neun Jahre alt, beantragt festinstallierte Trainingsgeräte auf einer Wiese unmittelbar hinter der Eisbachwelle. "Es gibt so viele Kinder und Erwachsene, die vor dem Fernseher sitzen und nichts machen. Die Menschen brauchen mehr Sport und zwar draußen", begründet sie ihre Idee, an Barren und Ringen könnte man an frischer Luft trainieren.

Im Plenum kommt der Vorschlag gut an, denn so einen Fitness-Parcours kennen manche Kinder schon aus dem Familienurlaub. "Am Strand in Barcelona hab' ich das schon mal ausprobiert ", erzählt ein Schüler. Ein anderer erklärt, dass sich diese Geräte auch zum Aufwärmen vor dem Joggen eignen - eine Erfahrung aus dem gemeinsamen Joggen mit dem Vater im Englischen Garten. Der Antrag wird einstimmig beschlossen.

Sportlich geht es weiter: Philipp hätte gerne einen Fußballplatz im Viertel - "am besten hinter dem Vater-Rhein-Brunnen, da ist genug freie Wiese". Wichtig ist ihm, dass der Platz von jüngeren Kindern genutzt werden kann: "Auf dem Bolzplatz im Englischen Garten spielen meistens Jugendliche." Alle anderen 13 Kinder stimmen Philipp zu.

Weitere Vorschläge - eine Rollschuhhalle mit Discolicht und ein Outdoor-Skaterpark - kommen dagegen nicht bei allen Gremiumsmitgliedern gut an: Ein Schüler findet die Ideen zwar grundsätzlich schön, aber aufgrund des teuren Baumaterials auch etwas unsinnig, Skaten und Rollen könne man ja auch in den vielen Münchner Parks. Norbert Weigler, der für die Grünen im Bezirksausschuss der Erwachsenen sitzt, schlägt einen gemeinsamen Platz zum Rollschuhfahren und Skaten vor, doch auch das stößt nicht gerade auf Begeisterung bei den Viertklässlern. Das seien schließlich zwei Sportarten mit ganz unterschiedlichen Anforderungen an den Boden. Rollschuhe sind nämlich besonders empfindlich gegenüber kleinen Unebenheiten auf der Straße, ein glatter Boden in einer Halle deshalb unbedingt erforderlich, erklärt die kleine Paula.

Einig sind sich die Kinder dafür bei dem Vorschlag, mehr Tempo-Blitzer im Viertel zu platzieren. "Mir ist aufgefallen, dass viele Autos zu schnell fahren. Mit Blitzern könnten Unfälle verhindert werden", sagt ein Schüler. Erst vor Kurzem habe er einen schweren Zusammenstoß im Altstadtringtunnel mitbekommen. An das stundenlange Verkehrschaos kann er sich noch gut erinnern.

Mehr Sicherheit im Straßenverkehr fordert auch der neun Jahre alte Quirin. Er wünscht sich eine Fußgängerampel an der Prinzregentenstraße, und zwar auf der Westseite der Kreuzung mit der Oettingenstraße beim Bayerischen Nationalmuseum. Wenn er nachmittags zum Hort gehe, erzählt er, müsse er erst die Oettingen-, dann die Prinzregentenstraße und dann wieder die Oettingenstraße überqueren, da es keinen direkten Übergang gibt. Die Klasse stimmt dem Vorschlag zu.

Antons Anliegen ist dagegen ganz simpel: Er wünscht sich die runde Nestschaukel am Spielplatz an der Lerchenfeldstraße zurück, auf der mehrere Kinder gleichzeitig schwingen können. Das Schaukeln habe ihm einfach so viel Spaß gemacht, begründet er seinen Wunsch - Bezirksausschuss-Mitglied Norbert Weigler räumt dem Comeback gute Chancen ein.

Auch der letzte Punkt der Tagesordnung entspringt praktischer Lebenserfahrung: Die lange Ticket-Schlange am Eingang zum Deutschen Museum finden alle Viertklässler ziemlich doof; die Wartezeit führe dazu, dass Kinder nörgeln und Eltern gestresst sind. Damit erst gar keine Langweile entsteht, empfehlen die Kinder einen Spielplatz vor dem Eingang. Doch für das Deutsche Museum ist der Bezirksausschuss Altstadt-Lehel nicht zuständig, der Vorschlag wird weitergeleitet.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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