Allach/Untermenzing:Heim des Anstoßes

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Neubau auf der grünen Wiese: Das Gebäude soll direkt neben Ein- und Zweifamilienhäusern erbaut werden. Entstehen sollen 174 Pflegeplätze. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Lautstark protestieren Anwohner gegen die geplante Alten- und Pflegeeinrichtung an der Franz-Nißl-Straße. Stadtverwaltung und Münchenstift verteidigen das Projekt - und weisen die teils wütende Kritik zurück

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Ein paar Wochen war es nach außen hin recht ruhig gewesen: Es gab nichts zu hören von den Gegnern des geplanten Wohn- und Pflegeheims an der Franz-Nißl-Straße. Doch bei der Einwohnerversammlung im Louise-Schroeder-Gymnasium kochten die Emotionen wieder hoch. Anwohner warfen den Stadtplanern Willfährigkeit vor; sie beschuldigten den Bezirksausschuss (BA), falsche Informationen an die politische Stadtspitze verbreitet zu haben, die Münchenstift als Vorhabensträgerin, nicht mit offenen Karten zu spielen. Man lasse sich nicht "verarschen", war mehrmals zu hören. Zwei Männer drohten mehr oder weniger direkt juristische Schritte an.

60 Bürger inklusive BA-Mitglieder waren zur Versammlung gekommen. 14 Anträge wurden eingereicht, darunter mindestens einer, der den Bau an der Franz-Nißl-Straße befürwortet. Doch zu Wort meldeten sich nur Kritiker. "Wenn Sie das durchwinken, sind Sie die Totengräber des Stadtbezirks", warf ein Mann den Stadtbezirkspolitikern vor. Bernd Willer vom Planungsreferat bat ein ums andere Mal, doch die "emotionalen Befindlichkeiten" aus dem Spiel zu lassen. Er und die CSU-Stadträtin und BA-Vorsitzende Heike Kainz appellierten an die Bürger, konkrete Anträge zu stellen, die über den Bezirksausschuss zur fachlichen Analyse ins Planungsreferat und dann in den Abwägungsprozess des Stadtrats einfließen könnten. Willer betonte jedoch, dass das Altenheim im Viertel für die städtischen Planer "eine hohe Priorität hat". Natürlich sei es ein großer Bau, räumte er ein, aber soziale Einrichtungen fügten sich nie in ihre Umgebung ein. "Und jemand, der ein kleineres baut, ist leider nicht verfügbar." Er halte die Größenordnung angesichts der sozialen Einrichtung für vertretbar, zumal bei solchen Häusern, Kirchen und Rathäusern andere Maßstäbe gelten würden: "Das Bauvolumen kann nicht mit dem von Wohnungs- und Verwaltungsbauten verglichen werden."

Siegfried Benker, Geschäftsführer der Münchenstift, wies mehrfach darauf hin, dass die Pläne nach Protesten bereits um ein Stockwerk abgespeckt worden seien und, anders als ursprünglich vorgesehen, nun eine Tiefgarage mit 17 Stellplätzen eingeplant sei. Die gemeinnützige Tochtergesellschaft der Stadt München will das bestehende Alten- und Pflegeheim an der Manzostraße abreißen und an der Franz-Nißl-Straße ein neues mit 174 Pflegeplätzen und 28 Wohnungen für noch selbständige Senioren mit Platz für insgesamt 203 Bewohner errichten lassen.

Die beiden Häuser mit Veranstaltungssaal, Cafeteria und Wirtschaftsbereich entlang der Franz-Nißl-Straße sollen jeweils nur noch ein Stockwerk haben. Für das Hauptgebäude in Form eines "H", das sich westlich zwischen Lewald- und Hintermeierstraße anschließt, plant die Münchenstift drei Vollgeschosse über dem Erdgeschoss und ein zurückversetztes Terrassengeschoss. Die Gebäude an der Franz-Nißl-Straße werden etwa sieben Meter hoch sein, die Maximalhöhe des Hauptgebäudes 16,50 Meter betragen, aber nicht in einem durchgehenden Block. Auch sollen alle Abstandsflächen eingehalten werden.

Neben der Dimension und Massivität, die nach ihrer Ansicht nicht in ein Gebiet von Ein- und Zweifamilienhäusern passten, befürchten Anwohner ein Verkehrschaos, zugeparkte Straßen und eine Verschattung der Gärten. "Die öffentliche Verkehrsanbindung ist im Vergleich zur Manzostraße ein Witz", sagte ein Mann. Wegen der Großbaustelle am Oertelplatz werde sich die ohnehin prekäre Situation in den Straßen noch verschärfen, sagte eine Frau. Schon jetzt seien kaum Parkplätze zu finden. Zudem werde in einem Gebiet, in dem es kaum Grünflächen und soziale Infrastruktur gebe, ein weiterer Freiraum wegbrechen. "Wir wollen, dass erst eine komplette Verkehrsplanung für Allach erstellt wird", forderte ein Mann. Willer sicherte zu, dass man das Thema Verkehr "mitnehmen" und untersuchen werde.

Ein älterer Mann schlug der Münchenstift vor, ein Stück Grund auf der Westseite dazu zu kaufen. Dann könnten Stellplätze errichtet, auf die Tiefgarage verzichtet und ein Stockwerk tiefer gebaut werden. Doch breitere Gebäude bedeuten Benker zufolge weitere Wege für Bewohner und Pflegekräfte. Die Kritik einer Frau, dass die Pläne wie die "Goldene Bulle" gehütet würden und nicht einsehbar seien, wiesen Benker und Kainz zurück. Zum einen handle es sich um Entwürfe der Münchenstift; der Bebauungsplan werde erst erarbeitet. Zum anderen habe es allein im Vorjahr zwei Info-Veranstaltungen gegeben, die Einwohnerversammlung hätte gar nicht stattfinden müssen, sagte Heike Kainz. "Das ist eine Extra-Runde, weil wir das Gefühl hatten, dass noch Bedarf besteht." Sie zeigte sich lediglich darüber irritiert, dass sich innerhalb eines Jahres an dem Entwurf kaum etwas geändert habe. "Das zeigt, wie sehr wir von der Planung überzeugt sind", sagte Benker. Nachbessern muss die Münchenstift bei der Anlieferzone. Willer kündigte an, den Bebauungsplanentwurf noch im Herbst dem Stadtrat vorzulegen.

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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