Zukunft der Zeitschriftenverlage:Golden ist bloß Victoria

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Haben die Zeitschriftenverlage eine Zukunft? Beim Branchentreff rät man zu einer Frauenquote und digitalen Erlösmodellen.

Silke Bigalke

Was Bundesfamilienministerin Kristina Schröder von den Verlegern verlangen würde, war schon vor ihrem Auftritt beim Branchentreffen Publishers' Summit klar: Die Selbstverpflichtung zu einer Frauenquote für Führungspositionen, die jeder Verlag festlegen und öffentlich machen soll. Die Dax-30-Konzerne tun dies bereits. "Wenn ich Medienunternehmen mit derselben Latte messe, muss ich mich fragen, warum sie nicht die Avantgarde einer Entwicklung sind, die sie selbst in ihren Blättern öffentlich einfordern", sagt Schröder.

Laut einer Umfrage des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) in zehn großen Verlagshäusern sind 63 Prozent der Mitarbeiter dort Frauen. In Führungspositionen liegt ihr Anteil mit 46 Prozent niedriger, aber im Vergleich noch ganz ordentlich. Schaut man auf die Top-Positionen in Redaktionen, sieht es anders aus. Nur zwei Prozent der Chefredakteure sind weiblich. Schröder sieht den Grund auch in den Arbeitsbedingungen: Abend- und Wochenendtermine, Zwölf-Stunden-Tage. Frauen müssen sich zwischen Familie und Karriere entscheiden - Journalistinnen wählen meist Letzteres. Statistisch gesehen hat eine Journalistin im Schnitt 0,5 Kinder, bundesweit sind es 1,4 Kinder. Wenn sich Verleger zur Quote verpflichten würden, könnte sich das laut Schröder ändern: "Dann müssen sie für Arbeitsbedingungen sorgen, die das ermöglichen."

Rednerlist? Männer!

Das Problem ist bekannt, auf das Programm des Publishers' Summit hat sich das aber dann doch nicht ausgewirkt: Die Rednerliste ist von Männern dominiert. Und die Goldene Victoria, die der VDZ jedes Jahr vergibt, geht an vier Männer. Bahnchef Rüdiger Grube bekommt den Preis für Integration, Audi-Vorstand Rupert Stadler wird als Unternehmer, der irische Premier Enda Kenny als Europäer des Jahres ausgezeichnet. Den Ehrenpreis erhält der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher, an dessen berühmten Halbsatz gleich mehrfach erinnert wird. "Ich bin heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen zu sagen, dass heute Ihre Ausreise . . ." - der Rest ging 1989 im Jubel der DDR-Flüchtlinge in der Prager Botschaft unter.

In Berlin hält Genscher ein emotionales Plädoyer für Europa. "Niemals zuvor waren sich die Völker Europas so nah wie in diesem Herbst", sagt er mit Blick auf 1989. "Diesen Gedanken müssen wir neu beleben, wenn die Miesmacher Europas sagen, der Weg zurück in die Egoismus sei der richtige Weg." Bei der Party nach der Verleihung sitzt er abgeschirmt neben seinem Kollegen von damals, dem ehemaligen französischen Außenminister Roland Dumas, der die Laudation gehalten hatte.

In dieser Nacht wird viel zurückgeschaut, am Tag danach soll es um den richtigen Weg nach vorne gehen. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, bringt den Verlegern Zahlen mit, die sie zunächst beruhigen dürften. Demnach nutzen zwei Drittel der Leser unter 30 Jahren auch noch Gedrucktes, 28 Prozent nutzen ausschließlich PC und Smartphones. Trotzdem ist die Zukunft digital: Über alle Altersklassen hinweg liest jeder vierte Befragte Texte genauso gerne auf dem Bilderschirm wie auf Papier.

Der Gedanke, für Information aus dem Internet zu zahlen, liegt den meisten jedoch fern. Nur für sieben Prozent käme das in Frage. "Arbeiten Sie zusammen, damit dieser Gratis-Mentalität der Garaus gemacht wird", rät Köcher den Verlegern. Nur wie? Bisher haben sie keine Lösung gefunden. Vielleicht vergibt der VDZ deshalb nächstes Jahr einen neuen Preis, den "New Perspektives Award". Damit soll ausgezeichnet werden, wer Antworten auf die entscheidende Frage der Branche hat: Wie geht es weiter?

© SZ vom 10.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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