US-Politik:Der Journalist, der Trumps Steuererklärung im Briefkasten hatte

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Morgens am Briefkasten, abends schon mit einem Scoop im Fernsehen: der Investigativjournalist David Cay Johnston, hier beim SZ-Wirtschaftsgipfel 2016. (Foto: Stephan Rumpf)

David Cay Johnston ist nicht der unbekannte Reporter, als den ihn Trump hinstellt. Sondern ein renommierter Investigativjournalist - und einer der größten Kritiker des Präsidenten.

Porträt von Kathleen Hildebrand

Als David Cay Johnston am Dienstagmorgen seine Post durchsah, fand er etwas, wonach er - nach eigener Aussage - niemanden gefragt hatte. Was ihn aber, wie viele Amerikaner, sehr interessierte. Es waren zwei fotokopierte Seiten der Steuererklärung von Donald Trump aus dem Jahr 2005. Des Mannes also, der als Präsidentschaftskandidat entgegen der Tradition seine Steuererklärungen nicht öffentlich machen wollte. Und der das jetzt, als Präsident, erst recht nicht mehr zu tun gedenkt.

Es waren zwei Seiten eines Konvoluts, das insgesamt Hunderte umfassen muss. Aber eben auch: deren Essenz. Auf dem Formular stehen die Zahlen, auf die alles hinausläuft. Trumps Einkommen - 153 Millionen Dollar. Und die Höhe der gezahlten Einkommensteuer - 36,5 Millionen. Was auf diesen zwei Seiten nicht steht, ist das eigentlich Interessante: Woher kamen Trumps gewaltige Einkünfte? Wer waren seine Geschäftspartner? In welche Staaten hat er geschäftliche Beziehungen? Wem hat er eventuell Zinsen für Darlehen gezahlt, also: In wessen Schuld steht der Präsident?

Einen halben Tag später, am Dienstagabend, saß der 68-jährige Johnston im Studio der MSNBC-Moderatorin Rachel Maddow und berichtete einem Millionenpublikum von seinem Fund. Warum aber hatte gerade er, David Cay Johnston, diese Kopien im Briefkasten?

Trump twitterte am Dienstag, offenbar wütend über die Veröffentlichung seiner Daten: "Glaubt irgendjemand wirklich, dass ein Reporter, von dem noch nie irgendjemand gehört hat, 'an seinen Briefkasten ging' und meine Steuerklärung fand? @NBCNews FAKE NEWS!"

So verwunderlich, wie Donald Trump diesen Umstand findet, ist er allerdings nicht. Denn unbekannt ist Johnston wahrlich nicht. Er ist ein renommierter Investigativjournalist, der für große Zeitungen wie die Los Angeles Times und die New York Times gearbeitet hat. 2001 hat er einen Pulitzer-Preis für die Aufdeckung versteckter Steuerungleichheiten in den USA erhalten, eine der höchsten Auszeichnungen, die es in den USA für Journalisten gibt. Johnston ist ein anerkannter Fachmann für das amerikanische Steuerrecht. Er unterrichtet an Universitäten, obwohl er selbst nie studiert hat. Viele seiner wichtigsten Recherchen hat er zu Fällen in diesem Gebiet gemacht.

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David Cay Johnstons Reporterkarriere begann extrem früh: Er war erst 18, als der San Jose Mercury, ein kalifornisches Regionalblatt, ihn wegen ein paar Aufsehen erregender Artikel in kleineren Zeitungen in die Redaktion holte. Johnston brachte Gewalttaten von Polizisten und einen Spionageskandal bei der Polizei von Los Angeles an die Öffentlichkeit. Seine Recherchen zu einem Mordfall trugen dazu bei, dass der wahre Täter gefasst und ein fälschlich beschuldigter Mann aus dem Gefängnis freikam. Er ergründete die Tricks, mit denen der General-Electric-Vorstand Jack Welch sich eine äußerst großzügige Rente organisiert hatte, was dazu führte, dass Welch auf sie verzichtete.

"Die Akte Trump" schrieb er 2016 innerhalb eines Monats

Das dürfte schon Grund genug sein, gerade ihm ein so Aufsehen erregendes Dokument wie die Steuererklärung des amtierenden Präsidenten zuzuspielen. Es kommt aber noch eine Tatsache hinzu: David Cay Johnston ist ein entschiedener Kritiker des Präsidenten. Im Juli 2016 veröffentlichte er eine Biografie über Donald Trump, "The Making of Donald Trump" (Dt.: "Die Akte Trump"), die auf Recherchen aus drei Jahrzehnten beruht. Als sich im Wahlkampf abzeichnete, dass Trump tatsächlich eine Chance haben könnte, suchte Johnston lange erfolglos nach einem Verlag - wie er meint, weil alle Verleger davon ausgingen, dass Trump bald wieder von der Bildfläche verschwinden und niemanden mehr interessieren würde. Als schließlich ein Verlag zusagte, musste er das Buch innerhalb eines Monats schreiben.

Sein Urteil über den damaligen Präsidentschaftskandidaten war eindeutig, Johnston hat es in vielen Interviews wiederholt: Trump ist, sagt er, "nicht intelligent. Er ist nicht fleißig. Er hat kein historisches Verständnis. Er ist unglaublich ignorant. Er ist nicht selbstreflektiert. Er ist nicht freundlich. Er ist nicht warmherzig. Menschen, vor allem Frauen, sind für ihn nur Objekte. Er ist nicht seriös. Er hat keine Moral. Er hat sein Leben nichts anderem gewidmet, ich sagte es, als dem Geld, der Macht..., wollen Sie noch mehr hören?"

USA
:Geleakte Steuererklärung: 2005 zahlte Trump 38 Millionen Dollar

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Johnston ist Trump zum ersten Mal in den Achtzigerjahren persönlich begegnet, als er über Korruption in den Casinos von Atlantic City recherchierte, dem Las Vegas der amerikanischen Ostküste. Donald Trump erschien ihm schon damals als Hochstapler, weil er offensichtlich keine Ahnung vom Casinogeschäft gehabt habe. Seine Nachforschungen ergaben, dass Trump mit Kriminellen zusammengearbeitet und Verbindungen zur Mafia habe. Der Umgang mit ihm sei gefährlich, sagt Johnston, er überziehe jeden mit Klagen, der es wage ihn zu kritisieren. Das traf auch Johnston selbst. Als der Filmemacher Tim Burton später sein Buch, "Temples of Chance" über Atlantic City verfilmen wollte, soll Trump das mit Klagen unmöglich gemacht haben.

Aber Johnston, der Trump in Interviews oft nur "the Donald" nennt, hat nicht vor, von seinem Gegenstand abzulassen. Nach Erscheinen von dessen Biografie sagte er der New York Times: "I'm going to follow him for the rest of his life." Er werde ihn und sein Tun den Rest von Trumps Leben weiterverfolgen.

Wer aber hat den Briefumschlag bei Johnston eingeworfen? Es sei "im Rahmen des Möglichen", dass es "the Donald" selbst gewesen sei, sagte Johnston am Mittwochmorgen in der ABC-Sendung "Good Morning America". Trump habe schon häufig Informationen über sich selbst geleakt.

Beweise hat der Reporter dafür nicht. Es könne auch jemand aus der Wirtschaftsprüferkanzlei gewesen sein, sagte er, die Trumps Steuererklärung betreut hat. Oder jemand, an den die Unterlagen im Zuge behördlicher Prozesse weitergeleitet wurden. Gut möglich, dass die zwei Seiten nicht die letzten sein werden, die an die Öffentlichkeit kommen. David Cay Johnston sagt: "Ich hoffe das."

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