TV-Kritik: Menschen bei Maischberger:Kommt 'ne Blondine ...

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Wissenslücken und Weisheiten: Sandra Maischberger diskutiert mit Thilo Sarrazins heftig kritisierter Ehefrau über Strenge in der Erziehung. Die weibliche Hauptrolle des Abends spielt jedoch eine andere.

Katharina Riehl

Natürlich, und da macht Gina-Lisa auch niemandem was vor, hat man als Blondine mit vielen Vorurteilen zu kämpfen: Man wird da einfach in eine Schublade gesteckt, da drinnen sind dann alle Blondinen gleich. Doch, und das will sie auch gesagt haben: Das mit dem doof und blond stimmt überhaupt nicht.

Freiwillige Vertreterin der Generation "Doof"? In der ARD offenbarte Ex-Topmodel-Kandidatin Gina-Lisa Lohfink Wissenslücken, die sie mit dem Lernmotto ihrer Großmutter schließen will. (Foto: dpa)

Gina-Lisa Lohfink, dem deutschen Fernsehzuschauer erstmals aufgefallen in einer lange vergangenen Staffel von Heidi Klums unendlicher Topmodel-Sucherei, wird an diesem Abend - so viel sei schon verraten - wieder in einer solchen Schublade landen. Nicht ganz sicher ist sich der Zuschauer nur, wer daran eigentlich schuld ist.

Quizzen statt diskutieren

"Dichter, Denker, Dumpfbacken: Deutschland setzen, 6!" lautete der alliterationslastige Titel der Sendung, den nicht einmal die Moderatorin selbst auf Anhieb aussprechen konnte. Gastgeberin Sandra Maischberger wollte am Dienstagabend mit ihrer Runde über Bildung, Erziehung und verdummte Deutsche sprechen - auch die gerade heftig in die Kritik geratene Thilo-Sarrazin-Gattin Ursula kam ins Studio, um über ihre angeblich unangemessene Strenge im Klassenzimmer zu diskutieren.

Sandra Maischberger aber diskutierte die erste halbe Stunde erst einmal gar nicht. Sie quizzte.

Die Moderatoren-Kollegen Jörg Pilawa und Ranga Yogeshwar, der erste Wer-wird-Millionär-Gewinner Eckhard Freise und besagte Gina-Lisa Lohfink traten gegeneinander in mehreren unterschiedlichen Rätselrunden an. Es galt, unter anderem, Opernchöre und berühmte Bildausschnitte zu erkennen und Matheaufgaben zu lösen.

Betrachtet man die halbe Stunde als eine etwas langatmige, aber kreative Hinführung zum Thema Allgemeinbildung, war das keine schlechte Idee. Man muss sich aber auch eine andere Frage stellen: Ist es besonders fein, jemanden wie Gina-Lisa an diese Quiztheke zu stellen, wenn man schon ahnt, dass sie so doof rüberkommt, wie man sie sich vorstellt? Wenn man ahnt, dass sie neben Yogeshwar stehen und sagen wird, dass sie Mathe leider nicht kann und in der Schule nie etwas über frühe Menschenrechtsabkommen in England gelernt habe?

Oder ist sie Profi genug, selbst zu wissen, ob sie in einer solchen Sendung als Vertreterin der Generation "Doof" auftreten will? So oder so ist sie eine perfekte Überleitung.

"Frau Sarrazin, ist das Bildungsniveau gesunken?", will Sandra Maischberger von der erfahrenen Grundschullehrerin wissen. Ja, sagt die, "die Schüler haben weniger abfragbares Wissen". Während viele Pädagogen gerade das rein abfragbare Wissen als etwas betrachten, das es zu bekämpfen gilt, hält Sarrazin das für eine schlechte Nachricht. Über die konkreten Vorwürfe, die man gegen sie erhoben hat, wird nicht gesprochen - weil man die Gegenseite nicht hören könne, wie die Moderatorin erklärt. Weshalb es etwas grundsätzlicher wird.

"Dichter, Denker, Dumpfbacken: Deutschland, setzen, 6!" lautete der Titel der spätabendlichen ARD-Talkrunde: Auch Thilo Sarrazins Gattin Ursula (links), ihres Zeichens Lehrerin, diskutierte mit Gastgeberin Sandra Maischberger. (Foto: dpa)

Ursula Sarrazins Mann, der ehemalige Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin, hat in seinem bereits ausführlich diskutierten Buch zur mangelnden Integration von Ausländern auch geschrieben, dass an deutschen Schulen eine Unterforderung der Schüler aus Angst vor Leistungsdruck bestehe, man ihnen also zu wenig Druck zumute. Ein Erbe der Alt-68er, glaubt Herr Sarrazin - und die Eheleute sind sich grundsätzlich in allem einig. Gina-Lisa Lohfink ist nicht die Einzige, für die sich an diesem Abend schnell eine Schublade aufgetan hat.

Jeder kann mitreden

Viel, was in dieser Runde gesagt wird, ist erwartbar - was aber nicht heißt, dass nicht zeitweise eine recht kurzweilige Diskussion zustande käme. Spannend ist die Diskussion allein deshalb, weil man am Mikrokosmos einer Fernsehsendung wieder einmal merkt, warum alle Schul-, Pädagogik- und Bildungsdebatten so schwierig sind: Weil wir alle in der Schule waren und es deshalb keinen Menschen gibt, der zu diesen Themen keine unumstößliche Meinung hätte.

Ein wenig zu kurz kommt der eine Gast, von dem man gerne etwas mehr gehört hätte: Matthias Isecke-Vogelsang, Schuldirektor aus Lübeck - und Punk. Im Studio trägt er lila Haare und einen Pulli mit dem Logo der Ärzte. Und während die anderen noch darüber diskutieren, ob die Matheaufgaben in Schulbüchern heute nun schwerer oder leichter sind als noch vor 30 Jahren, spricht er über moderne Didaktiken und Kompetenzerweiterung statt bloßem Pauken.

Und Gina-Lisa? Die beendet ihren Auftritt mit einem Zitat ihrer Oma. Die sage auch immer: "Man lernt nie aus." Es klingt fast ein wenig hoffnungsfroh.

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