"Tatort" aus Berlin:Wie man sich an der Liebe verbrennt

Lesezeit: 2 min

Ist da was zwischen den beiden? Jens Harzer als Armin Berlow und Mark Waschke als Kommissar Robert Karow in "Amour fou". (Foto: rbb/Andrea Hansen)

"Amour fou", der neue Berliner "Tatort", ist wirklich spannend. Das liegt vor allem am großartigen Jens Harzer, dem man für immer dabei zuschauen möchte, wie er französische Gedichte rezitiert.

Kolumne von Luise Checchin

Die Erkenntnis:

Wo geliebt wird, gedeihen Lügen ganz vortrefflich. In "Amour fou" kommt die Liebe in ganz unterschiedlichen Aggregatzuständen daher: obsessiv, aufopfernd, vergeblich. In einem ähneln sich aber alle Schicksale: Je stärker sich hier jemand von seinen Gefühlen leiten lässt, desto sicherer führt es in die Katastrophe.

Darum geht's:

Eine verkohlte Leiche in einem Gartenstuhl, irgendwo in einem Neuköllner Schrebergarten, das ist der Anblick, der sich Kommissarin Nina Rubin (Meret Becker) zu Beginn dieses Tatorts bietet. Oder, wie es der fröhliche Mitarbeiter von der Spurensicherung ausdrückt: "Du machst ein Schild dran, schickst es zur Documenta: 'Der Mann im Plastikliegestuhl'". Bei dem Mann soll es sich um den Gesamtschullehrer Enno Schopper handeln. Schopper, das erzählt sein Lebenspartner Armin Berlow (Jens Harzer) sogleich, war an der Schule wegen seiner Homosexualität bedroht worden. Homophobie als Mordmotiv? Oder doch sexueller Missbrauch? Denn vor Kurzem soll Schopper mit seinem Schüler und Schützling, Duran Bolic, in der Umkleide beim Sex erwischt worden sein. Und genau dieser Duran Bolic ist plötzlich verschwunden.

Bester Dialog:

Nach dem Tod seines Lebenspartners will Armin Below die Stadt verlassen. Vorher besucht er noch einmal seine demenzkranke Mutter (toll gespielt von Angela Winkler) im Altersheim. Sie erkennt ihren Sohn nicht, aber in der Leidenschaft für französische Literatur finden die beiden doch für einen Moment zueinander. Abwechselnd rezitieren sie Charles Baudelaires Gedicht "A une passante", in dem das lyrische Ich in plötzlicher Liebe zu einer unbekannten Spaziergängerin entbrennt.

Mutter: Ailleurs, bien loin d'ici! trop tard! jamais peut-être! Car j'ignore où tu fuis, tu ne sais où je vais ... ( Verändert, fern! zu spät! ach niemals wieder! Fremd mir dein Pfad, mein Weg dir unbekannt ...)

Armin Berlow: ... Ô toi que j'eusse aimée, ô toi qui le savais! (Dich hätte ich geliebt, dich, die's erkannt!)

Mutter: Natürlich, Sie kennen es wirklich.

Armin Berlow: Ja, ja.

Mutter: Wissen Sie, meine Mutter war damals die erste Dozentin für französische Literatur an der Sorbonne. Ich bin mit den Symbolisten aufgewachsen.

Armin Berlow: Ja, ich auch.

Top:

Auch wenn dieser Tatort "Amour fou" heißt, ist es nicht das Gefühl der kopflosen Liebe, das er vermittelt. Es ist eher der Kater danach, wenn man erkennt, in was für ein Schlamassel einen diese Liebe gebracht hat. Diese Stimmung zwischen Melancholie und Sehnsucht transportiert "Amour fou" sehr schön. Allein die erste Szene: Ein dämmerblaues Meer ist zu sehen, dann schwenkt die Kamera um auf die Weiten des Tempelhofer Felds, und da, sehr klein und einsam, sitzt Jens Harzer als Armin Berlow. Überhaupt, Jens Harzer. Es liegt doch vor allem an ihm, dass man diesem Tatort so lange so gespannt folgt. An der Geschmeidigkeit, mit der er seine Figur verrätselt und sie den Deutungen entzieht. Ist Armin Berlow nun ein blasierter Schnösel, der seinen Partner ermordet hat? Oder doch ein heillos Liebender mit einem ausgesprochen guten Literaturgeschmack? Es ist diese Uneindeutigkeit, die "Amour fou" sehenswert macht.

Flop:

So vollkommen gönnen wollten die Tatortmacherinnen und -macher der Geschichte ihre Rätselhaftigkeit aber anscheinend nicht. Das Ende von "Amour fou" wirkt überhastet, alles wird so sauber aufgelöst, dass auch ja kein Rest bleibt: Ein Bösewicht wird aus dem Hut gezaubert und alle anderen Beteiligten bekommen ihr Happy End. Und auch wenn sie dieses Mal runtergedimmt sind, die für den Berliner Tatort typischen Störgeräusche sind immer noch zu hören: Die Beziehungsprobleme von Nina Rubin. Eine kurze - natürlich völlig harmlose und für den Plot irrelevante - gleichgeschlechtliche Flirterei von Robert Karow. Und immer wieder die Kabbelei zwischen den beiden Ermittlern. Hätte man für jede karow-rubinsche Streiterei einfach Jens Harzer beim Gedichterezitieren eingeblendet, dieser Tatort hätte nicht nur sehenswert, sondern vorzüglich werden können.

Die besten Zuschauerkommentare:

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