Sexismus und Medien:Ganz schön sportlich - für eine Frau

Frauenfussball - Algarve-Cup

Ziemlicht gut, aber niemals so gut wie die Männer. Mit diesem Vorurteil haben auch Frauenfußballerinnen zu kämpfen.

(Foto: Regina Schmeken)

Ziemlich gut, aber nie so gut wie die Männer. Eine US-Studie zeigt, wie klischeehaft Frauensport in den Medien dargestellt und dadurch marginalisiert wird.

Von Werner Bartens

Als vor zehn Tagen einer der Höhepunkte des Tennisjahres übertragen wurde, sparten die Reporter nicht mit Komplimenten. Immer wieder wurde die Dynamik im Herren-Finale der US Open zwischen Rafael Nadal und Kevin Anderson gelobt. Das sei "schon ganz was anderes als das Damen-Finale". Viel mehr Kraft, Wucht und Schnelligkeit seien da zu bewundern. Kein Wunder, wenn der "Stier aus Manacor" (Nadal) gegen den 2,03 Meter großen "Aufschlag-Riesen" aus Südafrika antritt. Im Vergleich dazu muss man sich das Endspiel der Damen vom Vortag wohl als Federballspiel vorstellen.

Bei der Leichtathletik-WM in London im August erklärte der Reporter dem Publikum vor dem Halbfinale über 1500 Meter, dass man sich über die grazile Figur von Konstanze Klosterhalfen "nicht wundern soll, ihre Mutter sieht genauso aus". Nun führen 48 Kilogramm bei 1,74 Meter Körpergröße tatsächlich zu einer sehr schlanken Silhouette - aber ein vergleichbarer Kommentar über die hagere Statur eines männlichen Langstreckenläufers oder Hochspringers ist nicht zu hören. Lediglich als die Magersucht unter männlichen Skispringern vor einem Jahrzehnt nicht mehr zu verbergen war, ging es im Sport auch mal um die Figur und nicht nur um die sportliche Leistung von Männern.

Heute kommt der Sexismus subtiler daher

Ähnliche Beispiele finden sich fast immer, wenn Frauen-Sport im Fernsehen übertragen wird. Ebenfalls bei der Leichtathletik-WM im August wurde eine Athletin gefragt, "wie sie das macht mit ihren langen Haaren im Wettkampf". Kann sich jemand erinnern, dass die Fußballer Rudi Völler oder Jens Jeremies auf ihre Vokuhila-Matte angesprochen wurden oder der legendäre kolumbianische Kicker Carlos Valderrama erklären sollte, wie er seine Lockenmähne bändigt? Frisuren-Tipps scheinen sich Sportreporter ausschließlich von Sportlerinnen zu holen.

Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen die Reporter-Generation der Rubenbauers, Valériens und Faßbenders von den "rassigen Brasilianerinnen" im Frauenfußball oder den "perfekten Körpern" von Merlene Ottey, Florence Griffith-Joyner und anderen Leichtathletinnen schwärmten. Heute kommt Sexismus in der Sportberichterstattung subtiler daher. Wissenschaftlerinnen aus Kalifornien haben analysiert, wie sich die Darstellung von Sportlerinnen seit 1989 geändert hat. Die Forscherinnen machen dabei drei Phasen aus, die sie im Fachmagazin Gender & Society beschreiben.

Zwischen 1989 und 1999, heißt es da, war der offene Sexismus kaum zu überhören und zu übersehen. Immer wieder wurde die Attraktivität einiger Sportlerinnen betont, auf ihre extravaganten Fingernägel, Schmuck oder eine besondere Haarpracht hingewiesen. Fanden sich im Publikum knapp bekleidete Frauen, wurden sie herangezoomt. Die albernen Sonnenbrillen männlicher Sprinter oder die Kniestrümpfe von Hochspringern waren hingegen kaum der Erwähnung wert. In einer Umfrage für ESPN.com wurde die Tennisspielerin Anna Kurnikowa 1998 zur "heißesten Athletin" gekürt. Als ein Reporter das Spiel zwischen der Russin und Mary Pierce kommentierte und im Publikum Kurnikowas damaligen Freund, einen Eishockey-Profi, erspähte, verstieg er sich zu dem Kommentar, dass man, "um mit ihr zusammen zu sein, gewillt sein muss, ihr bei einem Match am Nachmittag zuzuschauen und dann selbst abends zum eigenen Spiel zu fliegen. Aber alle werden mir wohl zustimmen, dass es das wert ist."

Frauensport wird immer öfter als weniger athletisch, kraftlos, mittelmäßig dargestellt

Eine TV-Analyse der Übertragungen von den Olympischen Spielen 2004 kam zu dem Schluss, dass immer noch fast 40 Prozent der Kameraeinstellungen beim Frauen-Beachvolleyball Brust oder Gesäß der Spielerinnen in Großaufnahme zeigten. Der Weltverband hatte kurz zuvor die Vorschrift erlassen, dass die Bikini-Höschen der Frauen an der Seite nur maximal sieben Zentimeter breit sein dürfen. Viele Funktionäre, aber auch Spielerinnen erklärten, dass dadurch immerhin die Aufmerksamkeit für die Sportart steigen würde.

Von 1999 bis 2009, so die Studie, gab es insgesamt aber weniger Sportübertragungen, in denen Frauen als Sexobjekt dargestellt wurden. Nach und nach dominierte das Bild einer Sportlerin, die in der traditionellen Frauenrolle als Freundin, Fan ihres erfolgreichen Mannes oder als Mutter aufging. Als die dreifache Olympiasiegerin im Beachvolleyball, Kerri Walsh, 2009 ihren ersten Sohn zur Welt gebracht hatte, wurde im nächsten Wettkampf betont, dass sie schon zwei Monate nach der Geburt wieder auf dem Platz stand - und ihr im Vergleich weit weniger erfolgreicher Mann am selben Tag sein Match gewonnen hatte.

"Beharrliche Herabsetzung der Qualität, die zur Marginalisierung von Frauen führt"

Seit 2010 wird der Sport von Frauen hingegen immer öfter als mittelmäßig, kraftlos und wenig athletisch dargestellt. Werden Fußball-Länderspiele der Frauen übertragen, fehlt selten der Hinweis, dass die Teams gegen Männermannschaften aus der Regionalliga kaum eine Chance hätten. "In Sportberichten kommt der Sexismus inzwischen verkleidet daher", schreiben die Autorinnen. "Es geht um die vermeintlichen Schwächen der weiblichen Leistungsfähigkeit. Damit wird den Zuschauern subtil vermittelt, dass Frauensport weniger aufregend und interessant ist."

Die Analyse der TV-Sportberichte hat nicht nur die bekannte Tatsache bestätigt, dass weit weniger Frauensport übertragen wird und die Übertragungen um 50 Prozent kürzer sind als bei den Männern, sondern auch, dass die Wortwahl eine andere ist: Über Männersport wird dynamischer, schneller und mit Action-geladenen Begriffen berichtet, zudem werden häufiger Trainer oder Spieler interviewt. Statt so viele Spielszenen wie bei den Männern zu zeigen, sind Frauen in Sportwettkämpfen häufiger zu sehen, wie sie auf der Reservebank sitzen, ihre Mitspielerinnen anfeuern, tuscheln oder sich umarmen, wenn sie einen Sieg feiern.

Anerkennende Worte über die sportliche Leistung von Athletinnen sind selten, während bei Männern im Wettkampf häufiger der "perfekte Lauf", das "wunderschöne Tor" oder die "erstaunliche Flugkurve" des Balles gelobt werden. "Die beharrliche Herabsetzung der Qualität führt zu einer Marginalisierung von Frauen in der von Männern dominierten und kontrollierten Welt des Sports", schreiben die Autorinnen. "In letzter Konsequenz führt der Glaube, dass Frauensport weniger interessant ist, auch zu weniger TV-Präsenz, weniger Werbeeinnahmen bei Übertragungen von Frauensport, geringeren Preisgeldern und weniger Einnahmen von Spielerinnen wie Trainern."

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