Presseschau zur UN-Aufwertung der Palästinenser:"Scharfe Zurückweisung für die USA und Israel"

Erfolg für die Palästinenser oder bloß ein Pyrrhussieg? Die internationale Presse ist sich uneins, was die UN-Entscheidung für den Friedensprozess im Nahen Osten bedeutet. In deutschen Medien wird vor allem das Votum Berlins diskutiert - von "echter Außenpolitik" ist die Rede und einer "mutigen Enthaltung", aber auch einem deutlichen "Bruch" mit der bisherigen Israel-Politik.

Vom Sieg der Palästinenser über "Erzfeind Israel" spricht Spiegel Online, befürchtet aber, dass der Erfolg bei der Abstimmung ein Hindernis für den Friedensprozess sein könnte: "Die zwei anderen Staaten, auf die es ankommt, fühlen sich durch diese Abfuhr auf der Weltbühne jetzt erst recht brüskiert - Israel und die USA."

Auch das Handelsblatt glaubt, dass die Entscheidung der Vereinten Nationen die Lage im Nahen Osten negativ beeinflussen könnte: "Die Aufwertung der Palästinenser zum 'Beobachterstaat' wird den Konflikt nicht aus der Welt schaffen. Sie wird vielmehr zu einer Verhärtung der Positionen führen. Von der Resolution erhofft sich die Mehrheit der Weltgemeinschaft Fortschritte im Friedensprozess, der zu einer Zweistaatenlösung führen soll. Die Vorstellung, wonach zwischen dem Mittelmeer und dem Jordanfluss zwei Staaten nebeneinander existieren können, ist freilich überholt. Frische Ideen sind nötig. Die Annahme der Resolution blockiert die Suche nach einer neuen Nahostpolitik."

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Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Die Frankfurter Allgemeine Zeitung beschwichtigt - konkret werde sich durch die Aufwertung der Palästinenser wenig ändern. Allein: "Dem palästinensischen Präsidenten verleiht der UN-Erfolg jedoch neuen Schwung. Er will nun so schnell wie möglich nach Gaza fahren, um den innerpalästinensischen Bruderkrieg zu beenden."

Was die Enthaltung Berlins angeht, sind sich die deutschen Medien weitgehend einig: Die Saarbrücker Zeitung beschreibt das Votum als verständlich: "Beide Staaten (die USA und Deutschland, d. Red.) gehen mit dem Nein Washingtons und der Enthaltung Berlins den richtigen Weg. Denn den Palästinensern fehlt formal alles, was überhaupt einen Staat ausmacht: Es gibt zwei faktisch autonome - von Hamas und Fatah beherrschte - Gebiete, eine funktionierende Einheitsregierung existiert ebenso wenig wie eine klare Grenzziehung oder die Absicht, mit dem Nachbarn Israel in Frieden zu leben."

Die Frankfurter Rundschau sieht im Abstimmungsverhalten Deutschlands ein Stück "echte Außenpolitik": "Dass Israel sich vehement gegen die Aufwertung Palästinas wehrt, ist nicht schön, aber auch nicht entscheidend. Auf das Einverständnis Serbiens hat Berlin auch nicht gewartet, als es 2008 die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Falle Palästinas anders entschieden. Und selbst wenn diese Entscheidung falsch ist, stellt sie etwas dar, was in Merkels zweiter Amtszeit sonst kaum zu sehen ist: Echte Außenpolitik. Eine Politik, die nicht dem persönlichen Belieben, der Tagesaktualität oder den heimischen Umfrageergebnissen geschuldet ist, sondern ein strategisches Interesse definiert."

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Die Zeit

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Von einer "mutigen Enthaltung" schreibt Die Zeit auf ihrer Internetseite: "Deutschland hat den Antrag der Palästinenser, als 'beobachtendes Nichtmitglied' in die Vereinten Nationen aufgenommen zu werden, nicht abgelehnt. Das ist ein kaum zu überschätzender Bruch mit der deutschen Israel-Politik."

Die Stuttgarter Zeitung hätte es dagegen lieber gesehen, wenn die europäischen Staaten einheitlich abgestimmt hätten: "Der Einfluss Deutschlands in der Region ist nicht gering, aber etwas bewegen kann die deutsche Diplomatie im Alleingang nicht. Nur ein geeintes Europa könnte Fortschritte erzwingen. Eine gemeinsame europäische Linie tut not, weil die USA erkennbar das Interesse an der Region verlieren und sowohl Nordafrika als auch den Nahen Osten zunehmend als Vorhof Europas betrachten, auf dem die Europäer künftig gefälligst selbst nach dem Rechten sehen sollen. Washingtons Blick ist dem Pazifikraum zugewandt."

The Guardian: "Votum für den Frieden"

Auch die italienische Zeitung Repubblica kritisiert die Uneinigkeit der Europäer: "Wie üblich ist es ihnen auch beim palästinensischen Antrag nicht gelungen, eine gemeinsame Position zu finden. Also stimmen sie gespalten ab. Sie müssen aber wissen, dass eine Stimme gegen die Palästinenser oder auch nur eine Enthaltung - mit dem unweigerlichen Beigeschmack der Feigheit - eine Niederlage für den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas bedeuten wird. Und nicht nur für ihn, sondern allgemein für jene Palästinenser, die wie er Gewalt ablehnen und sich auf die Politik stützen."

Die israelische Haaretz schreibt auf ihrer Internetseite von einem internationalen Signal an Israel: "Israel erleidet eine beschämende Niederlage bei der UN." Die Abstimmung sei ein Warnsignal der internationalen Gemeinschaft und ein Zeichen der Unterstützung an die Palästinenser. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und andere freundlich gesinnte Länder hätten mit ihren Wahlentscheidungen Nachrichten an Israel gesendet - ihre Geduld mit der Besatzung schwinde.

UN Palästinenser Presse

Haaretz

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Die New York Times sieht in der Abstimmung einen deutlichen Dämpfer für die USA: "Mehr als 130 Länder haben am Donnerstag einer Aufwertung Palästinas zu einem Beobachterstaat der Vereinten Nationen zugestimmt, ein Triumph für die palästinensische Diplomatie und eine scharfe Zurückweisung für die Vereinigten Staaten und Israel."

Die spanische Zeitung El País betrachtet den Ausgang der Abstimmung zwar nicht als kontraproduktiv für den Friedensprozess im Nahen Osten, stellt auf ihrer Internetseite jedoch infrage, ob die Entscheidung überhaupt etwas bewirken wird: "Viele Faktoren haben sich im Moment gegen die Friedensgespräche verschworen. Die Nähe der Wahlen in Israel, der neuerliche Aufstieg der Hamas und die Unfähigkeit der EU, sich auf eine außenpolitische Linie zu einigen."

Die französische Zeitung Le Monde sieht das ähnlich - zeigt sich aber stolz über das "Ja" von Paris zur Aufwertung der Palästinenser: "Die Forderung der Palästinenser (nach Anerkennung als Staat) irritiert Washington und könnte für (Palästinenserpräsident) Abbas Sanktionen zur Folge haben. Das Abstimmungsergebnis wird die israelischen Kolonien um keinen Meter zurückversetzen, es wird auch nicht den Griff der radikalen Hamas-Mitglieder auf den Gazastreifen lockern. Doch es wird Frankreich zur Ehre gereichen, für die Anerkennung zu stimmen. Mit dieser symbolischen Geste wird den Palästinensern gezeigt, dass sie nicht vergessen sind."

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Le Monde

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Das konservative britische Blatt The Times erkennt in der Abstimmung der UN einen wichtigen Sieg für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und - im Gegensatz zu Zweiflern und Kritikern - für den Friedensprozess im Nahen Osten: "Die Weigerung der Hamas, den jüdischen Staat anzuerkennen, und die fortgesetzten Raketenabschüsse auf zivile Ziele in Israel bis zur kürzlichen Feuerpause waren mit Abstand die wichtigsten Hindernisse für Israel, die direkten Friedensverhandlungen wiederaufzunehmen, die vier Jahre lang dahinsiechten. Jedes Element, das den Status von (Palästinenserpräsident) Abbas auf Kosten der Hamas verstärkt, könnte helfen, diese Hindernisse zu beseitigen. Was auch immer in den nächsten Wochen passieren mag: Mit diesem Votum der UN-Vollversammlung kann sich Abbas rühmen, einen wichtigen diplomatischen Coup gelandet zu haben, was der Hamas niemals gelingen kann."

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The Guardian

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Auch der britische Guardian schreibt in einem Kommentar: "Die Palästinenser bei den Vereinten Nationen zu unterstützen, ist ein Votum für den Frieden im Nahen Osten. Länder, die nicht für die Palästinenser stimmen, werden auf der falschen Seite der Geschichte, der Moral und des internationalen Rechts stehen."

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