Kuppelshow auf Pro Sieben:Noch ein Stringtanga obendrauf

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Pro Sieben erhöht mit seiner neuen Kuppelshow den Einsatz. (Foto: hashimoto - Fotolia)

Pro Sieben kupfert mal wieder eine moralisch fragwürdige Sendung von RTL ab und hievt ein Format à la "Bachelor" ins Programm. Drei Millionäre dürfen sich dabei über 20 Frauen hermachen. So viel Widerwärtigkeit darf nicht ignoriert werden.

Ein Kommentar von Matthias Kohlmaier

Wer "was mit Medien" studiert, muss sich früher oder später mit der Gatekeeper-Theorie befassen. Die besagt: Nachrichtenmedien geben nur einen Bruchteil der eingehenden Information an ihr Publikum weiter. Der Rest verschwindet im Nirwana, der Leser/Zuschauer/Hörer wird nie davon erfahren. Nun ist besagte Theorie in Zeiten des Internets und seiner Informationsflut nicht mehr besonders aktuell. Für die wenigen Qualitätsmedien aber spielt sie noch immer eine Rolle.

Und zwar gerade dann, wenn es um die moralischen Fragwürdigkeiten geht, die das deutsche Privatfernsehen seinen Zuschauern Tag für Tag serviert. Pro Sieben zum Beispiel kommt demnächst mit einem eigenen Kuppelformat à la RTL-Bachelor um die Ecke:

Ohne Details über die genaue Umsetzung der Show zu kennen, klingt das so: RTLs Bachelor war eine sexistische Parabel auf eine Gesellschaft, die zum Glück seit 50 Jahren weitgehend ausgestorben und der heutigen Jugend nur noch durch quasi-dokumentarische TV-Serien wie Mad Men gegenwärtig ist. Aber nun legt Pro Sieben auf den Bachelor tatsächlich noch eine Schippe - oder besser: einen Stringtanga - drauf.

Millionäre auf der Jagd

Denn wo bei RTL nur ein Mann diverse Frauen befummeln und eventuell auch beschlafen durfte, bevor er eine "Glückliche" auswählt, erhöht der Münchner Sender den Einsatz. Nicht nur, dass sich drei Männer gegenseitig beim Jagen und Sammeln überbieten dürfen. Es handelt sich bei den Dreien um Millionäre, für die ohnehin als Freiwild deklarierten Kandidatinnen kommt also noch eine ökonomische Dimension dazu.

Wir als SZ.de könnten so einen Mist nun ignorieren, wie wir zuletzt RTLs Ankündigung eines weiteren Formats im Stile des Dschungelcamp ignoriert haben. Dabei werden übrigens diverse silikonoptimierte Damen in die afrikanische Wüste gekarrt. Haben wir nicht gemeldet, und Sie, liebe Leser, haben davon nichts mitbekommen, falls das mit dem Gatekeeping geklappt hat.

Warum versuchen wir also nicht einfach, Pro Siebens neueste Kopie des RTL-Programms totzuschweigen? Weil der einfache Weg nicht immer der beste ist. Es ist einfach, sich nicht um die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien zu scheren; es ist einfach, nicht auf eine Anti-Neonazi-Demonstration zu gehen; es ist einfach, wegzuschauen, wenn eine TV-Show jungen Mädchen und Frauen ein widerwärtiges Rollenbild einimpft.

Catch The Millionaire, so der Arbeitstitel von Pro Siebens Show, beschreibt Geschlechterrollen so überzeichnet, wie es sie selbst im übelsten Patriarchat vor Jahrzehnten kaum gegeben hat. Auf der einen Seite der finanzstarke Mann, der sich einfach nimmt, was er will; auf der anderen die devote junge Frau, die ihm stets zu Willen sein soll. Fernsehen darf übertreiben, aber solcherlei Geschlechtsstereotype haben im 21. Jahrhundert absolut nichts mehr verloren.

Geld schlägt Moral

Wenn Sie jetzt sagen: "So eine Sendung bedeutet doch nicht den Untergang des Abendlandes", haben Sie gewiss recht. Für Pro Sieben dürfte das Ganze ein netter Erfolg werden, denn vermutlich werden dem leichtbekleideten Treiben Millionen Menschen von der heimischen Couch aus zusehen. Und Einschaltquote bedeutet, Pro Sieben kann von den werbungtreibenden Unternehmen ordentlich Geld verlangen. Darum geht es einem Privatsender: Geld. Moral ist im besten Falle zweitrangig.

Denn was noch viel besser für den Sender ist: In der Lieblingszielgruppe der 14- bis 39-Jährigen wird solch ein Format eine Quote einfahren, die über dem Senderschnitt liegt. So beeinflusst Pro Sieben das Weltbild der jungen Zuschauer und züchtet sich quasi selbst den Nachwuchs für die nächste Jäger-und-Sammler-Show. Vielleicht wird dann die Anzahl der erlaubten Kleidungsstücke der Mädchen limitiert oder so. Ein bisschen Steigerung muss schließlich sein.

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