"Absolutely Fabulous" von Jennifer Saunders:Wie verantwortungslose, feierwütige Teenager

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Champagner, Nikotin und keine Hemmungen: Eddy (Jennifer Saunders, rechts, damals noch brünett) und Patsy (Joanna Lumley). (Foto: mauritius images/Photos12/Alamy)

Jennifer Saunders' TV-Serie "Absolutely Fabulous" veränderte das Bild von Frauen im Fernsehen. Jetzt kommen die Figuren ins Kino.

Von Patrick Heidmann

Die Zeiten, in denen noch ernsthaft diskutiert wurde, ob Frauen wirklich lustig sein können, fanden spätestens ein Ende, als Tina Fey vor zehn Jahren ihre Sitcom 30 Rock auf den Bildschirm brachte und wenig später Amy Poehler mit Parks and Recreation folgte. Plötzlich wurde das Publikum ebenso aufmerksam wie die Kritiker - das ging ja doch: weibliche Protagonistinnen fernab von Heim und Herd! Ihre Witze hatten sich die beiden Frauen selbst geschrieben, so wie es vor ihnen von Larry Sanders bis Jerry Seinfeld selbstverständlich immer nur die coolen Jungs gewagt hatten.

Fey und Poehler werden bis heute zu Recht gefeiert, von Hollywood umworben und sind selbst in Deutschland ein Begriff, wo ihre Serien eigentlich nur abseits einer größeren Öffentlichkeit im Fernsehen liefen. Der Name Jennifer Saunders dagegen sorgt hierzulande größtenteils bloß für Achselzucken. Dabei tat die Britin bereits vor fast 25 Jahren genau das, wofür ihre Kolleginnen heute bejubelt werden: Sie nahm für die in England jahrzehntelang erfolgreiche Comedy-Serie Absolutely Fabulous von der Schöpfung der kultisch verehrten Figuren über das Verfassen der pointierten Drehbücher bis hin zur Übernahme der Hauptrolle alles selbst in die Hand - und schrieb damit Fernsehgeschichte. Kommende Woche startet der Kinoableger der Kultserie in Deutschland.

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Im deutschen Fernsehen war von Saunders und ihrer Serie nichts mitzubekommen, doch in Großbritannien saß von Beginn an ein Millionenpublikum vor dem Bildschirm, als sie Ende 1992 erstmals in der Rolle der Edina "Eddy" Monsoon verkatert ins grelle Morgenlicht blinzelte. Was man in zunächst sechs halbstündigen Folgen Absolutely Fabulous und später vier weiteren Staffeln sowie zahlreichen Specials zu sehen bekam, ist schnell auf einen Punkt zu bringen: Eine alleinerziehende Mutter und PR-Beraterin, die sich benimmt wie ein verantwortungslos und feierwütiger Teenager, ihre vernünftig-biedere Tochter (Julia Sawalha), die sich für sie schämt, und schließlich noch eine beste Freundin namens Patsy (Joanna Lumley), die in Sachen Alkoholgenuss, Nikotinkonsum und egoistischem Hedonismus noch die ein oder andere Schippe drauflegt.

"Am Anfang gab es bei der BBC etliche ältere Herren, die nicht begeistert waren. Sie fanden betrunkene Frauen abstoßend bis langweilig und waren der Meinung, dass so etwas nicht auf den Bildschirm gehöre", sagt Saunders heute über die Anfangstage ihrer Serie. Sie selbst war damals längst eine feste Größe im britischen Fernsehen, wo sie mit ihrer Bühnenpartnerin Dawn French die Sitcom Girls on Top und die Comedy-Show French & Saunders entwickelt hatte. Letztere diente auch als Keimzelle von Absolutely Fabulous.

In Zeiten von Instagram, Snapchat und den Kardashians wirkt vieles ein wenig anachronistisch

Natürlich ging es Saunders, 1958 als Tochter einer Biologie-Lehrerin und eines Armee-Piloten geboren, mit Absolutely Fabulous um viel mehr als ein Denkmal für feiernde Frauen. Mit einer eigenwilligen Mischung aus schriller Überzeichnung, beißender Ironie und ausgelassener Albernheit sezierte sie vielmehr die kalte Oberflächlichkeit des Post-Thatcherismus, in dem es nicht zuletzt das gesellschaftliche Bild der berufstätigen Frau neu zu definieren galt. Der damals ungewohnte Fokus auf den neu aufkommenden, überbordenden PR- und Mode-Irrsinn, auf die Klatschpresse mit ihren Promi-Homestorys und Esoteriktrends wirkt im Rückblick fast prophetisch.

Erschienen Eddy und Patsy in ihrem unverblümten Narzissmus vor 20 Jahren noch schockierend unverschämt und surreal, haftet ihnen heute - in Zeiten von Instagram, Snapchat und den Kardashians - geradezu ein naiver Anachronismus an. In Großbritannien gab es für die Serie Preise, in Deutschland schaffte sie es mit sporadischen Ausstrahlungen bei Arte, TM 3 und anderen Kleinstsendern nie über einen gewissen Kultstatus (vor allem unter schwulen Fans) hinaus.

Über mangelnde Aufmerksamkeit im Ausland konnte sich Saunders dennoch nie beschweren. In Frankreich adaptierte man die Serie für einen Kinofilm mit dem Titel Absolument fabuleux, in den USA - wo Ab Fab bis heute immer wieder im Kabelfernsehen wiederholt wird - traten sie und Lumley in ihren Paraderollen sogar in einer Folge der Erfolgssitcom Roseanne auf. Deren Schöpferin Roseanne Barr, selbst eine Komödiantin, die ihre eigene Serie verantwortete, versuchte sogar eine Weile lang, ein US-Remake mit Carrie Fisher auf die Beine zu stellen.

Spuren hinterließ Absolutely Fabulous auch anderswo - sei es in 2 Broke Girls oder auch Sex and the City. "Ich weiß, dass Sarah Jessica Parker und die Autoren große Fans unserer Show waren, deswegen gefällt mir natürlich der Gedanke, dass wir ihrer Serie ein wenig den Weg bereitet haben", sagt Saunders. "Der Unterschied allerdings ist, dass es Eddy und Patsy nie auch nur im Entferntesten darum ging, den Mann fürs Leben zu finden."

Kinder und Enkelkinder, eine überstandene Brustkrebserkrankung, eine Autobiografie, unzählige Auftritte in weiteren TV-Produktionen

Dass sich die insgesamt 39 Folgen von Absolutely Fabulous, die in Deutschland gerade in einer zehn DVDs umfassenden Komplettbox erschienen sind, insgesamt über 20 Jahre hinzogen (die letzte Folge lief im Sommer 2012) und es erst jetzt zu einem Kinofilm kam, hatte nie mit mangelndem Zuschauerinteresse zu tun. "Nach all der Skepsis zu Beginn war es bald der Sender, der am liebsten jedes Jahr eine neue Staffel gehabt hätte. Aber ich hatte schließlich auch noch anderes zu tun", meint Saunders mit Blick auf Kinder und Enkelkinder, eine überstandene Brustkrebserkrankung, eine Autobiografie und unzählige Auftritte in weiteren TV-Produktionen.

Mit Frauen wie Amy Schumer, Lena Dunham oder Mindy Kaling, die heute ganz selbstverständlich eigene Serien schreiben und eigenverantwortlich produzieren, möchte die 58-Jährige ohnehin keinesfalls tauschen. "Heute müsste man für eine solche Serie ständig Meetings mit Anzugträgern abhalten, Drehbücher abnicken lassen, Testszenen drehen. Alles würde überprüft und getestet und mit der Marktforschung abgeglichen."

Dass Absolutely Fabulous - Der Film den Schlusspunkt unter die Champagner-Exzesse von Eddy und Patsy setzt, ist trotzdem nicht gesagt. "Was das angeht, ist es ja wirklich ein Vorteil, dass es heutzutage das Internet gibt: Ich weiß, dass mir inzwischen von Netflix-Episoden bis zu Zehn-Minuten-Clips auf YouTube die unterschiedlichsten Formate und Plattformen zur Verfügung stehen", erklärt Saunders. Und: "Es würde mich jedenfalls wundern, wenn wir dort nicht noch einmal von den beiden Freundinnen hören würden."

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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