Doku "Hundsbuam" auf BR-alpha:"Jetzt reißt euch doch mal zusammen"

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Sie mobben, schlägern oder verweigern jedes normale Miteinander: Vor den Toren Münchens bekommen Schulversager eine letzte Chance, doch noch einen Abschluss zu schaffen. Alexander Riedel hat einen sehr intensiven Film über diese Jugendlichen gedreht, die die angebotene Hilfe oft nicht erkennen können.

Michael Bitala

Eine Handvoll Jungs. Einer wird gefragt, was denn sein Hobby sei. "Keine Ahnung", sagt er, "vielleicht chillen." Ein anderer antwortet seiner Mutter auf jede Frage: "Egal." Die ist verzweifelt: "Du immer mit deinem Egal. Kannst Du nicht ein Mal was Gescheites sagen?" Seine Antwort: "Egal." Und ein Dritter erzählt, warum er von der Hauptschule geflogen ist: "Hab eine Lehrerin gemobbt, in der Schule geraucht. Sonst nix."

Lucas heißt der Junge, der nicht nur seine Mutter verzweifeln lässt. Auf nahezu jede Frage antwortet er immer nur: "Egal". (Foto: BR/Alexander Riedel)

Je länger man diesen Dokumentarfilm über ein Schulprojekt im Erdinger Moos sieht, je länger man diesen Jugendlichen zuhört, desto stärker drängt sich der bayerische Begriff auf, der dem Film auch seinen Titel gegeben hat: "Hundsbuam". Das möchte man ihnen allen zurufen: Hundsbuam, miserablige. Auch Alexander Riedel, der die zumeist 14-Jährigen ein Jahr lang begleitet hat, ist es laut Presseheft so gegangen: "Da sitzen ausgebildete Lehrer und Sozialpädagogen und kümmern sich tagaus um nur eine Handvoll Schüler. Die kriegen da Mittagessen, alle bemühen sich um sie, und sie selbst sehen das nicht als Chance. Jetzt reißt euch doch mal zusammen, denkt man sich."

Aber natürlich reißen sie sich nicht zusammen, sie haben es nicht gelernt. Darum sind sie hier, in der "Ganztagsintensivklasse" in Wartenberg, 50 Kilometer nordöstlich von München. Hier haben sie ihre letzte Chance, einen Hauptschulabschluss zu bekommen, nachdem sie alle von den regulären Schulen geflogen sind, wegen Mobbings, wegen Schlägereien, wegen sonstiger Probleme. Als "unbeschulbar" gelten sie, als Kinder vom Rand der Gesellschaft, mit denen es nur abwärts gehen kann.

In Wartenberg aber sieht man, dass diese Jungs nicht der Rand der Gesellschaft sein müssen, dass in ihnen sehr viel Potenzial steckt, so wie wohl in allen 70.000 Jugendlichen, die jedes Jahr ohne Abschluss die Hauptschule verlassen. Sie brauchen oft nur mehr Zeit, und der Klassenleiter in Wartenberg, Walter Mooser, gibt sie ihnen. Fürsorglich, zugewandt, die meiste Zeit gelassen, aber oft auch sehr streng sieht man ihn mit den Schülern, wie er ihnen Tipps gibt, wie er sie lobt und ermahnt, wie er ihnen deutlich macht, dass so viel in ihnen steckt, sie aber an sich arbeiten müssten.

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Regisseur Alexander Riedel, der schon mit Draußen bleiben und Morgen das Leben für Aufsehen sorgte, weil er die Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm verwischte und damit Momente großer Wahrhaftigkeit schuf, zeigt auch in Hundsbuam, wie eindringlich es ist, wenn ein Film auf Interviews, erklärende Off-Texte und einfache Rezepte verzichtet, die Protagonisten einfach laufen und erzählen lässt.

Ruhige Szenen, die viel sagen

Da gibt es zum Beispiel Harry, der in Wartenberg den Hauptschulabschluss geschafft und nun eine Lehrstelle als Koch bekommen hat, seinem "Traumjob", wie er sagt. Da formt er am ersten Arbeitstag minutenlang einen Knödel, wiegt ihn ab, formt weiter und wird nicht fertig. Am zweiten Tag haut er mittags ab, weil er nicht versteht, dass die anderen in die Pause dürfen, er aber noch ein paar Minuten arbeiten soll.

Sein Chef gibt ihm, nachdem er viele Tage verschwunden war, noch eine Chance. Ein paar Monate später aber liegt die Kündigung vor, worüber Harry froh ist - die Kollegen hätten ihn immer "runtergemacht". Danach sieht man ihn mit der Mutter bei der Arbeitsagentur, hört ihn sagen, er wolle jetzt Maler und Lackierer werden, das sei sein "Traumjob". Am Ende des Films hat er immer noch keine Stelle, und er lacht, als er das erzählt, so überreizt, dass er einem dabei sehr leid tut.

Minutenlang kann man den Jungs zusehen, wie sie Mandalas malen und herumtoben, wie einer auf ein Gespräch mit dem Lehrer wartet, der aber im Hintergrund herumbrüllt, weil es auch ihm mal reicht. Es sind vor allem diese langen, ruhigen Szenen, die mehr über Jugendliche und ihr Scheitern am Schulsystem erzählen, als es jeder zugetextete Dokumentarfilm oder jede bemühte Talkshow könnte.

Bleibt nur die Frage, warum der Bayerische Rundfunk diesen Film, der der Welt dieser Jungen so nahe kommt, auf seinem Bildungskanal BR-alpha versteckt und nicht in sein Hauptprogramm holt.

Hundsbuam , BR-alpha, 20.15 Uhr.

© SZ vom 19.10.2012/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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