"Der Traum vom perfekten Kind" in der ARD:Die Last der Diagnose

Lesezeit: 2 min

ARD-Doku "Der Traum vom perfekten Kind" (Foto: SWR)

Seit 2012 ist in Deutschland ein Bluttest bei Schwangeren zugelassen, der Trisomie 21 vor der Geburt diagnostizieren kann. Die ARD-Doku "Der Traum vom perfekten Kind" behandelt das damit vebundene medizinethische Dilemma. Leider bleibt der Film im Allgemeinen, statt den Protagonisten mehr Platz zu geben.

Von Artur Senger

Die vier Frauen, die nebeneinander auf dem Rücken liegen, strecken ihre Beine in die Luft. Wie am Fließband schauen ihnen Kittelträger unter die buntbestickten Röcke. Fortpflanzungskontrolle. In dem Theaterstück "Mongopolis", aus dem die Szene stammt, geht es um die Ausrottung von Menschen mit Trisomie 21, dem Gendefekt, der das Down-Syndrom verursacht. Auch die Schauspielerin Juliana, eine hübsche und eloquente Frau, hat diese Behinderung.

Juliana und "Mongopolis" sind Teil einer Dokumentation des SWR, die von einer medizinischen Chance erzählt und von den moralischen Fragen, die damit verbunden sind. Seit 2012 ist in Deutschland ein Bluttest bei Schwangeren zugelassen, der Trisomie 21 vor der Geburt diagnostizieren kann. Er ist viel einfacher auszuführen und weniger riskant als eine Fruchtwasseruntersuchung. Und er stellt werdende Mütter vor eine schwierige Entscheidung.

Auch Julianas Mutter tritt auf in Der Traum vom perfekten Kind. Sie sagt, wenn die Ärzte ihr damals prophezeit hätten, dass sie ein behindertes Kind zur Welt bringen werde, hätte sie abgetrieben. Heute verfolgt sie mit Stolz die Schauspielkarriere ihrer Tochter: "Ich kann mir keine schönere und bessere Tochter vorstellen."

Vier Frauen über 35, Risikoschwangerschaften

Der Film begleitet auch Frauen, die schwanger sind. Wollen sie die Diagnose wissen oder nicht - darüber sind sie sich uneinig. Auch darüber, wie sie schlussendlich mit dem Wissen umgehen würden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle älter als 35 sind, weshalb die Ärzte von Risikoschwangerschaften sprechen. Die eine, Alexandra, wartet ab, was passiert. Sie will nicht vor einer Entscheidung stehen, die sie nicht treffen kann. Die andere, Silke, macht den teuren Bluttest, weil sie kein behindertes Kind möchte. Auch Natalia fürchtet sich davor und sagt, bis sie das Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung habe, könne sie sich nicht richtig auf den Nachwuchs freuen.

Doch irgendwann quillt der Film über vor Protagonisten. Ärzte werben für die Methode, Wissenschaftler hinterfragen sie, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats mahnt zu Verantwortungsbewusstsein, und Ehemänner halten Händchen. In seinen knapp 45 Minuten kommt Der Traum vom perfekten Kind keiner der porträtierten Personen wirklich nahe, er bleibt ein ausgedehnter Magazinbeitrag. So wie er gemacht ist, will er das auch sein, mit Off-Kommentar, Interviews in die Kamera und andauernder Bimmelmusik. Statt einzelnen Protagonisten Platz zu geben, bleibt er im Allgemeinen und erörtert, auch mit Schaubildern von Statistiken, ein medizinethisches Problem.

Das aber gelingt, und am Ende bleibt vor allem ein Satz hängen, ein Satz von einem Kollegen aus Julianas Schauspielerensemble: "Wir leiden nicht", sagt er, als mal wieder die Rede davon ist, dass er und die anderen eben am "Down-Syndrom leiden". "Wir sind nur anders - anders normal."

Der Traum vom perfekten Kind , ARD, 22.45 Uhr.

© SZ vom 21.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: