ARD-Krimi:"Tatort" aus Bremen: Schwitzen im War-Room

"Tatort" Bremen

Enorm viel Personal am Start in diesem Tatort, die beiden Ermittler (Stedefreund, hinten rechts), weiterhin ein Kommissar vom Dienst (hinten links) und ein Krisenstabsleiter (vorne Mitte).

(Foto: Radio Bremen/ARD Degeto/Svenja v)

Öko-Aktivisten wollen mit ihrem Terror die träge Masse aufmerksam machen auf die Gier der Profiteure. Diese Story ist so rasant erzählt, dass man mitunter abgehängt wird.

TV-Kritik von Holger Gertz

Mythos Programmplanung: Dieser Tatort aus Bremen läuft an jenem Wochenende, an dem es für die Stadt um so viel geht. Bremen ist bedroht, in der Bundesliga und erst recht in diesem Thriller.

Umweltaktivisten wollen das Trinkwasser mit Pestiziden vergiften, so wie es ein Chemiekonzern in Mali gemacht hat. Gleich zu Beginn läuft eine rote Flüssigkeit aus einem Duschkopf im Bremer Stadionbad, das liegt gleich hinterm Fußballplatz. Für Bremer und Bremenfans ist die Episode schon deshalb sehenswert, weil im Zeichen der drohenden Auslöschung viele Plätze noch mal schön ausgeleuchtet werden. Die Sielwall-Kreuzung. Das Viertel, zur Innenstadt hin, links im Bild das Emblem von Möbel Flamme. Das Theater am Goetheplatz. Der Osterdeich mit den vielen entspannten Menschen.

Die Aktivisten wollen mit ihrem Terror den Tod nach Hause holen und die träge Masse da draußen aufmerksam machen auf die Gier der Profiteure. Radikalität als Chance und Verhängnis - ein klassisches Thema für die Ermittler Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen).

Sogar die gemütliche Bremer Bahnhofsuhr macht Druck, Druck, Druck

Alles läuft innerhalb eines brütendheißen Tages ab, der Stammregisseur Florian Baxmeyer legt in "Der hundertste Affe" ein irres Tempo vor. Digitalanzeigen werden eingeblendet, Countdowns ticken runter, sogar die gemütliche Bremer Bahnhofsuhr macht Druck, Druck, Druck.

Im War-Room der Polizei schwitzen die Experten in die Tischventilatoren hinein. Man loggt sich wechselseitig in fremde Computer ein, man dechiffriert Botschaften aus dem Netz, man späht sich gegenseitig aus. Das Duell zwischen Aktivisten und Polizisten ist ein Fest für Cyberfreaks, wer allerdings noch halbanalog unterwegs ist, wird sich bald fragen: Hä?

Tolle Schauspieler, grandiose Bilder (Kamera: Peter Joachim Krause), aber die Geschichte ist kompliziert, mit Tendenz zur Unübersichtlichkeit (Buch: Christian Jeltsch). Enorm viel Personal am Start, die beiden Ermittler, weiterhin ein Kommissar vom Dienst, ein Krisenstabsleiter. Und eine Frau vom BKA, offenbar Tourette-Patientin, ruft "Game over, du Wichser" oder "Bring dich selbst um, du Penner".

Möge es bald zu Ende sein - und gut ausgehen

Es ist allerdings eine Qualität, wenn eine Geschichte so rasant erzählt ist, dass auch derjenige irgendwie dranbleibt, der die Geschichte nicht versteht. Dieser Tatort ist in dem Sinne mitreißend, dass man als Zuschauer, wie im Abstiegskampf, irgendwann erschöpft ist und darauf hofft, alles möge bitte bald zu Ende sein - und gut ausgehen. Besonders für das kleine, stolze, sehr tapfere Bremen.

ARD, Pfingstmontag, 20.15 Uhr.

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