ARD-Komödie:Darf's ein bisschen mehr sein?

Fanny und die geheimen Väter

"Für viele Frauen, die in einem absoluten Korsett leben, könnte Fanny durchaus ein Vorbild sein", findet Jutta Speidel.

(Foto: ARD Degeto/Barbara Bauriedl)

Die ARD entdeckt, dass Jutta Speidel eine prima Boulevardschauspielerin ist. Als "Fanny" spielt sie jetzt eine chaotische und gar nicht nette Erbin.

Von Benedikt Frank

Einen Tag, der so beginnt, braucht kein Mensch. Der Gerichtsvollzieher klopft an die Tür. Fanny Steininger flieht aus dem Fenster im ersten Stock. Immerhin steht unten eine große, gut gefüllte Papiertonne. Vom Abschleppwagen, der ihren alten türkisgrünen Fiat aufgeladen hat, sieht sie nur noch die Rücklichter. Zur Arbeit schafft sie es knapp, sie ist Zugbegleiterin, aber bleibt es nicht mehr lange. Ein Kerl grapscht ihr an den Hintern. Fanny bricht ihm dann gleich mal drei Finger. "Zwei zu wenig", sagt sie ihrem Chef. Der findet, dass sie sich aufreizend anzieht. Schon wieder so ein Job, den Fanny schnell verliert. Sie ist Anfang 60, Single, Schuldnerin. Und dann - erbt sie.

Vom unverhofften Glück zur ungewollten Qual

Die ARD-Filmtochter Degeto probiert ein neues Format für den Freitagabend aus und hat zwei 90 Minuten lange Filme über das Erben produziert. Gut gewählt das Thema, denn die meisten Deutschen haben schon geerbt oder werden es demnächst tun. Konfliktpotenzial - schöner gesagt: Drama - gibt es dabei auch. Testamente sind unter Umständen nicht eindeutig formuliert und der Nachlass ist finanziell oder emotional so wertvoll, dass man darüber lange vor Gericht streiten kann. Wenn ein Charakter wie Fanny die ganze Fallhöhe vom unverhofften Glück zur ungewollten Qual durchsegelt, kann daraus auch eine gemütliche Freitagabendkomödie im Ersten werden.

Hauptfigur Fanny wird von Jutta Speidel, 62, gespielt. Speidel gehört sozusagen schon hauptberuflich in das Fach, nach dem der Plot klingt, nämlich die fidele Boulevardkomödie (etwa in der Komödie im Bayerischen Hof in München). Sie ist schon ewig im Fernsehen, man würde ihr aber durchaus noch Überraschungen zutrauen, zum Beispiel eine ungewöhnliche Ü-60-Frauenrolle im TV. Die Degeto nutzt dieses Potenzial und behauptet, Speidel sei nun als Fanny "ganz untypisch besetzt" worden, zehn Jahre nach ihrem Abschied als Nonne Lotte in der Dienstagabendserie Um Himmels Willen. "Fanny sollte nicht die liebe Nachbarin werden, als die man Jutta Speidel kennt", meint die Produzentin Carmen Stozek.

Gut - lieb ist Fanny wirklich nicht. Sie liegt der Verwandtschaft auf der Tasche, zieht One-Night-Stands einer festen Bindung vor und auch mütterliche Gefühle sind ihr eher fremd. Das Erbe ist für Fanny in vieler Hinsicht eine Überraschung, denn das Geld stammt von einem Mann, der behauptet, er sei ihr leiblicher Vater. Sein Testament sieht vor, dass sie sich um ihren geistig behinderten Halbbruder kümmern soll, von dem sie bisher auch nichts wusste. Fanny will ihn nur schleunigst loswerden, aber das Geld behalten.

Speidels Wunsch für die Rolle: Rock immer ein bisschen zu kurz, Dekolleté immer etwas zu tief

Der Bruder soll halt schauen, wo er bleibt. Jutta Speidel findet trotzdem: "Für viele Frauen, die in einem absoluten Korsett leben, könnte Fanny durchaus ein Vorbild sein. Sie müssen ja nicht gleich ein Testament fälschen." Sie hat die Reihe selbst mitentwickelt, auf die Idee zu dem Stoff brachten sie ein Erbschaftsanwalt, mit dem sie befreundet ist. Fanny wurde, heißt es, nach der Schwester ihrer Großmutter benannt. Jutta Speidel hat sich gewünscht, "dass der Rock immer ein bisschen zu kurz ist und das Dekolleté immer etwas zu tief sitzt". Der Wunsch wurde erfüllt.

Schrill, aber das Herz am rechten Fleck

Man wäre bei der Produktion sogar gerne noch etwas weiter gegangen, berichtet Carmen Stozek. In Mit Burnout durch den Wald hatte die Degeto 2014 unter neuer Leitung von Christine Strobl und ebenfalls mit schauspielerischer Beteiligung von Jutta Speidel gezeigt, dass der ARD-Freitag nicht zwangsweise aus seichten Komödien bestehen muss. Augenscheinlich will man mit Fanny aber auch nicht zu sehr an den Sehgewohnheiten des Publikums rütteln.

Flache Flundern

Die Filme sind nicht unbequem, es tritt nur eine etwas schrillere Hauptfigur auf, die aber das Herz dann doch am rechten Fleck hat. Nichts, weshalb man um den ruhigen Übergang ins Wochenende fürchten müsste. Fanny, also Speidel, dominiert die Reihe stark. Die vielen weiteren Figuren sind Beiwerk. Etwa die beiden Schwestern von Fanny, die den Metzgerbetrieb der Eltern weiterführen. Die unausweichliche Frage aller fürsorglichen Fleischfachverkäufer - "Darf's ein bisschen mehr sein?" - hat man auch für das Drehbuch bejaht. Denn natürlich dürfen die Schwestern nichts von der Erbschaft wissen, der andere Vater passt nicht so gut zu dem Bild, das die Familie von sich selbst hat. Fannys Mutter kann dazu nichts mehr sagen, sie ist schon lange gestorben.

Aber ist er es wirklich? Fanny halluziniert jetzt regelmäßig vom Ehemann ihrer Mutter, Otto Steininger (Max Schmidt), den sie bisher für ihren Erzeuger hielt. Und sie mischt sich in eine Anwaltskanzlei ein, die - natürlich - auf Erbrecht spezialisiert ist. Dort kümmert sie sich mit dem unerfahrenen Erben der Anwaltsdynastie um hoffnungslose Fälle, je einen pro Folge. Das Familiengefüge dieser Anwälte ist wiederum selbst höchst eigenartig.

Komisch: Obwohl alles so vollkommen überfrachtet ist, wirken alle außer Fanny sehr platt; die flachste Flunder macht die Produktion dabei aus ihrem behinderten Halbbruder Elias (Dennis Mojen). Der stellt sich im ersten Teil wahrhaftig mit dem Satz vor, "Hallo, ich bin bekloppt". Dann verschwindet er gleich wieder. Wahrscheinlich bedeutet das, dass er in späteren Folgen wieder auftaucht. Und Fanny darf sicher wieder nicht lieb zu ihm sein.

Fanny und die geheimen Väter, ARD, 20.15 Uhr; Fanny und die gestohlene Frau, 3. Juni, 20.15 Uhr.

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