Schauspielerin Caroline Peters:Verweigerung liegt ihr

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Caroline Peters als Kriminalkommissarin Sophie Haas in "Mord mit Aussicht". Die Serie ist quasi die Mutter aller Landei-Krimis. (Foto: ARD/Thomas Kost)

Sie ist durch und durch Theater, das mit dem Fernsehen wirkt eher wie ein Betriebsunfall. Doch nun bringt Caroline Peters in "Mord mit Aussicht" das ARD-Vorabendprogramm wieder auf Kurs. Denn wo sie auftaucht, ist Qualität. Doch die ARD schätzt ihr großes Gut offenbar nur zum Teil.

Von Hans Hoff

Mit Caroline Peters muss man über Theater reden. Man kommt gar nicht drum herum. Weil diese Frau durch und durch Theater ist. Weil sie hauptsächlich Theater spielt. Weil das mit dem Fernsehen auf sehr besondere Weise wie ein Betriebsunfall wirkt. Wie ein großes Nebenbei. Nun schickt sich aber dieses Nebenbei gerade an, einen Platz in einer der vorderen Reihen der Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Das wiederum hat viel mit Caroline Peters zu tun. Mit der Tatsache, dass man dort, wo sie auftaucht, wo sie spielt, eine besondere Qualität annehmen darf. Kein Nullachtfünfzehn.

Es ist nicht so, dass allein die Peters das Fernsehen groß macht. Vielmehr sucht sie sich gezielt Produktionen aus, die für eine gewisse Qualität stehen, die auch gehobene Ansprüche erfüllen. Beispielsweise kann man derzeit sogar freitags das Vorabendprogramm der ARD anschauen. Wo man bisher mit Fug und Recht nur Billigschrott der Marke Heiter bis tödlich vermutete, laufen derzeit Wiederholungen von Mord mit Aussicht, also jener Serie, mit der das Erste bewiesen hat, dass es gute schräge Landei-Krimis kann. Mord mit Aussicht ist quasi die Mutter aller Landei-Krimis, der Maßstab, an dem sich all die anderen, leider durchweg unsäglichen Regionalserien zu messen haben. Bei Mord mit Aussicht hat das Erste gezeigt, was es kann. Mit all den halbgaren Nachahmerprodukten nährt es nun die Annahme, dass das gezeigte Können eher versehentlich zugelassen wurde.

Zappelnder Fisch an Land

"Es ist überhaupt nicht cool. Wir verweigern uns", urteilt Peters beim Interview über die Serie. Verweigerung liegt ihr. Die 41-Jährige bürstet gerne gegen den Strich. "Ich mache Sachen gerne trotzdem, also obwohl irgendwas dagegen spricht", sagt sie. Früher, als das große Schnüffeln des Staates noch Rasterfahndung hieß, hat sie absichtlich die Miete ihrer Wohnung bar bezahlt. Sie wollte auffallen. Sie wusste, dass sie mit solchem Verhalten ins Raster fällt. Es war ihre Art des Protestes.

Behält man so etwas im Hinterkopf, kann man Mord mit Aussicht noch besser würdigen. "Wir sind akribisch bei den Details", sagt Peters. Folgerichtig stimmt in dieser für den Grimme-Preis nominierten Serie so vieles, was bei anderen Serien nicht einmal in den Dunstkreis einer Stimmigkeit gelangt. Es gibt Pointen, die bewusst versanden, es gibt wunderbare Charaktere wie etwa den von Bjarne Mädel traumhaft gespielten Hilfspolizisten Dietmar Schäffer und natürlich Frau Haas, die von Caroline Peters gespielte Kriminalistin, die wider Willen in die Eifel versetzt wurde und dort nun den zappelnden Fisch an Land gibt.

Solch eine Serie funktioniert auf vielfältige Weise. Man kann sie als einfältiges Gemüt einfach so weggucken, man kann aber auch die intelligente Absicht aus ihr herauslesen, das große Wollen großer Könner. Als Zuschauerin wäre Peters ihrer Serie allerdings kaum je begegnet. Sie schaut kein Fernsehen. Wie auch, wenn man zu den zentralen Sendezeiten selbst auf der Bühne steht? "Aber die DVDs hätte ich mir ausgeliehen", sagt sie pflichtbewusst.

Derzeit sind neue Folgen von Mord mit Aussicht in Vorbereitung. Offenbar weiß die ARD, was sie an der Serie hat, auch wenn sie das erst spät erkannt hat und sich nun schwer tut, die bewährten Protagonisten rasch in einen neuen Drehplan zu integrieren. Indes: So ganz weiß die Anstaltengemeinschaft ihr großes Gut offenbar nicht zu schätzen. Peters erzählt, dass bei der nächsten Staffel statt 27 Drehtagen für drei Folgen nur noch 26 angesetzt sind. "Das ist die große Dankbarkeit des Fernsehens", sagt sie lapidar. Das große Seufzen muss man sich dazu denken. Peters seufzt nicht selbst. Das überlässt sie der Kombinationsgabe des Gegenübers.

"Es wird jeden Tag bar bezahlt"

Peters gibt sich unsicher, zweifelnd. Dabei bräuchte sie nur mal länger die Obsession zu registrieren, die sie beispielsweise bei zuschauenden Männern auslöst. Reihenweise sind die in sie verliebt. Nicht schwärmerisch, eher gefordert. Das lässt die Verehrer gelegentlich ein wenig ungelenk wirken. "Die Frau mit dem auffallenden Mund" schrieb der Kölner Express, wohl weil ihm sonst nicht einfiel, wie er das Besondere an dieser Frau in Worte versetzen konnte. Vielleicht überträgt sich aber auch einfach das theatralische Fremdeln der Fernseh-Peters in die Hirne der Zuschauer. Seit 18 Jahren spielt sie nun Theater und schätzt die Zahl der Menschen, die sie damit erreicht hat, auf vielleicht 70 000. Beim Fernsehen sind es bei jedem ihrer Auftritte auf einen Schlag ein paar Millionen. "Mir ist noch nicht ganz klar, was das ist", zweifelt sie: "Ich bin bei den Leuten daheim zu Gast. Das ist komisch."

Als Kind hat sie ferngesehen, wenn sie durfte. Sie durfte nicht immer, aber sonntagsnachmittags, wenn in den Dritten schwarz-weiß-Filme aus den 30- und 40er Jahren liefen, dann hat sie die aufgesaugt. "Ich habe so lange in den Fernseher hineingeschaut, bis ich selber hineingefallen bin", scherzt sie, wohlwissend, dass die Glotze nie ihr Ziel war. Erst 2001 hatte sie ihren ersten Dreh. Mehr aus Neugierde denn aus Leidenschaft. "Ich war neugierig und wollte wissen, wie das überhaupt geht mit dem Drehen", berichtet sie und weiß wohl die Welten zu trennen. "Beim Theater ist die Vorbereitung ganz lange und die Vorstellung ein Rutsch." Beim Fernsehen sei die Vorbereitung eher ein Stakkato.

Prompt ist das Gespräch mit Peters dort, wo es hingehört, beim Theater. "Ich liebe das Theater nach wie vor. Ich wünsche mir, dass da wieder mehr Leute hingehen", sagt sie, die seit 2004 Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater ist. Davor hat sie hier und dort gespielt, sich in Saarbrücken, in Hamburg, in Berlin ausprobiert und der täglichen Spannung gestellt. "Es wird jeden Tag bar bezahlt", formuliert sie eine alte Bühnenweisheit und meint damit das Verhältnis von Theaterschauspielern und Zuschauern und die daraus resultierenden Komponenten Aufmerksamkeit und Applaus. "Wer diese Spannung nicht braucht, wird sich was Netteres aussuchen."

Von der Bühne aus hat sie beobachtet, wie Zuschauer während einer Vorstellung dazu neigen, eine Einheitsmeinung abzubilden, was für manchen auch bedrängend wirken kann. "Jedes Publikum ist eine geschlossene Gruppe. Das ist nicht für jeden Zuschauer angenehm zu erleben", diagnostiziert Peters. Sie weiß, wovon sie spricht. Als junge Theatergängerin hat sie solch eine Haltung noch verweigert, hat sehr mit sich gehadert, wenn die da vorne lautstark agierten und sie still zu sitzen hatte: "Ich wollte auf den Stuhl steigen und laut schreien. Ich musste die ganze Vorstellung an mich halten. Es war eine Unverschämtheit, dass die reden durften und ich nicht."

Heute redet Peters, und sie hat eine sehr leise, aber bestimmte Art, die Dinge durchzusetzen, die sie will. Man glaubt ihr daher nicht gleich, wenn sie von persönlichen Unsicherheiten spricht. "Als junge Frau hatte ich große Ängste", sagt sie, weiß aber inzwischen gegen entsprechende Gefühle anzukämpfen. "Ich habe keine Lust, mich von Ängsten beherrschen zu lassen", sagt Caroline Peters und zeigt kurz jenen Trotz, der auch ihr Spiel als Sophie Haas in Mord mit Aussicht so vielschichtig macht. Ohnehin sieht sie Angst auch als starken Motor. "Die Vorstellung, dass immer nur das Schlechteste passieren kann, kann einen auch mobilisieren, nicht deprimieren."

Sie holt eben raus, was in den Gegebenheiten steckt. Genau deshalb ist Caroline Peters eine besondere Erscheinung im schauspielernden Gewerbe. Und wichtig fürs Fernsehen. Es gibt eben noch viel zu wenige von ihrer Sorte.

© SZ vom 19.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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