Westerwelle-Interview:"Bevor ich den Löffel abgebe, ist Schwulsein eine Selbstverständlichkeit"

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Spricht in einem Interview ausführlich über seine Homosexualität: Ex-Außenminister Guido Westerwelle (hier mit seinem Partner Michael Mronz im Jahr 2009 bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele). (Foto: Tobias Hase/dpa)

Guido Westerwelle äußert sich in einem "Stern"-Interview ausführlich zu seiner Homosexualität. Er begründet, warum er als Außenminister nicht deutlicher auf die Diskriminierung von Schwulen in arabischen Staaten hingewiesen hat - und bedauert, dass er für eigene Kinder zu alt ist.

Sein Coming-out war nicht ganz so plakativ und deutlich ausgesprochen wie das von Klaus Wowereit. Der Regierende Bürgermeister von Berlin hatte, bevor er ins Amt kam, auf einer Parteiversammlung den legendären Satz. "Ich bin schwul, und das ist auch gut so" gesagt. Das gilt heute quasi als Prototyp des öffentlichkeitswirksamen Coming-outs von Politikern.

Doch Guido Westerwelle pflegte, wenn es um sein Privatleben ging, immer einen anderen Stil. Schon Ende der neunziger Jahre, damals war er noch FDP-Generalsekretär, war unter Journalisten und Politikerkollegen bekannt, dass Westerwelle homosexuell ist. Öffentlich sprach er nie darüber, doch gegen Berichte, in denen er in einer Liste von schwulen Prominenten auftauchte, ging Westerwelle auch nicht vor. Er unternahm auch nichts, als die Bild-Zeitung im Jahr 2004 mit der Schlagzeile "FDP-Chef Westerwelle liebt diesen Mann" aufmachte.

Auch in seiner Zeit als Außenminister hat er sein Privatleben nicht offensiv öffentlich thematisiert. Zwar nahm er seinen Lebensgefährten Michael Mronz, mit dem er seit 2010 in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, mit zu einigen Terminen und auf Reisen. Doch zu politischen Fragen, wie etwa der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, äußerte er sich eher selten.

"Ich war zunächst Außenminister und erst in zweiter Linie ein schwuler Außenminister", sagt Westerwelle jetzt in einem Interview mit dem Stern. Darin äußert er sich ausführlich zu seiner Homosexualität - und er kritisiert die Kanzlerin.

Von Angela Merkel erwartet Westerwelle, dass sie die Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften mit der Ehe stärker als bisher vorantreibt. Auf die Frage, ob die vollständige Gleichstellung bislang am Unwillen der Kanzlerin gescheitert sei, sagte der Ex-Außenminister: "Ja. Aber nun hat sie es in der Hand."

"Bevor ich den Löffel abgebe, ist Schwulsein eine Selbstverständlichkeit"

Er habe "mit Aufmerksamkeit die sensible Einlassung" des Regierungssprechers zum Coming-out des früheren Fußball-Nationalspielers Thomas Hitzlsperger verfolgt, so Westerwelle. Aber das seien ja zunächst mal nur Worte gewesen. "Mir wäre es lieber, wenn das, was in unserer Regierungszeit so gut vorangekommen ist, jetzt auch vollendet würde, nämlich die völlige rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe", sagte Westerwelle.

Deutschland ist in den Augen des einstigen FDP-Chefs trotz der zunehmenden Akzeptanz von Homosexualität noch immer keine ausreichend aufgeklärte Gesellschaft. Westerwelle macht das an einem Satz des früheren Arbeitsministers Norbert Blüm deutlich. Der hat noch am Samstag vor dem Hitzlsperger-Bekenntnis gesagt, die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften sei eine Art Zeitgeistphänomen, dem das Bundesverfassungsgericht nicht erliegen dürfe.

Dass die CDU, der Blüm angehört, vor allem in gesellschaftlichen Fragen stark konservativ geprägt ist, hält Westerwelle aber nicht davon ab, sie nach wie vor als politischen Wunschpartner zu sehen. "Die SPD war doch meist nicht besser. Wenn es um Spießigkeit geht, gab es in Deutschland von jeher eine wirklich ganz große Koalition", sagt Westerwelle.

Der FDP-Politiker weist in dem Interview Vorwürfe zurück, er habe in seiner Zeit als Vizekanzler und Außenminister nicht laut genug auf die Diskriminierung von Homosexuellen in arabischen und osteuropäischen Ländern hingewiesen. "Das habe ich stets, wo es nötig war". Auch in Saudi-Arabien, wo Homosexuellen die Todesstrafe droht, habe er ausführlich über Bürgerrechte und innere Liberalität gesprochen - "in angemessener und diplomatischer Weise, wie es bei Kontroversen international üblich ist".

Am Ende lässt Westerwelle auch eine sehr private Frage zu - die nach eigenen Kindern. "Wäre ich zehn Jahre jünger, wäre das ein Thema, ja", sagt er. Traurig mache ihn dies aber nicht, sondern eher "nachdenklich". Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften würden oft deshalb diskriminiert, weil sie keinen Nachwuchs hätten. Dabei könne er keinen Unterschied erkennen zu heterosexuellen Ehen, in denen es keine Kinder gebe. Auch an diesem Beispiel könne man ablesen, dass es noch dauern werde, bis Homosexualität zu einer allgemein akzeptierten Tatsache wird. Doch Westerwelle ist überzeugt, dass es eines Tages so weit sein wird: "Ich sage Ihnen: Bevor ich den Löffel abgebe, ist Schwulsein eine Selbstverständlichkeit."

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